Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammenfassung von Lohnsteuer-Haftungsbescheid und Nacherhebung pauschaler Lohnsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Haftungsbescheid ist nicht hinreichend bestimmt, wenn von einem Arbeitgeber pauschale Lohnsteuer nacherhoben und er zugleich als Haftungsschuldner in Anspruch genommen und die Steuerschuld von der Haftungsschuld nicht eindeutig getrennt wird.

2. Ein Lohnsteuernachforderungsbescheid, der zwar als Haftungsbescheid bezeichnet ist, seinem Inhalt nach sich jedoch auf Steuerschulden und Haftungsschulden beziehen kann, kann nicht als Haftungsbescheid angesehen werden.

 

Normenkette

EStG § 40 Abs. 3, § 42d; AO § 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.09.2021; Aktenzeichen VI R 38/19)

 

Tenor

Der Haftungsbescheid vom 20. Januar 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Juni 2017 wird aufgehoben.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen gegenüber der B… KG erlassenen Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und Bergmannsprämie für die Jahre 2012 bis 2015.

Klägerin war zunächst die B… KG, ein Verkehrsunternehmen. Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) C… vom 1. November 2017 (Aktenzeichen [Az.]: …/17), auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, wurde über das Vermögen der B… KG das Insolvenzverfahren eröffnet und zunächst die Eigenverwaltung angeordnet.

Mit einem Schreiben vom 2. April 2016 bat die B… KG das Finanzamt (FA) um lohnsteuerliche Würdigung mehrerer Sachverhalte. Mit einem weiteren an das FA gerichtete Schreiben vom 28. Oktober 2016 nahm die B… KG auf das Schreiben vom 2. April 2016 Bezug, mit dem dem FA mitgeteilt worden sei, dass die Gestellung von Mahlzeiten an die Crew von Flugzeugen während des Fluges bislang versehentlich nicht zutreffend erfasst worden sei. Es ergebe sich daher anzumeldende Pauschalsteuer für 2014 in Höhe von 978.938,99 EUR und für 2015 in Höhe von 644.652,38 EUR (insgesamt 1.623.591,37 EUR), so die B… KG weiter. Zudem teilte die B… KG in diesem Schreiben dem FA mit, dass versehentlich einige Mitarbeiter des Verkehrsunternehmen D…, die seit 2012 der B… KG überlassen worden seien, nicht lohnsteuerloch geführt worden seien, so dass die Lohnsteuer in Höhe von 1.724.457,99 EUR nicht einbehalten und abgeführt worden sei. Die B… KG führte in dem Schreiben vom 28. Oktober 2016 weiter aus, dass die sich aus den beiden genannten Sachverhalten ergebende und bisher nicht abgeführte „Lohnsteuer/Pauschalsteuer” einschließlich Annexsteuern 3.348.049,36 EUR betrage. Eine Anmeldung der vorgenannten Lohnsteuerbeträge auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck erfolgte nicht.

Am 20. Januar 2017 erließ der Beklagte zur Steuernummer (St.-Nr.) … gegenüber die B… KG einen als Haftungsbescheid bezeichneten Bescheid. Unter „I. Festsetzung” führte der Beklagte aus, dass die B… KG nach § 42d des Einkommensteuergesetzes (EStG) und den entsprechenden Vorschriften des Solidaritätszuschlaggesetzes, des Kirchensteuergesetzes und des Bergmanns-Prämiengesetzes für die nachstehenden Beträge hafte:

2012 (in EUR)

2013 (in EUR)

2014 (in EUR)

2015 (in EUR)

Insges. (in EUR)

Lohnsteuer

503.049,87

413.819,18

1.402.286,07

784.671,35

3.103.826,27

Bergmannsprämie

0

Summe

503.049,87

413.819,18

1.402.286,07

784.671,35

3.103.826,27

Solidaritätszuschlag

27.667,58

22.807,42

77.125,57

43.156,85

170.757,42

Evangelische Kirchensteuer

31.007,12

20.418,85

51.425,97

Römisch-Katholische Kirchensteuer

13.288,76

8.750,94

22.039,70

3.348.049,35

Der Beklagte wies zudem darauf hin, dass die geschuldeten Beträge nach den §§ 37a, 37b, 40, 40a und 40b EStG und den entsprechenden Vorschriften des Solidaritätszuschlaggesetzes und des Kirchensteuergesetzes ebenfalls in den oben aufgeführten Beträgen enthalten seien.

Die B… KG hafte für die aufgeführten Beträge, weil Lohnsteuer in unzutreffender Höhe einbehalten und abgeführt worden sei, so das FA weiter. Die B… KG werde an Stelle der Arbeitnehmer in Anspruch genommen, weil kein Haftungsausschluss vorliege und die Inhaftungnahme nicht unbillig sei. Es liege kein entschuldbarer Rechtsirrtum vor und die B… KG habe sich mit der Inanspruchnahme einverstanden erklärt. Von den Arbeitnehmern könnten die Beträge nicht nachgefordert werden. Gleiche oder ähnliche Berechnungsfehler seien bei einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern gemacht worden.

Die von der B… KG am 4. November 2016 in Höhe von 3.348.049,36 EUR getätigte Zahlung werde unaufgefordert auf die o. g. Festsetzungsbeträge umgebucht werden.

Die B… KG legte gegen den Bescheid Einspruch ein, der ohne Begründung blieb.

Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 2. Juni 2017 wies der Beklagte den Einsp...

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