Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH X B 78/16)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Passivierung von Verbindlichkeiten bei geringer Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme - Zuordnung eines dem Betriebsinhaber gewährten Darlehens zum Privatvermögen - Saldierung gem. § 177 AO bei zusammenveranlagten Eheleuten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verbindlichkeiten sind ausnahmsweise dann nicht mehr in voller Höhe zu passivieren, wenn mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit eine Inanspruchnahme des Schuldners nicht mehr zu erwarten ist. In diesem Fall stellt die Verbindlichkeit für den Schuldner keine wirtschaftliche Last mehr dar.

2. Das einem Betriebsinhaber von einem Angehörigen gewährte Darlehen, das zwar zivilrechtlich, aber unter Heranziehung des Fremdvergleichs steuerrechtlich nicht anzuerkennen ist, ist nicht dem Betriebsvermögen, sondern dem Privatvermögen des Betriebsinhabers zuzuordnen. Daraus folgt nicht nur, dass die Zinsen nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, sondern auch, dass die Darlehensvaluta selbst dem Privatvermögen des Betriebsinhabers zuzuordnen ist.

3. Bei zusammenveranlagten Eheleuten ist bei einer Änderung der Steuerfestsetzung wegen der einen Ehegatten betreffenden Besteuerungsgrundlagen eine Saldierung mit Rechtsfehlern, die zu einem zu steuererhöhenden Ansatz von Besteuerungsgrundlagen des anderen Ehegatten geführt haben, zulässig und geboten.

 

Normenkette

AO § 177; HGB § 249

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 08.05.2017; Aktenzeichen X B 78/16)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der nach einer Betriebsprüfung beim Kläger bei seinen gewerblichen Einkünften vorgenommenen Kürzungen von Verbindlichkeiten und Rückstellungen und der Hinzuschätzung von verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) bei der Klägerin bei ihren Einkünften aus Kapitalvermögen.

Die Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger war in dem streitigen Zeitraum u. a. als ... tätig und erzielte hieraus gewerbliche Einkünfte. Er ermittelt seinen Gewinn gem. § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Einkommensteuergesetz (EStG).

Für die Zeit von 2000 bis 2002 wurde auf Grund der Prüfungsanordnung vom 05.02.2004 eine Betriebsprüfung durchgeführt. Die Betriebsprüfung vertrat insbesondere die Ansicht, dass Verbindlichkeiten und Rückstellungen, die der Kläger passiviert hatte, auszubuchen seien, weil nicht mehr mit seiner Inanspruchnahme gerechnet werden könne.

Insbesondere stellte die Betriebsprüfung dabei folgende Sachverhalte fest:

1. Passivposten Finanzierung G (Tz. 2.10 des Bp-Berichts)

Im Jahr 1984 ... erwarb der Kläger mehrere Immobilien und finanzierte diese über fünf Darlehen der A AG. Die Immobilien wurden mit Grundschulden belastet. Der Kläger übernahm in der Bestellungsurkunde zugleich die persönliche Haftung in Höhe der bestellten Grundschuld nebst Zinsen und unterwarf sich in dieser Höhe der sofortigen Zwangsvollstreckung. Die Darlehensgeberin sicherte sich zu dem durch Bürgschaften ab, die die B-Bank, nunmehr die C-Bank als Rechtsnachfolgerin, übernahm. In den Jahren 1989 bis 1991 betrieb die Darlehensgeberin aus den Grundschulden die Zwangsvollstreckung in die Grundstücke. Aus den Zwangsversteigerungen konnte sie sich nur teilweise befriedigen. Sie nahm folglich die B-Bank als Bürgin mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 516.963,17 DM in Anspruch. Die B-Bank erhielt hierfür im Wege der Abtretung Forderungen i. H. v. insgesamt 509.353,38 DM aus der in der Grundschuldurkunde übernommenen persönlichen Haftung des Klägers. Bei der A AG verblieben nach der Abtretung noch Forderungen. Die Höhe dieser verbliebenen Forderung ist zwischen den Beteiligten streitig.

Mit Schreiben vom 08.10.2002 verlangte die D KG im Auftrag der E AG als Rechtsnachfolgerin der A AG Zahlung der noch ausstehenden Darlehenssumme in Höhe von 251.839,89 € zzgl. Zinsen und Kosten. Wegen derselben Forderung nahmen die Rechtsanwälte F den Kläger mit Schreiben vom 29.02.2004 im Auftrag der E AG i. H. v. nunmehr 266.991,89 € in Anspruch, worauf der Kläger nicht reagierte.

Mit Schreiben vom 27.10.2004 forderte die C-Bank den Kläger zur Zahlung von 226.576,34 € auf: "Restforderung 226.576,34 € einschließlich Zinsen und Kosten per 30.05.2003". Im weiteren Schriftverkehr mit dem Kläger und dessen Bevollmächtigten Dr. F legte die Bank dar, dass sich die Gesamtforderung zum 18.02.2005 auf 436.549,51 € (226.576,34 € zzgl. 209.311,62 € Zinsen und 661,55 € Kosten) belaufe. Im November 2005 versuchte die C-Bank erfolglos, in das Vermögen des Klägers zu vollstrecken. Der Kläger drohte an, Vollstreckungsgegenklage zu erheben.

Seit 1990 bilanzierte der Kläger im Rahmen seines Einzelunternehmens diverse Passivposten mit der Bezeichnung "Finanzierung G". In den Streitjahren 1998 bis 2002 passivierte er Verbindlichkeiten aus Darlehen gegenüber Kreditinstituten i. H. v. 537.639,00 DM (= 274.890,46 €) und Verbindlichkeiten aus Zinsforderungen i. H. v. 112.572,74 DM (= 57.557,53 €) für bis Ende 1992 angefallene Zinsen sowie Rückstellungen für Zinsen der Jahre 199...

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