Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis der Nichtrückkehrtage eines Grenzgängers nach DBA-Schweiz. Reduzierung des Beweismaßes aufgrund unverschuldeter Beweisnot

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat das Finanzamt bei einer Erörterung mit dem Steuerpflichtigen die Bereitschaft erkennen lassen, für den Nachweis der Nichtrückkehrtage die Bestätigung des Arbeitgebers ausreichen zu lassen, ist eine Sachverhaltsfeststellung auf der Grundlage eines reduzierten Beweismaßes zulässig, wenn der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des Sachverhalts nicht verletzt hat. Danach genügt eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Steuerpflichtige an den von dem Arbeitgeber bestätigten Tagen arbeitsbedingt nicht an seinen Wohnort in Deutschland zurückgekehrt ist.

2. Bei einem leitenden Angestellten einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft, der seinen Wohnsitz im Inland hat und die Voraussetzungen der Grenzgängerbesteuerung nicht erfüllt, besteht das Schweizer Besteuerungsrecht auch für Zeiträume, in denen der Steuerpflichtige Dienstreisen ins Ausland unternommen hat.

 

Normenkette

DBA CHE 1971/2010 Art. 15a Abs. 2 S. 2; DBA CHE Art. 15 Abs. 1, 4, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d; FGO § 96 Abs. 1 S. 1; AO §§ 162, 90 Abs. 2; EStG § 32b Abs. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 03.11.2010; Aktenzeichen I R 4/10)

BFH (Urteil vom 03.11.2010; Aktenzeichen I R 4/10)

 

Tenor

1. Unter Änderung des Bescheids vom 1. Juli 2009 wird die Einkommensteuer der Kläger für 2004 in der Höhe festgesetzt, die sich bei Anwendung der Splittingtabelle ergibt, wenn das zu versteuernde Einkommen mit einem gegenüber dem genannten Bescheid um xxx.xxx EUR geringeren Betrag angesetzt wird, der Betrag von xxx.xxx EUR allerdings bei der Berechnung des Steuersatzes nach Maßgabe des § 32b EStG einbezogen wird. Die Berechnung der festgesetzten Steuer wird dem Beklagten übertragen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet haben, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, die seit 1. Mai 2009 Rentnerin ist und mit ihrem Ehemann, dem Kläger, zusammen veranlagt wird, arbeitete als Vize-Direktorin mit Prokura bei der Schweiz. Bank AG in X, Schweiz. Sie leitete im Streitjahr 2004 den Bereich „… Management …”. Wegen der Einzelheiten wird auf das Organigramm der Schweiz. Bank AG Bezug genommen (Klage-Akte, S. 115-118). Sie war zuständig für die Fremdwährungskonten der Schweiz. Bank X. Sie hatte solche Konten zu eröffnen, die Konditionen zu verhandeln und die Kontakte zu den jeweiligen Banken zu pflegen. Eine weitere Aufgabe war, als Eskalationsstelle zu fungieren. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufgabenbeschreibung der Klägerin (Klage-Akte, S. 118) sowie die Zielvereinbarung der Klägerin mit ihrem Arbeitgeber vom 23. November 2004 (Klage-Akte, S. 119-125) Bezug genommen. Ihr Arbeitsort X war etwa 35 Kilometer vom Wohnort Y, Deutschland, entfernt. Die Strecke legte sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück; hierzu verfügte sie über ein Jahresstreckenabonnement. Die Fahrt mit dem Zug dauerte etwa eine Stunde.

Die Kläger erklärten in ihrer Einkommensteuer-ESt-Erklärung 2004 u.a. steuerfreie, im Progressionsvorbehalt zu berücksichtigende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin in Höhe von xxx.xxx,xx.– EUR. Sie fügte einen Lohnausweis, eine Anlage „N-Gre-3”, eine Bescheinigung des Arbeitgebers vom 19. Januar 2005 über die Nichtrückkehr an mehr als 60 Arbeitstagen mit einem Sichtvermerk des Kantonalen Steueramts X vom 29. März 2005 sowie eine Einzelaufstellung der Nichtrückkehrtage bei. Nach der „Liste der Nächte 2004” hatte die Klägerin an 93 Tagen aus beruflichen Gründen nicht an ihrem inländischen Wohnsitz übernachtet und zwar an folgenden Tagen aus folgenden Gründen:

Anzahl

Datum 2004

Gearbeitet bis

Grund

1

07.01.

21.30

2

12.01.

21.00

3

13.01.

21.30

4

15.01.

21.30

5

26.01.

21.30

6

27.01.

22.00

7

29.01.

21.30

8

02.02.

21.30

9

03.02.

21.30

10

09.02.

21.30

11

10.02.

21.30

12

12.02.

21.30

13

16.02.

21.30

14

18.02.

15

19.02.

16

25.02.

23.00

17

26.02.

22.00

18

01.03.

22.00

19

02.03.

22.00

20

04.03.

21

08.03.

21.30

22

09.03.

21.30

23

11.03.

21.30

24

16.03.

25

17.03.

21.30

26

22.03.

21.30

27

24.03.

21.30

28

29.03.

29

30.03.

30

31.03.

21.30

31

05.04.

21.30

32

19.04.

33

20.04.

34

21.04.

21.30

35

26.04.

21.30

36

27.04.

21.30

37

03.05.

38

04.05.

21.30

39

11.05.

21.30

40

12.05.

21.30

41

18.05.

21.00

42

26.05.

43

27.05.

44

28.05.

45

02.06.

21.00

46

06.06.

47

07.06.

48

08.06.

49

09.06.

50

10.06.

51

11.06.

5...

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