Leitsatz

Die schweizerische Kinderrente, die als Kinderzuschuss zur Invaliditätsrente und somit als Familienbeihilfe gezahlt wird, ist nicht auf das deutsche Kindergeld anzurechnen. Der Anspruch auf Kinderrente in der Schweiz wird nicht durch den Anspruch auf Kindergeld in Deutschland ausgesetzt. Das deutsche Kindergeld und die schweizerische Kinderrente sind nicht als Leistungen gleicher Art i. S. d. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der VO Nr. 1408/71 zu qualifizieren.

 

Sachverhalt

Die in Deutschland wohnhafte Klägerin bezog im maßgeblichen Zeitraum (Mai 2010 bis März 2012) Kindergeld für ihre in 1994 geborene Tochter. In dieser Zeit war sie selbst nicht erwerbstätig. Für den gleichen Zeitraum bezog der Vater des Kindes und geschiedene Ehemann der Klägerin, ein in Asien lebender deutscher Staatsangehöriger, für die Tochter eine "Ordentliche Kinderrente" i. H. v. 659 CHF zu seiner Invalidenrente. Am 18.12.2013 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG auf, weil neben dem Anspruch auf Kindergeld dem geschiedenen Ehemann ein Anspruch auf Familienleistungen in der Schweiz zustand, welcher gegenüber ihrem Kindergeldanspruch vorrangig sei. Mit ihrer Klage trägt die Klägerin vor, § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sei im Hinblick auf vorrangige europäische Rechtsvorschriften vorliegend nicht anzuwenden. Maßgeblich seien die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und die Verordnung (EWG) Nr. 574/72. Danach handele es sich bei den Schweizer Kinderrenten nicht um eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des Finanzgerichts ist die im maßgeblichen Zeitraum nicht erwerbstätige Klägerin aufgrund ihres Wohnsitzes in Deutschland nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG grundsätzlich anspruchsberechtigt und die in den Haushalt der Klägerin aufgenommene Tochter nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 i. V. m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 EStG als Kind zu berücksichtigen. Die rechtlichen Auswirkungen bei Kumulierung von Ansprüchen auf deutsches Kindergeld und auf die Schweizer Kinderrente sind anhand der VO Nr. 1408/71 zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs müssen die Berechnungsgrundlagen und die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht völlig gleich sein, um von Leistungen gleicher Art auszugehen. Im Streitfall differieren sie jedoch in einer so grundlegenden Weise, dass bei der Schweizer Kinderrente zur Invalidenrente und dem deutschen Kindergeld nicht mehr von Leistungen gleicher Art ausgegangen werden kann, mit der Folge, dass der Klägerin das Kindergeld ungekürzt zusteht.

 

Hinweis

Die vom Finanzgericht zugelassene Revision wurde eingelegt: Az beim BFH III R 3/17.

 

Link zur Entscheidung

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.2016, 11 K 387/15

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