rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Bei versäumter Frist ist die vorzeitige Geburt eines Kinds kein Grund für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Krankheit entschuldigt eine Fristversäumung nur, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar auftritt und so schwerwiegend ist, dass weder die Wahrung der Frist noch die Bestellung eines Vertreters möglich ist.

2. Bei einer normalen Geburt ist es der Entbundenen regelmäßig nach einem Tag möglich, Klage zu erheben oder eine Person hiermit zu beauftragen, so dass sie durch die Geburt nicht an der Einhaltung der einmonatigen Rechtsmittelfrist gehindert worden ist.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 47 Abs. 1; AO § 122 Abs. 2, § 366

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist die Zulässigkeit der Klage.

Die seit Oktober 2006 geschiedene Klägerin war bis 2007 in Frankreich als Physiotherapeutin selbständig berufstätig und wohnt seit April 2008 in Deutschland. Am 28. November 2008 beantragte sie für den in ihrem Haushalt lebenden, am 13. Oktober 2003 geborenen Sohn * bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit – Familienkasse – Kindergeld. Dabei gab sie an, der Vater ihres Sohns – ihr geschiedener Ehemann – lebe und arbeite in Frankreich.

Da die Klägerin angeforderte Unterlagen nicht vorlegte, wurde der Antrag auf Kindergeld durch Bescheid vom 16. März 2009 mit der Begründung abgelehnt, die Voraussetzungen für das Bestehen eines Anspruchs auf Kindergeld könnten nicht festgestellt werden. Hiergegen legte die Klägerin am 8. April 2009 Einspruch ein und legte zu dessen Begründung eine Meldebestätigung der Gemeinde X sowie eine Bestätigung des Therapiezentrums P vom 24. April 2009 über eine Beschäftigung der Klägerin vom 22. April 2008 bis einschließlich 30. Juni 2008 vor. Außerdem einen Arbeitsvertrag, nach welchem die Klägerin seit 1. Februar 2009 bei dem H als Physiotherapeutin beschäftigt ist. Den ebenfalls angeforderten Nachweis über Höhe und Zeitraum des in Frankreich erhaltenen Kindergelds legte sie der Familienkasse jedoch nicht vor.

Durch Bescheid vom 9. Juli 2009 änderte die Familienkasse den angefochtenen Bescheid gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a Abgabenordnung (AO) und setzte Kindergeld für den Sohn der Klägerin von April 2008 bis Juni 2008 i.H.v. 154 Euro und ab Februar 2009 i.H.v. 164 Euro jeweils monatlich fest und wies den Einspruch im Übrigen durch Entscheidung vom 9. Juli 2009 als unbegründet zurück. Nach dem anzuwendenden Recht der Europäischen Union (EU) sei ein Kindergeldanspruch der Klägerin in Deutschland nur bei deren Erwerbstätigkeit im Inland gegeben. Die Klägerin habe im maßgeblichen Zeitraum von Juli 2008 bis 31. Januar 2009 jedoch keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. In einem solchen Fall sei der Kindergeldanspruch des in Frankreich erwerbstätigen Vaters vorrangig. Deutsches Kindergeld der Klägerin sei in Höhe des ausländischen Anspruchs auszusetzen.

Nach von der Bearbeiterin mit Namenszeichen versehenem Vermerk wurde die Einspruchsentscheidung am 10. Juli 2009 als einfacher Brief abgesandt.

Mit unter dem 11. August 2009 gefertigtem Schreiben, welches durch die Post übermittelt wurde und am 18. August 2009 beim Gericht einging, hat sich die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung gewandt. Hierzu führt sie folgendes aus: Da ihr das französische Amt schnelle Bearbeitung zugesichert habe, habe sie ihre schriftliche Antwort soweit wie möglich innerhalb der Monatsfrist hinausgezögert. Sie habe am 8. August entbunden. Die leichte Überziehung der Monatsfrist bitte sie zu entschuldigen. Die Bestätigung, dass auch in Frankreich niemand Zahlungen für ihren Sohn erhalten habe, werde sie nachsenden. Am 24. August 2009 hat die Klägerin eine Bestätigung der Caisse d'Allocations Familiales du Gard, U/Frankreich, vom 28. Juli 2009 vorgelegt. Danach haben weder der Vater noch das Kind * Zahlungen erhalten.

Mit der der Klägerin am 31. Oktober 2009 bekanntgegebenen Verfügung des Gerichts wurde diese auf die Versäumung der Klagefrist hingewiesen. Hierauf hat die Klägerin am 12. November 2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung beantragt, zum einen sei sie nicht dafür verantwortlich, dass die französische Behörde so lange gebraucht habe, um ein Dokument zu schicken. Zum anderen sei sie unverschuldet an der Einhaltung der Klagefrist verhindert gewesen. Sie habe früher entbunden als erwartet. Dies werde durch das Schreiben ihrer Hebamme belegt.

Das Kindergeld stehe ihr auch zu, da sie bewiesen habe, für den Zeitraum von Juli 2008 bis Januar 2009 kein Geld von der französischen Kasse erhalten zu haben.

Die Klägerin beantragt,

nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand den Kindergeldbescheid sowie die Einspruchsentscheidung, beide vom 9. Juli 2009, zu ändern und für die Zeit von Juli 2008 bis Januar 2009 Kindergeld i.H.v. insgesamt 1.242 Euro zu zahlen.

Die Familienkasse beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei, da verspätet beim Finanzgericht eingegangen, unzul...

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