Entscheidungsstichwort (Thema)

DBA-Schweiz. Grenzgängereigenschaft eines in der Schweiz Teilzeit beschäftigten Arztes mit Rufbereitschaft (Pikettdienst)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zählt der Pikettdienst (Rufdienst) nicht als Arbeitszeit und wird dieser unterbrochen, leistet der im Inland ansässige und in der Schweiz nichtselbstständig tätige Arzt keinen Dienst, der sich über mehrere Tage erstreckt. Der Pikettdienst ist danach nicht als einheitlicher Arbeitseinsatz im Sinne des Nr. II. 1 des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll zum DBA-Schweiz anzusehen.

2. Infolgedessen sind alle Tage, an denen der Arzt über Mitternacht hinaus seinem Arbeitgeber neben der normalen Arbeit für Pikettdienste zur Verfügung steht, isoliert zu betrachten. Sie bilden keine Einheit und damit nicht nur einen Nichtrückkehrtag i. S. d. Art. 15a Abs. 2 S. 2 DBA-Schweiz.

3. Ein beruflich bedingter Nichtrückkehrtag ist jedoch nicht gegeben, wenn der Arzt über die Tagesgrenze hinaus Rufbereitschaft hat und ihm nach dem Ende des Rufdienstes eine Rückkehr an den inländischen Wohnsitz zumutbar ist. Dies gilt auch dann, wenn der Pikettdienst keine Arbeitszeit ist.

4. Arbeitstage i. S. d. Art. 15a DBA-Schweiz sind die in dem Arbeitsvertrag vereinbarten Tage. Allein der Hinweis auf eine Teilzeitbeschäftigung von 80 % und eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden führt nicht zu einer anteiligen Kürzung der Nichtrückkehrtage, wenn aus den vorgelegten Arbeitsverträgen zu schließen ist, dass sich die berufliche Tätigkeit auf 100 % der Wochenarbeitszeit erhöhen kann und die Arbeitszeit nicht auf einzelne Tage der Woche beschränkt ist, so dass sich der Steuerpflichtige nicht nur an einzelnen Tagen im anderen Staat aufgehalten hat.

5. Das FG ist weder an die Bescheinigung des Schweizer Arbeitgebers über die Nichtrückkehrtage noch an die Würdigung der Schweizer Steuerbehörden gebunden, auch wenn die Folge eine Doppelbesteuerung ist. Ob und inwieweit die nicht im Inland erzielten Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen zugleich in einem ausländischen Staat der Besteuerung unterworfen werden, bleibt für die inländische Steuerpflicht grundsätzlich ohne Bedeutung.

6. Hat die Schweiz eine vom DBA nicht gedeckte Besteuerung vorgenommen, ist dies nicht in der Weise auszugleichen, dass die überhöhte Schweizer Steuer im Inland voll angerechnet wird.

 

Normenkette

DBA CHE Art. 15a Abs. 1; DBA CHE 1971/2010 Art. 15a Abs. 2 S. 2; DBA CHE Art. 15a Abs. 3, Art. 15, 24 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, Art. 4 Abs. 2a; EStG § 1 Abs. 1, § 32b Abs. 1 Nr. 3; Verhandlungsprotokoll zum DBA-Schweiz Nr. II. 1; Verhandlungsprotokoll zum DBA-Schweiz Nr. II. 2; Verhandlungsprotokoll zum DBA-Schweiz Nr. II. 4; ArGV 1 Art. 14 Abs. 1.

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.11.2013; Aktenzeichen I R 23/12)

 

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 21. Februar 2011 wird dahin gehend geändert, dass die Einkommensteuer mit 0,– Euro festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte zu 52/100 und der Kläger zu 48/100.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Der Kläger (Kl) wohnte in den Streitjahren mit seiner Familie in X, Deutschland, sowie in seiner 2007 erworbenen 2,5-Zimmer-Wohnung in Y/Schweiz. Im März 2010 zog er mit der Familie in die Schweiz. Er arbeitet seit Dezember 2006 als Arzt und seit 1. Juni 2007 als stellvertretender Chefarzt für Anästhesie und Schmerzintervention am etwa 40 Kilometer vom früheren Wohnort in Deutschland entfernten QSpital Z, Schweiz, jeweils in Teilzeit und zwar zu 80 % (= 40 Stunden pro Woche). Sein bis zum 31. Mai 2007 geltender Arbeitsvertrag sah vor, dass er Aufgaben nach Weisungen des Leitenden Arztes zu leisten habe und ein überdurchschnittliches Engagement mit einer Woche Freizeit pro Kalenderjahr abgegolten werde. Gemäß seinem Arbeitsvertrag vom 6. April 2007 war er mit Wirkung ab 1. Juni 2007 weiterhin in Teilzeit zu 80 % beschäftigt und fest eingeteilt im Bereich „OPS”. Sein Arbeitspensum konnte sich jedoch bei Vertretungen von Fall zu Fall bis auf 100 % erhöhen. Darüber hinaus war vereinbart eine

„gleichmässige Beteiligung am Rufdienst (Nacht- und Wochenende) mit den Kolleginnen und Kollegen” als „Arbeitszeit”.

Für den Rufdienst erhielt der Kl zusätzlich eine Entschädigung und zwar in Höhe von 820 Schweizer Franken (CHF) pro Tag. Außerdem wurde der Rufdienst und Wochenenddiens...

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