Entscheidungsstichwort (Thema)

Mittelpunkt der Lebensinteressen bei Doppelwohnsitz im In- und Ausland

 

Leitsatz (amtlich)

Die Feststellung des Mittelpunkts der Lebensinteressen erfordert eine zusammenfassende Wertung aller persönlichen und wirtschaftlichen Interessen, die der Steuerpflichtige zu den beiden Wohnstätten hat, wobei den persönlichen Interessen grundsätzlich eine höhere Bedeutung beizumessen ist.

 

Normenkette

DBA CHE Art. 4 Abs. 2 Buchst. a; DBA CHE 1971/2010 Art. 15a Abs. 2 S. 2; AO 1977 § 8

 

Tatbestand

Streitig ist im Veranlagungszeitraum 1997 die Besteuerung der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit nach § 15a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 1. August 1971 (BStBl I 1972, 519) - DBA/Schweiz -.

Der Kläger, der seit 1972 im Besitz einer Niederlassungsbewegung C für die Schweiz ist, war im Streitjahr als Service-Techniker bei der Schweizer Firma ... der ... beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag enthielt in einer Zusatzvereinbarung vom 10. November 1989 u. a. die Bestimmung, „zur Gewährleistung eines optimalen Pikettdienstes ein- bis zweimal pro Woche an zentraler Lage des Servicegebietes zu übernachten ...“

Der Kläger ist Miteigentümer zu 1/2 eines in ... gelegenen Einfamilienhauses. Die andere Hälfte gehört der früheren Lebensgefährtin des Klägers, Frau ..., die das Haus gemeinsam mit ihren beiden eigenen Kindern sowie den zwei Kindern des Klägers aus früherer Ehe im Streitjahr ständig bewohnt hat. Der Kläger unterhielt damals eine Wohnung in ... in der Schweiz, ca. 5 km von ... entfernt. Zum 31. Dezember 1997 meldete er seinen deutschen Wohnsitz beim Einwohnermeldeamt in ... ab und gab an, nur noch in ... wohnhaft zu sein.

Seine am 2. November 1999 eingereichte Einkommensteuererklärung für 1997 enthielt keine Eintragungen, worauf das Finanzamt (FA) den Kläger aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen veranlagte. Das FA ging hierin davon aus, dass der im Jahre 1997 erzielte Arbeitslohn der Grenzgängerbesteuerung nach Artikel 15 DBA/Schweiz unterliegt.

Im Verlaufe des hiergegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahren ließ der Kläger vortragen, er habe an mehr als 60 Arbeitstagen aufgrund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz in ... zurückkehren können. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers, die diesen bereits im Rechtsbehelfsverfahren vertreten hatte, legte dem FA u. a. einen Lohnausweis für 1997 sowie Übernachtungsbestätigungen des Gasthauses ... (Schweiz) vor. Der Lohnausweis enthielt einen höheren Betrag als der vom FA geschätzte Arbeitslohn. Im weiteren Verlauf wurden darüber hinaus vorgelegt der Vordruck Gre 3, der jedoch nur mit Sichtvermerk des Gemeindesteueramtes versehen war, sowie vom Kläger geschriebene Arbeitsrapporte. Sie betrafen überwiegend den Raum ... und führten nur diejenigen Arbeitseinsätze auf, aus denen der Kläger berufsbedingte Übernachtungen ableitet. Diese Daten sind identisch mit der Bescheinigung des Gasthauses.

Mit Änderungsbescheid vom 31. Juli 2000 berücksichtigte das FA den höheren Arbeitslohn und hob gleichzeitig den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

In seiner nach erfolglos durchgeführtem Rechtsbehelfsverfahren erhobenen Klage lässt der Kläger im Wesentlichen folgendes vortragen: Der Kläger habe - wie auch in den Vorjahren - im Streitjahr 1997 in ... in der Schweiz gewohnt. Der Kläger besitze eine Niederlassungsbewilligung C, die einen Wohnsitz in der Schweiz voraussetze, was auch von seinem Arbeitgeber verlangt worden sei. Der Kläger sei ausschließlich für speziellen Service- und Revisionsdienst (hauptsächlich SBB) zuständig und habe demzufolge sehr unterschiedliche Einsatzzeiten. Er sei hierbei mit einem speziellen Service-Wagen unterwegs, mit welchem er die Grenze nach Deutschland nicht überschreiten könne. Um einen reibungslosen Einsatz zu gewährleisten, habe sein Arbeitgeber bereits seit 1992 für den Kläger in ... einen Gewerberaum mit Atelier - auch zwecks Übernachtung - gemietet. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers legte dem Gericht einen Mietvertrag vor, der zwischen einer Frau ... und der Firma ... über einen „Gewerberaum, Atelier“ in ... abgeschlossen worden ist. Hierauf wird verwiesen.

Der Kläger werde in der Schweiz aufgrund eines von seiner Firma aufgestellten Einsatzplanes tätig. Er betreue hochtechnisierte Anlagen, für die er kurzfristig erreichbar sein müsse, wenn Fehler aufträten. Daher habe er auch oft in dem Atelier in ... übernachtet, obwohl er in ... eine Wohnung gehabt habe. Der Kläger sei auch seit Jahren immer für dieselben Kunden zuständig. Seine Arbeitszeiten seien sehr unterschiedlich. Es sei durchaus möglich, dass er an demselben Ort morgens drei Stunden im Einsatz sei und abends nochmals sechs Stunden, so dass schon aus diesem Grunde an eine Heimfahrt nicht zu denken sei. Es könne daher auch nicht auf Entfernungen von 90 km bzw. mehr zwischen ... und dem jeweiligen Einsat...

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