Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.11.1995; Aktenzeichen IX R 99/93)

 

Tenor

Der Einkommensteuerbescheid 1986 des Beklagten vom 28. November 1987 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 1991 werden in der Weise geändert, daß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten in Höhe von 214.579,98 DM abgesetzt werden.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenfestsetzungsbetrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin war bis 1985 Eigentümerin des Grundstücks A.-Straße in B., Ortsteil C. (Flurstück 1, 2 u.a.). Sie bezog daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im Jahre 1986 zahlte sie an die Gemeinde B. 214.579,98 DM Erschließungsbeiträge. Diesen Betrag machte sie vergeblich als (sofort absetzbare) Werbungskosten geltend. Diesen Erschließungsbeiträgen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Herr D. war Eigentümer der vorgenannten Flurstücke. Um diese Flurstücke bebauen zu können, übernahm er 1957 für sich und seine Rechtsnachfolger die Baulast(verpflichtung), die Verbindung dieser Flurstücke mit dem nächsten befahrbaren öffentlichen Weg herzustellen und sie bis zur planmäßigen Herstellung einer Ortsstraße zu erhalten. Er bebaute die Flurstücke u.a. mit einem Mehrfamilien-, einem Gast- und einem Gästehaus nebst 12 Parkplätzen und stellte 1958 eine Verbindung zu der Kreisstraße A. Straße her; die Verbindung führte über das Flurstück 3; wer dessen Eigentümer war, ist im vorliegenden verfahren nicht festgestellt. Der Verbindungsweg wird von der Klägerin – unter Beweisantritt – als gut ausgebaute asphaltierte Straße, von der Gemeinde B. als befestigter Feldweg bezeichnet.

Im Jahre 1972 ersteigerten die Herren E. und F. die vorgenannten Flurstücke des Herrn D.; das Flurstück 3 wurde nicht mitersteigert. Die Flurstücke gingen 1982 in das Alleineigentum des Herrn E. über und nach dessen Tod 1984 auf die Klägerin als Alleinerbin.

Die Gemeinde B. legte in den Jahren 1980 bis 1984 auf dem Flurstück 3 und der angrenzenden Fläche eine neue Zufahrt zu der A. Straße an. Hierbei handelte es sich im Sinne des öffentlichen Rechts um eine erstmalige Erschließung. Die Gemeinde B. setzte mit Bescheiden vom 15. November 1984 Erschließungsbeiträge für das Flurstück 1 über 113.381,94 DM und für das Flurstück 2 über 101.198,04 DM fest.

Die Klägerin legte gegen den Steuerbescheid, in dem der Abzug der 214.579,98 DM versagt wurde, rechtzeitig Einspruch ein. Der Beklagte wies den Einspruch zurück.

Mit der rechtzeitigen Klage macht die Klägerin u.a. geltend: Die streitigen Beiträge seien keine nachträglichen Anschaffungskosten des Grund und Bodens. Die Grundstücke seien 1958 – grundstücksbezogen – erschlossen worden; ohne Erschließung hätte nicht gebaut werden dürfen. Die Arbeiten der Gemeinde in den Jahren 1980 bis 1984 seien eine weitere, gebietsbezogene Erschließung. Dementsprechend handele es sich bei den streitigen Kosten steuerlich um Ergänzungsbeiträge. – Durch die Arbeiten der Gemeinde sei auf dem Grundstück der Klägerin nichts Neues geschaffen, nichts wesentlich verändert worden. Es sei lediglich eine vorhandene Straße durch eine andere ersetzt, eine Nutzungsmöglichkeit verbessert worden. – Schließlich sei auch der Wert der Grundstücke nicht erhöht worden. Dafür bezieht sich die Klägerin auf schriftliche Erklärungen des Erwerbers des Flurstücks 1 und des Bürgermeisters der Gemeinde B..

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 1986 des Beklagten vom 28. Oktober 1987 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 1991 in der Weise zu ändern, daß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten in Höhe von 214.579,98 DM abgesetzt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er betont, daß die Arbeiten 1958 eine vorläufige Maßnahme gewesen seien. Als Erschließungsstraße sei erst die von der Gemeinde hergestellte Straße anzusehen, und entsprechend seien die 214.579,98 DM ein erstmaliger Erschließungsaufwand und keine Ergänzungsbeiträge. Ein erstmaliger Erschließungsaufwand im Sinne der §§ 127 bis 135 Baugesetzbuch gehöre jedoch zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens.

Dem Gericht hat ein Band Einkommensteuerakten des Beklagten zur Steuernummer …, die Klägerin betreffend, vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Die streitigen 214.579,98 DM sind (sofort absetzbare) Werbungskosten, keine nachträglichen Anschaffungskosten oder Herstellungskosten.

Die Erschließungsbeiträge sind keine nachträglichen Anschaffungskosten, weil sie nicht in sachlichem (wirtschaftlichem) Zusammenhang mit der Anschaffung seitens des Rechtsvorgängers der Klägerin, des Herrn E., stehen. Zu den Anschaffungskosten eines Wirtschafts...

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