Entscheidungsstichwort (Thema)

Stromsteuerbefreiung für Biogas-Blockheizkraftwerke: Ausschließlichkeit der Entnahme von Strom aus erneuerbaren Energieträgern – Einspeisung in das öffentliche Stromnetz

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Aufgrund des Ausschließlichkeitserfordernisses des § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG ist die Steuerbefreiung der Entnahme von Strom aus erneuerbaren Energieträgern ausgeschlossen, wenn der Strom in das öffentliche Stromnetz eingespeist worden ist.
  2. Das für die Addition der Nennleistung mehrerer Biogas-Blockheizkraftwerke und die daraus ggf. folgende Überschreitung der Steuerbefreiungsgrenze von 2 MW relevante Merkmal der zentralen Steuerung i.S.d. § 12b Abs. 2 Satz 1 StromStV liegt vor, wenn der Erzeuger einem Direktvermarktungsunternehmen die Befugnis einräumt, durch eine Fernsteuerung der Blockheizkraftwerke die jeweilige Ist-Einspeisung abzurufen und die Einspeiseleistung bedarfsgerecht zu erhöhen oder zu vermindern.
  3. Die in § 11 Satz 1 Nr. 8 Buchstabe a Satz 1 StromStG enthaltene Ermächtigungsgrundlage für die Bestimmung des Begriffs der Anlagen mit einer Nennleistung von bis zu 2 MW durch § 12b Abs. 2 StromStV genügt dem Gesetzesvorbehalt.
  4. Der Anspruch auf die Steuerbefreiung für den zur Stromerzeugung entnommenen Strom gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG besteht unabhängig von der Erteilung der nach § 9 Abs. 4 Satz 1 StromStG erforderlichen Erlaubnis.
 

Normenkette

StromStG § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 9 Abs. 1 Nrn. 1-2, 3 Buchst. b, Abs. 4 S. 1, § 11 S. 1 Nr. 8 Buchst. a S. 1; StromStV § 1a Abs. 5 S. 1, § 12b Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1; EEG § 36 Abs. 1 S. 1; GG Art. 80 Abs. 1 S. 2; RL 2003/96/EG Art. 14 Abs. 1 Buchst. a, Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.10.2023; Aktenzeichen VII R 50/20)

 

Tatbestand

Die Klägerin betrieb im Kalenderjahr 2017 fünf mit Biomasse betriebene Blockheizkraftwerke. Drei Blockheizkraftwerke befanden sich an dem Betriebssitz der Klägerin. Ein Blockheizkraftwerk wurde in einem Schwimmbad und ein weiteres Blockheizkraftwerk wurde in einem Hospital genutzt.

Die Klägerin betrieb die Blockheizkraftwerke mit dem von ihr hergestellten Biogas. Hierzu hatte sie Gasleitungen verlegen lassen. Der von ihr erzeugte Strom wurde grundsätzlich in das öffentliche Stromnetz eingespeist und von der A GmbH vermarktet. Die Klägerin selbst leistete den Strom nicht an Letztverbraucher. Sie entnahm jedoch von dem von ihr erzeugten Strom Mengen zur Stromerzeugung vor dem Einspeisepunkt über eine gesonderte Leitung der Biogasanlage. Teilweise bezog die Klägerin zusätzlich Strom von einem Versorger als sog. Überschusseinspeisung.

Die A GmbH war durch eine Fernsteuerung der Blockheizkraftwerke in der Lage, jederzeit die jeweilige Ist-Einspeisung abzurufen und die Einspeiseleistung bedarfsgerecht zu erhöhen oder zu vermindern.

Das beklagte Hauptzollamt erteilte der Klägerin mit Verfügung vom 27. November 2017 mit Wirkung ab dem 12. September 2017 die Erlaubnis, Strom als Versorgerin leisten zu dürfen.

Auf Aufforderung des beklagten Hauptzollamts gab die Klägerin am 11. Juli 2018 eine Stromsteueranmeldung für den Zeitraum vom 1. April bis zum 31. Dezember 2017 ab. Hiervon habe sie in diesem Zeitraum ........ MWh zur Stromerzeugung entnommen.

Das beklagte Hauptzollamt setzte gegen die Klägerin mit Bescheid vom 11. Juli 2018 unter Bezugnahme auf die Steueranmeldung ”für das Kalenderjahr 2017“ Stromsteuer fest.

Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch trug die Klägerin vor: Der Strom sei nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Stromsteuergesetzes (StromStG) von der Steuer befreit. In den von ihr unterhaltenen Leitungen und Umspanneinrichtungen habe sich ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energieträgern befunden. Der Strom sei zudem vor der Einspeisung an den nachgelagerten Netzbetreiber entnommen worden. Darüber hinaus sei der Strom nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG von der Steuer befreit. Die einzelnen Blockheizkraftwerke an den drei Standorten wiesen jeweils eine elektrische Nennleistung von weniger als zwei Megawatt auf. Jedes Blockheizkraftwerk werde gesondert und unabhängig von den übrigen Standorten nach einem eigenen Fahrplan gesteuert. Das Direktvermarktungsunternehmen steuere jeden einzelnen Standort jeweils einzeln und nicht zentral. Im Übrigen sei zweifelhaft, ob § 12b Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes (StromStV) dem Gesetzesvorrang genüge. Sie gelte überdies nach § 1a Abs. 5 StromStV nicht als Versorgerin.

Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 24. Oktober 2018 zurück und führte aus: Die Steuerbefreiung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG gelte hier nicht. Zwar sei das Erfordernis der Ausschließlichkeit auch dann noch erfüllt, wenn Strom aus erneuerbaren Energieträgern erst innerhalb des Eigennetzes oder am Ort der Erzeugung mit Strom aus anderen Energieträgern vermischt werde. Der aus erneuerbaren Energien erzeugte Strom reiche nämlich vielfach nicht aus, um jederzeit den gesamten Energiebedarf eines Erzeugers abzudecken. Eine Steuerbefr...

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