Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragliche Abstandszahlung eines angestellten GmbH-Geschäftsführers. Einkommensteuer 1994

 

Leitsatz (amtlich)

Läuft durch die chaotische Buchführung des Geschäftsführers einer GmbH ein Kassenfehlbestand auf, so stellen in Höhe des Fehlbetrages an die Gesellschaft geleistete Abstandszahlungen beruflich veranlasste Werbungskosten des Geschäftsführers dar.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2

 

Tenor

Unter Änderung des Bescheides vom 30. Januar 1996 in Form der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 1996 wird dem Beklagten aufgegeben, die Einkommensteuer 1994 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers in Höhe von 8.594 DM zu errechnen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Der am 6. April 1968 geborene Kläger war seit dem 16. Juni 1992 angestellter Fremdgeschäftsführer der R. GmbH. Gesellschafter der GmbH war Herr Dr. F. (Bl. 2, 7, 17 FG; 2, 33 Rb). Durch Vertrag vom 30. Mai 1994 zwischen der Gesellschaft und dem Kläger (Bl. 7) wurde Letzterer mit Wirkung vom 15. Juni 1994 als Geschäftsführer abberufen und zugleich sein Angestelltenverhältnis zu diesem Zeitpunkt beendet (Nrn. 1 und 2 des Vertrages). Danach wurde die GmbH durch Dr. F. als Liquidator liquidiert.

Die weiteren Nummern 3 bis 5 des Vertrages vom 30. Mai 1994 lauteten:

„3.

Zur Abgeltung gegenseitiger Ansprüche der Parteien zahlt Herr T. einen Betrag von 10.000,00 DM an die R. GmbH bis zum 03.06.1994.

4.

Der Geschäftsführer erklärt, dass er bis zum heutigen Zeitpunkt keine weiteren Verpflichtungen eingegangen ist und auch die Urlaubsansprüche aller Angestellten abgegolten hat.

5.

Der Geschäftsführer wird ab 31.05.1994 täglich die Bareinnahmen auf das Geschäftskonto bei der Y Bank, Konto Nr. 00000000, BLZ 000 000 00 einzahlen.”

Der Kläger zahlte den Betrag von 10.000 DM am 3. Juni 1994 (Bl. 8 FG, 34 Rb) und machte ihn in seiner Einkommensteuererklärung für 1994 bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als weitere Werbungskosten geltend (Bl. 3 Rs. Rb). Im Einkommensteuerbescheid vom 30. Januar 1996 ließ der Beklagte den Betrag nicht zum Werbungskostenabzug zu, da ein privater Bezug nicht auszuschließen sei und berücksichtigte deshalb lediglich den Arbeitnehmer-Werbungskostenpauschbetrag von 2.000 DM (Bl. 12-14 Rb, 9 FG). Den Einspruch des Klägers wies er durch Entscheidung vom 17. Juni 1995 als unbegründet zurück (Bl. 16 ff.).

Mit seiner am 17. Juli 1996 erhobenen Klage beantragt der Kläger,

unter Änderung des Bescheides vom 30. Januar 1996 in Form der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 1996 die Einkommensteuer 1994 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 8.594 DM festzusetzen.

Bei den fraglichen 10.000 DM handele es sich nicht um eine privat, sondern ausschließlich beruflich veranlasste Vergleichszahlung zur Abgeltung aller eventuellen Schadensersatzansprüche der GmbH gegen den Kläger (Bl. 4). Sie sei im Beisein seines Stiefvaters G. vereinbart worden, weil der Kläger Unregelmäßigkeiten bei seiner Geschäftsführung habe zugestehen müssen (Bl. 4).

Es seien nicht unerhebliche Kassenfehlbeträge entstanden, weil er Rechnungen ohne Beifügung der entsprechenden Belege aus der Kasse bezahlt habe, so dass die GmbH weder ihre Betriebsausgaben noch die ihre Vorsteuerbeträge ordnungsgemäß habe geltend machen können (Bl. 3).

Außerdem seien ihm unzureichende Werbemaßnahmen, die Beschäftigung angeblich ungeeigneter Arbeitskräfte sowie eine möglicherweise nicht ordnungsgemäße Anmeldung und Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen vorgehalten worden (Bl. 4).

Zwischen all diesen ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen und seiner beruflichen Tätigkeit bestehe daher ein eindeutiger objektiver Zusammenhang (Bl. 4). Deshalb handele es sich bei seiner Abstandszahlung nicht etwa um die Rückzahlung „zurückbehaltener” oder gar unterschlagener Gelder. Dass eine Strafanzeige der Gesellschaft unterblieben sei, bestätige die fehlende private Veranlassung der Zahlung. Eine solche Veranlassung ergebe sich auch nicht daraus, dass er sich einer eventuellen Geschäftsführerhaftung nach § 69 Abgabenordnung nicht hätte entziehen können. Außerdem verkenne der Beklagte, dass im Falle einer Insolvenz der Geschäftsführer nicht stets nach dieser Vorschrift hafte (Bl. 4 f.).

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Er stellt anheim, den bereits im Einspruchsverfahren telefonisch angehörten (Bl. 34) Alleingesellschafter Dr. F. und den vom Kläger benannten Zeugen G. im Wege eines förmlichen Auskunftsersuchens nach § 79 Abs. 1 Nr. 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – nach den näheren Umständen der Abgeltungsvereinbarung vom 30. Mai 1994 zu befragen (Bl. 14 f.).

Durch Beschluss vom 15. November 2002 ha...

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