Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anrechnung der schweizerischen Kinderrente auf das Kindergeld

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die schweizerische Kinderrente, die als Kinderzuschuss zur Invaliditätsrente und somit als Familienbeihilfe gezahlt wird, ist nicht auf das deutsche Kindergeld anzurechnen.

2. Der Anspruch auf Kinderrente in der Schweiz wird nicht durch den Anspruch auf Kindergeld in Deutschland ausgesetzt.

3. Das deutsche Kindergeld und die schweizerische Kinderrente sind nicht als Leistungen gleicher Art i. S. d. Art. 12 Abs. 1 S. 1 der VO Nr. 1408/71 zu qualifizieren.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3; DVO Nr. 574/72 Art. 10 Abs. 1; VO Nr. 1408/71 Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 Buchst. b, h, Art. 12 Abs. 1 S. 1, Art. 76, 77 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.02.2018; Aktenzeichen III R 3/17)

 

Tenor

1. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2015 werden aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann die Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Tochter T von Mai 2010 bis März 2012 und gegen die Rückforderung des für diesem Zeitraum gezahlten Kindergeldes. Dabei ist streitig, ob ihr Kindergeldanspruch im Hinblick auf die Zahlung einer Schweizer Kinderrente an Ts Vater und geschiedenen Ehemann ruht.

Die in Deutschland wohnhafte Klägerin bezog im maßgeblichen Zeitraum (Mai 2010 bis März 2012) Kindergeld für ihre am xx.xx. 1994 geborene Tochter T (Bescheid vom 15. März 2011, teilweise rückwirkende Festsetzung von Kindergeld ab Mai 2010). In dieser Zeit war sie selbst nicht erwerbstätig. Für den gleichen Zeitraum bezog der Vater des Kindes und geschiedene Ehemann der Klägerin, ein in Asien lebender deutscher Staatsangehöriger, für T eine „Ordentliche Kinderrente” i.H.v. 659 CHF zu seiner Invalidenrente (Bescheid der eidgenössischen Invalidenversicherung IV vom 24. August 2012, Behördenakte Bl. 103 ff.). Am 18. Dezember 2013 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von Mai 2010 bis März 2012 auf. Die Klägerin habe zwar grundsätzlich einen Anspruch auf deutsches Kindergeld, gleichzeitig stünden jedoch ihrem geschiedenen Ehemann Familienleistungen in der Schweiz zu. Dieser Anspruch sei gegenüber ihrem vorrangig. Den danach überzahlten Betrag i.H.v. 4.232 EUR habe die Klägerin nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zu erstatten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 18. Dezember 2013 verwiesen. Den hiergegen erhobenen Einspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Entscheidung vom 20. Januar 2015 als unbegründet zurück.

Mit ihrer am 10. Februar 2015 eingegangenen Klage macht die Klägerin geltend, die Zahlung einer Schweizer Kinderrente führe nicht zum Ausschluss des Anspruchs auf deutsches Kindergeld. Zwar sei die Schweizer Kinderrente eine dem deutschen Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Leistung; § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sei jedoch im Hinblick auf vorrangige europäische Rechtsvorschriften vorliegend nicht anzuwenden. Maßgeblich seien die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (im Folgenden VO Nr. 1408/71) und die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO Nr. 1408/71 (ABl. Nr. L 28 vom 30.1.1997, S. 1, im Folgenden DVO Nr. 574/72). Nach diesen Regelungen handele es sich bei den Schweizer Kinderrenten nicht um eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung. Auch stehe dem Anspruch der Klägerin die Prioritätsregel des Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Im Folgenden VO Nr. 883/2004) nicht entgegen, da von dieser zwar das deutsche Kindergeld, nicht jedoch die Schweizer Kinderrente erfasst sei. Selbst bei Anwendung dieser Vorschrift sei vorrangig deutsches Kindergeld zu gewähren, da Deutschland der Staat des Wohnortes des Kindes sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Maßgeblich se...

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