Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegen einen Wertausgleich erfolgender Verzicht eines Gesellschafters auf die Teilnahme an der Kapitalerhöhung einer GmbH als gemischte Schenkung an die Mitgesellschafter, wenn zuvor dieser Gesellschafter vor dem 14.12.2011 Vermögen in die Kapitalrücklage der GmbH eingebracht hatte. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 41/21)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nimmt ein Gesellschafter an einer Kapitalerhöhung einer Kapitalgesellschaft nicht im vollen Umfang des ihm zustehenden Bezugsrechts teil und lässt er dieses Bezugsrecht insoweit verfallen, kann dieser Verzicht als steuerbare Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an den an der Kapitalerhöhung Teilnehmenden zu qualifizieren sein (vgl. BFH, Urteil v. 30.5.2001, II R 6/98, BFH/NV 2002 S. 26). Erfolgt ein offensichtlich unzureichender Wertausgleich, kann dies dementsprechend auch zu einer gemischten Schenkung führen.

2. Erhöhte sich der Wert der GmbH-Beteiligung eines Gesellschafters (im Streitfall: des Sohns) dadurch, dass ein anderer Gesellschafter (im Streitfall: der Vater) Vermögen vor dem 14.12.2011 (Inkrafttreten des für Erwerbstatbestände ab dem 14.12. 2011 anwendbaren § 7 Abs. 8 ErbStG) in die Kapitalrücklage der GmbH einbrachte, ohne eine dessen Wert entsprechende Gegenleistung zu erhalten, lag keine freigebige Zuwendung des einbringenden Gesellschafters an den anderen Gesellschafter vor (vgl. BFH, Urteil vom 9.12.2009, II R 28/08, BStBl 2010 II S. 566). Diese disquotale Einlage des Gesellschafters stellte auch dann Eigenkapital der GmbH im Sinne des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB dar, das allein der Gesellschaft – und nicht den Gesellschaftern – zusteht, wenn in den Gesellschafterbeschlüssen vereinbart worden ist, dass der Kapitalbetrag in die Kapitalrücklage der GmbH als Kapitalrücklage des einlegenden Gesellschafters umgebucht werden sollte.

3. Nimmt nunmehr an einer Kapitalerhöhung der GmbH der Gesellschafter, der die Einlage in die Kapitalrücklage erbracht hatte, gegen einen Wertausgleich nicht teil, so sind für die Frage, ob eine gemischte Schenkkung vorliegt, die Werte seiner Beteiligung vor und nach der Kapitalerhöhung gegenüber zu stellen, wobei die eingebrachte Kapitalrücklage (siehe 2.) nicht etwa dem „einbringenden” Gesellschafter allein, sondern allen Gesellschaftern im Umfang ihrer Beteiligung anteilig zuzurechnen ist. Wird der so ermittelte Wertverlust des an der Kapitalerhöhung nicht teilnehmenden Gesellschafters durch die Ausgleichsleistung der Mitgesellschafter vollständig ausgeglichen, liegt durch die Nichtteilnahme an der Kapitalerhöhung keine gemischte Schenkung vor.

 

Normenkette

ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 8; HGB § 272 Abs. 2 Nr. 4

 

Tenor

1. Der Schenkungsteuerbescheid des Beklagten vom 23. Mai 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. August 2017 wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob und inwieweit der gegen einen Wertausgleich erfolgende Verzicht eines Gesellschafters auf die Teilnahme an der Kapitalerhöhung einer GmbH eine gemischte Schenkung an die Mitgesellschafter darstellt.

Der Kläger, sein Vater V und sein Bruder B errichteten mit Gesellschaftsvertrag vom 27. Juni 2006 die V-Verwaltungs-GmbH (Verwaltungs-GmbH). Das Stammkapital der Gesellschaft, deren Gegenstand des Unternehmens der Erwerb, die Verwaltung, die Nutzung und Verwertung eigenen Vermögens und die Beteiligung an anderen Unternehmen war, wurde auf 27.000 EUR festgelegt. Jeder Gesellschafter übernahm hiervon eine in bar zu erbringende Stammeinlage von 9.000 EUR. In § 9 der Satzung war geregelt: „… Der nach Maßgabe dieses Beschlusses auszuschüttende Gewinn steht den Gesellschaftern grundsätzlich im Verhältnis ihrer Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft zu, soweit sie nicht unter Zustimmung jedes benachteiligten Gesellschafters eine andere Verteilung beschließen. Die vorstehende Regelung gilt sinnentsprechend für die Zuweisung und Auflösung von Kapitalrücklagen …” Am 1. Juli 2006 fassten die Gesellschafter folgenden Beschluss: „… Die zur Nutzung eingebrachten Vermögenswerte werden vereinbarungsgemäß den Kapitalrücklagen zugeführt, daneben werden für jeden Gesellschafter Verrechnungskonten geführt, auf die die Gewinnanteile der Gesellschafter, Entnahmen aus den Kapitalrücklagen und Einlagen zunächst ...

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