Entscheidungsstichwort (Thema)

Editorielle Begutachtung wissenschaftlicher Beiträge zur Veröffentlichung in Fachzeitschriften als gemeinnützige Tätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die im Rahmen eines Leistungsaustauschverhältnisses erbrachte editorielle Begutachtung wissenschaftlicher Beiträge zur Veröffentlichung in wissenschaftlichen Fachzeitschriften stellt keine ausschließliche, unmittelbare und selbstlose Förderung gemeinnütziger (wissenschaftlicher) Zwecke dar.

2. Ein Zweckbetrieb liegt nicht vor, wenn es sich bei der Unterhaltung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs um die einzige Tätigkeit der Gesellschaft handelt.

 

Normenkette

KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9; GewStG § 3 Nr. 6; AO §§ 14, 55-57, 65

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.05.2022; Aktenzeichen V R 37/20)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gemeinnützig ist.

Die Klägerin wurde am 24. Februar 2017 als „Gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung” mit Sitz in A gegründet und am 20. April 2017 in das Handelsregister (HR B XXX) eingetragen. Das Stammkapital der Klägerin betrug zunächst 50.000 Euro und wurde mit Gesellschafterbeschlüssen vom 10. November 2017 auf 300.000 Euro und vom 14. September 2018 auf 500.000 Euro erhöht. Alleinige Gesellschafterin ist die Z GmbH mit Sitz in A, die Wissenschaftler fördert. Diese Gesellschaft wurde vom Beklagten als gemeinnützig anerkannt. Deren Gesellschafterin wiederum ist die Y Organization (Y) mit Sitz in T (Ausland) und Geschäftsführung in A.

Nach § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin ist deren Gesellschaftszweck die Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie die Mittelbeschaffung hierfür. Der Zweck wird insbesondere verwirklicht durch die Veröffentlichung wissenschaftlicher Beiträge und Zurverfügungstellung von Techniken zur Informationsfindung.

Die wissenschaftlichen Beiträge werden nicht unmittelbar von der Klägerin, sondern von der W Company (W) mit Sitz in den USA verlegt. Die Veröffentlichung erfolgt in dem von W betriebenen Online-journal. Gesellschafter der W sind zu je einem Drittel die Klägerin, die a University (USA) und b Laboratory (USA). Das Online-Journal soll durch wissenschaftliche Manuskripte von Y, a University und b Laboratory bedient werden, die ihrerseits eigene wissenschaftliche Fachzeitschriften herausgeben, aber darin nicht alle eingereichten Beiträge veröffentlichen können. Des Weiteren ist eine unmittelbare Einreichung von Beiträgen durch Autoren bei W möglich (vgl. Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 16. Mai 2019, Seite 2 f., elektronische Gerichtsakte –eAkte– Bl. 26 f.).

Die Klägerin übernimmt in diesem Zusammenhang nach der „Vereinbarung zur editoriellen Begutachtung” (Akte Verbindliche Auskunft Bl. 68 ff.) als Dienstleister für W die fachliche Prüfung und Freigabe der von den Autoren eingereichten Beiträge (sog. wissenschaftliches Editieren).

Der Editiervorgang vollzieht sich im sog. Peer-Review-Verfahren in drei Schritten (vgl. Schreiben Director der Y GmbH, vom 7. Oktober 2019, eAkte Bl. 81 f.):

  • • Im ersten Schritt liest der Editor die Arbeit und prüft, ob wissenschaftliche Mindestanforderungen erfüllt sind und ob die Arbeit anderen Ansprüchen der Zeitschrift genügt. Aufgrund dieser Prüfung entscheidet der Editor, ob die Arbeit zur fachspezifischen Prüfung an externe Gutachter weitergeleitet oder wegen sachlicher Mängel oder mangelndem wissenschaftlichen Fortschritt an die Autoren zurückgeschickt wird.
  • •Im zweiten Schritt sucht der Editor geeignete Gutachter, kontaktiert diese und führt ggf. mit ihnen Diskussionen über die Arbeit. Dies erfordert breite Sachkenntnis des Editors. Der Editor muss sich in den Fachgebieten im Groben selber auskennen. Es werden normalerweise mindestens zwei unbefangene Gutachter befragt. Die Gutachter gehen die Experimente in der Arbeit Schritt für Schritt durch, um zu beurteilen, ob sie korrekt durchgeführt wurden, den gültigen wissenschaftlichen Standards genügen und ausreichend sind, um die Interpretation zu stützen. Die Gutachter werden aufgefordert, in einem angemessenen Zeitraum ihre Gutachten beim Editor einzureichen.
  • • Im dritten Schritt entscheidet der Editor auf Grundlage der Gutachten und deren Analyse über das weitere Vorgehen. Er kann zwischen drei Möglichkeiten auswählen:

    • ○ die Arbeit abzulehnen, weil sich bei der Begutachtung erhebliche Mängel gezeigt haben, die nicht durch Überarbeitung zu beheben sind;
    • ○ die Arbeit vorbehaltlich weiterer Verbesserungen anzunehmen;
    • ○ in extrem seltenen Fällen die Arbeit ohne weitere Überarbeitung durch die Autoren zur Publikation anzunehmen.

Die Klägerin erhält von W für ihre Dienstleistung eine Vergütung. Neben jährlich festgelegten Gebühren ist bei Überschreiten bestimmter Mengengrenzen eine Zusatzgebühr vereinbart (vgl. 4.b. der „Vereinbarung zur editoriellen Begutachtung”, Akte Verbindliche Auskunft Bl. 70 f.). Die K...

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