Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe: Beiordnung eines als Mitglied einer Sozietät tätigen Rechtsanwalts – Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr
Leitsatz (redaktionell)
- Der für die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr erforderliche „personelle Zusammenhang” hinsichtlich der außergerichtlichen Tätigkeit und der Prozessvertretung ist bei der Geschäftsbesorgung durch eine beauftragte Sozietät gegeben.
- Allein die im Verfahren zur Prozesskostenhilfe verfügte Beiordnung eines als Mitglied einer Sozietät tätigen Rechtsanwalts führt noch nicht zur Begründung eines (weiteren) von der Sozietät losgelösten Auftragsverhältnisses zwischen der Partei und dem beigeordneten Anwalt, wenn sich ein solches zweites Mandat nicht aus besonderen Sachverhaltsumständen ableiten lässt.
- Die Bestimmungen der §§ 45 ff. RVG haben nicht den Zweck, neben den zivilrechtlich begründeten Ansprüchen einen weiteren, davon unabhängigen, Anspruch gegen die Staatskasse zu begründen.
Normenkette
RVG § 45; VV-RVG Nr. 3200; Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3
Streitjahr(e)
2008
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der nach den Bestimmungen der §§ 45 ff des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) festzusetzenden Vergütung.
Der Erinnerungsführer war im Kalenderjahr 2008 als Mitglied einer Sozietät als Rechtsanwalt tätig. Die Sozietät wiederum hatte im Hinblick auf die Bewilligung von Kindergeld die rechtlichen Interessen des A (Kläger) vertreten, und zwar zunächst im Rahmen eines bei der Familienkasse O geführten Einspruchsverfahrens. Nach Erlass der unter dem 30.7.2008 ergangenen Einspruchsentscheidung war mit einem vom Erinnerungsführer unterzeichneten Schriftsatz vom 30.8.2008 unter dem Briefkopf der Sozietät Prozesskostenhilfe beantragt und zur Begründung ein Klageentwurf beigefügt worden. Im genannten Schriftsatz war der Antrag enthalten, dem Kläger zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte den Erinnerungsführer beizuordnen.
Das Gericht hatte mit Beschluss vom 3.3.2009 den Anträgen entsprochen, dem Kläger Prozesskostenhilfe gewährt und den Erinnerungsführer als Prozessvertreter beigeordnet. Nachfolgend war Klage erhoben worden (10 K 3402/08 Kg), wiederum mit einem vom Erinnerungsführer unterzeichneten Schriftsatz und erneut unter dem Briefkopf der Sozietät. Allerdings war darin nur der Erinnerungsführer als Prozessbevollmächtigter bezeichnet. Dieser Rechtsstreit ist noch nicht abgeschlossen.
Mit einem ebenfalls vom Erinnerungsführer unterzeichneten Antrag der Sozietät
vom 26.3.2009 bat diese unter Berufung auf die Regelungen der §§ 45 ff RVG und
auf das dazu erstellte Vergütungsverzeichnis (VV-RVG) um die Festsetzung folgender
Gebühren:
Gegenstandswert: 3.696,-- EUR
1,6 Verfahrensgebühr
(§ 49 RVG, Nr. 3200 VV-RVG) 326,40 EUR
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV-RVG) 20,00 EUR
Zwischensumme 346,40 EUR
Umsatzsteuer 65,82 EUR
Summe 412,22 EUR
Dabei wies sie darauf hin, dass sie weder Zahlungen nach dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (BerHG) noch eine Vergütung für die außergerichtliche Vertretung des Klägers erhalten habe.
Unter dem 14.4.2009 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle darauf hin, dass nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV-RVG die Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die geltend gemachte Verfahrensgebühr in Betracht komme. Aus dem Festsetzungsantrag sei jedoch nicht ersichtlich, inwieweit eine Geschäftsgebühr entstanden sei.
In seinem Antwortschreiben vom 30.4.2009 teilte der Erinnerungsführer mit, dass die Anrechnung einer Geschäftsgebühr schon deshalb ausscheide, weil hinsichtlich der anwaltlichen Vertretung im Einspruchsverfahren und im nachfolgenden Klageverfahren keine Personenidentität vorliege. Im Einspruchsverfahren sei der Kläger nämlich durch die Sozietät vertreten worden, während im Klageverfahren ausweislich der Klageschrift er, der Erinnerungsführer, die Interessen des Klägers wahrnehme. Insoweit habe jedenfalls das Gericht von der Beiordnung der Sozietät Abstand genommen. Richtigerweise müsse daher auch der Antrag auf Festsetzung der Anwaltsvergütung korrigiert werden. Dem Schreiben beigefügt war ein neues Antragsformular, nach dessen Inhalt nunmehr der Erinnerungsführer selbst die Festsetzung der Vergütung begehrte, und zwar in der Höhe, die auch in dem ersten Antrag errechnet worden war.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle folgte dem nicht. Mit Beschluss vom 5.6.2009
setzte sie die Vergütung wie folgt fest:
Gegenstandswert: 3.696,-- EUR
1,6 Verfahrensgebühr
(§ 49 RVG, Nr. 3200 VV-RVG) 326,40 EUR
Anrechnung Geschäftsgebühr
(Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV-RVG;
Gebühr nach § 13 RVG: (245,-- EUR x 0,75) - 183,75 EUR
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV-RVG) 20,00 EUR
Zwischensumme 162,65 EUR
Umsatzsteuer 30,90 EUR
Summe 193,55 EUR
Den weitergehenden Antrag lehnte sie ab.
Zur Begründung führte sie aus:
Die Anrechnung der Geschäftsgebühr sei nach den Bestimmungen der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV-RVG geboten. Soweit der Erinner...
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