Entscheidungsstichwort (Thema)

Entstehung von Lohnsteuer für das Versorgungsmodell „Versorgungslohn statt Barlohn” im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Eine Lohnsteueranrufungsauskunft hat auch Bindungswirkung für den Erlass eines Nachforderungsbescheides im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.
  2. Der Zufluss von Arbeitslohn wird bei einer nicht als Lohnverwendung zu qualifizierenden Entgeltumwandlung zugunsten einer später zu erbringenden Versorgungsleistung auch dann auf den Zeitpunkt der Versorgungsleistungen hinausgeschoben, wenn keine (steuerlich anzuerkennende) betriebliche Altersversorgung im Sinne des BetrAVG vorliegt.
 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 1 S. 3, § 38a Abs. 1 S. 3, § 38 Abs. 2, § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 42e

 

Streitjahr(e)

2003, 2004

 

Tatbestand

Streitig ist die Frage, ob der Beklagte von der Klägerin nachträglich Lohnsteuer fordern kann für zunächst nicht ausgezahlte Bestandteile von Arbeitsentgelt.

Im Januar 1998 hatte die Klägerin ihren damaligen (zehn) Arbeitnehmern ein Modell zur betrieblichen Altersversorgung vorgestellt. Danach hatten die Arbeitnehmer zugunsten einer von der Klägerin versprochenen zusätzlichen Versorgungsleistung im Alter („Versorgungslohn statt Barlohn”) auf die Auszahlung von künftig erwarteten Lohnbestandteilen (z.B. Weihnachtsgeld) verzichten können. Die nicht sofort ausgezahlten Lohnbestandteile sollten bei der Klägerin angesammelt und mit mindestens 5 v.H. pro Jahr verzinst werden (sogenannte Anpassung). Kapital und Anpassung sollten grundsätzlich erst nach Eintritt des Versorgungsfalles (z.B. Vollendung des 65. Lebensjahres) in drei Jahresraten ausgezahlt werden. Wegen der Einzelheiten der Beschreibung des Modells und des Textes der vorgesehenen Vereinbarung mit den Arbeitnehmern wird auf die Anlage 1 zur Klagebegründung vom 25.1.2005 und auf die Anlagen zum Schriftsatz der Klägerin vom 10.4.2008 Bezug genommen.

Mit Wirkung vom 1.1.1999 an wurde das vorgenannte Modell im Unternehmen der Klägerin auch tatsächlich eingeführt und in der Folgezeit angewandt. Dabei meldete die Klägerin die nicht mehr ausgezahlten Entgelte nicht als Arbeitslohn an und führte auch keine Lohnsteuer ab.

Im Kalenderjahr 2003 führte der Beklagte eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch, und zwar für den Zeitraum vom 1.12.1998 bis zum 31.12.2002. Hierbei griff der Außenprüfer auch die steuerliche Handhabung des Modells zur zusätzlichen Altersversorgung auf. In seinem Bericht vom 24.11.2003 (Abschnitt B. Tz 3) vertrat er die Rechtsauffassung, dass das Modell nicht anerkannt werden könne, soweit die Klägerin von einer Gehaltsminderung bei ihren Arbeitnehmern ausgegangen sei. Dies begründete er unter Berufung auf einen Erlass des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 5. August 2002 (IV C 4 - S 2222 - 295/02, Bundessteuerblatt ≪BStBl≫ I 2002, 767) mit dem Hinweis, dass die im Erlass vorgesehene Altersgrenze (60. Lebensjahr; Tz 144, 146 des Erlasses) nicht durchgängig eingehalten worden sei. Ferner gehe die in das Modell der Klägerin eingearbeitete Hinterbliebenenversorgung über die im Erlass (Tz 147 Satz 1) vorgesehene Grenzziehung hinaus.

Wegen der Einzelheiten der Argumentation des Außenprüfers wird auf den Prüfungsbericht vom 24.11.2003 Bezug genommen.

Der Beklagte folgte der Rechtsauffassung des Prüfers und erließ unter dem 16.12.2003 einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid, mit dem er in pauschalierter Form (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes ≪EStG≫) neben anderen nicht streitigen Beträgen auch Lohnsteuer und Nebenleistungen nachforderte. Für die nach Ansicht des Beklagten erfolgte Verwendung von fälligen Lohnbestandteilen zur Altersversorgung der Arbeitnehmer ergab sich bezogen auf den Zeitraum vom 1.12.1998 bis 31.12.2002 eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 111.039,76 EUR. Den am 21.1.2004 beim Beklagten eingegangenen Einspruch der Klägerin wies er unter dem 23.6.2004 als unbegründet zurück.

Im Klageverfahren trägt die Klägerin vor:

Der angefochtene Nachforderungsbescheid sei wegen sachlicher und verfahrensrechtlicher Fehleinschätzungen des Beklagten rechtswidrig.

1. Sachlich fehlerhaft sei der Bescheid, weil im streitigen Zeitraum im Zusammenhang mit der Anwendung des Versorgungsmodells keine Lohnsteuer angefallen sei.

Ihren Arbeitnehmern sei nämlich im Zusammenhang mit dem Gehaltsverzicht und der Zusage von künftig zu erbringenden Versorgungsleistungen kein Lohn zugeflossen.

Eine Auszahlung der fälligen Lohnbestandteile sei unstreitig nicht erfolgt.

Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ein Zufluss auch dann angenommen werden, wenn der Lohn nicht ausgezahlt, sondern im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer anderweitig verwendet werde, eine solche Verwendungsabrede liege im Streitfall aber nicht vor. Vielmehr sei die zwischen ihr und den Arbeitnehmern bestehende Vergütungsvereinbarung in der Weise modifiziert worden, dass die Arbeitnehmer auf einen Teil ihrer künftigen, noch nicht durch Dienstleistung konkretisierten Ve...

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