Entscheidungsstichwort (Thema)

Verrechnung von Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Gewinnen aus der Veräußerung von Wertpapieren nach Einführung der Abgeltungssteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verluste aus dem Verkauf von Wertpapieren, die vor dem 31.12.2008 festgestellt worden sind (sog. Altverluste), sind vorrangig mit positiven Einkünften aus der gleichen Einkunftsart, d.h. Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften aus dem Verkauf von vor dem 31.12.2008 angeschafften Aktien und erst nachrangig mit Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 EStG aus dem Verkauf von nach dem 31.12.2008 angeschafften Wertpapieren zu verrechnen.

2. Gegen ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen und eine vorrangige Verrechnung der Altverluste mit den neu anfallenden Gewinnen aus Kapitalerträgen nach § 20 Abs. 2 EStG spricht, dass es sich bei § 23 Abs. 3 S. 10 EStG um eine Ausnahmevorschrift handelt, die eng auszulegen ist.

 

Normenkette

EStG 2009 § 23 Abs. 3, § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 9, Abs. 5, § 43a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 32d Abs. 1, 3-4, § 52a Abs. 11 S. 4

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind Fragen der Verlustverrechnung von sog. Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Einführung der sog. Abgeltungssteuer.

Die Kläger sind Ehegatten, die zur Einkommensteuer des Streitjahrs (2009) zusammenveranlagt werden. Zum 31. Dezember 2007 war zu ihren Gunsten ein verbleibender Verlustvortrag bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 85.379 EUR betreffend den Kläger und von 85.380 EUR betreffend die Klägerin (insgesamt mithin 170.759 EUR) gesondert festgestellt worden. Dieser Verlustvortrag hatte sich in dem dem Streitjahr vorangehenden Veranlagungszeitraum 2008 um 148.390 EUR betreffend den Kläger und um 148.389 EUR betreffend die Klägerin (in Summe mithin 296.779 EUR) erhöht, weil die Kläger im Laufe des Jahres 2008 ausweislich einer Jahressteuerbescheinigung der X-Bank in entsprechender Höhe – nach Anwendung des sog. Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j des Einkommensteuergesetzes, hier in der bis zum Inkrafttreten des Unternehmensteuerreformgesetzes vom 14. August 2007, BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630, geltenden Fassung – a. F. –) nur einen gegenüber den Anschaffungs- und den Werbungskosten geringeren Veräußerungserlös aus dem Wiederverkauf von zuvor innerhalb der Jahresfrist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a. F. erworbenen Wertpapieren hatten erzielen können. Der dadurch entstehende verbleibende Verlustvortrag bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften auf den 31. Dezember 2008 in Höhe von jeweils 233.769 EUR (insgesamt also 467.538 EUR) wurde vom beklagten Finanzamt (dem Beklagten) mit Bescheid vom 23. Oktober 2009 gegenüber den Klägern gesondert festgestellt.

Im Streitjahr erzielten die Kläger zum einen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (jeweils in Gestalt eines Verlustes von je 529 EUR), aus Vermietung und Verpachtung (in Höhe von 6.088 EUR beim Kläger und 5.525 EUR bei der Klägerin) und aus dem Bezug von Renten (mit einem steuerpflichtigen Anteil nach Abzug von Werbungskosten von 5.973 EUR beim Kläger und 2.510 EUR bei der Klägerin). Daneben erwirtschafteten sie im September des Streitjahres in Bezug auf mehrere im Dezember des Vorjahres 2008 privat erworbene Wertpapiertranchen der Y-AG einen Gewinn (Überschuss des Veräußerungserlöses über die Anschaffungs- und Werbungskosten) in Höhe von 13.389 EUR beim Kläger und 13.391 EUR bei der Klägerin. Außerdem erzielten die Kläger erhebliche Einkünfte aus Kapitalvermögen, für die die sie betreuenden X-Bank und Z-Bank jeweils Kapitalertragsteuer in Höhe von 25% der Bruttoerträge nach § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (hier i. d. F. des Unternehmensteuerreformgesetzes – n. F. –) einbehalten hatten. In diesen Kapitaleinkünften waren ausweislich der entsprechenden Bankbescheinigungen unter anderem auch Gewinne aus der Veräußerung von Aktien in Höhe von 472.053 EUR und 79.701 EUR (insgesamt 551.754 EUR) enthalten, die jeweils zur Hälfte (mithin zu je 275.877 EUR) auf den Kläger und auf die Klägerin entfielen. Die übrigen Kapitaleinkünfte der Kläger beliefen sich auf 107.324 EUR beim Kläger und auf 107.228 EUR bei der Klägerin.

Der Beklagte veranlagte die Kläger mit Bescheid vom 29. Oktober 2010 zur Einkommensteuer des Streitjahres. Dabei verrechnete er den zum 31. Dezember des Vorjahres 2008 festgestellten Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften zunächst in Höhe von 6.694 EUR und 6.695 EUR (insgesamt mithin 13.389 EUR) mit den – jeweils nur zur Hälfte angesetzten – Überschüssen der Kläger aus der Veräußerung der Wertpapiere der Y-AG, so dass sich dadurch Einkünfte der Kläger aus privaten Veräußerungsgeschäften von je null EUR ergaben. Damit gelangte der Beklagte nach Ansatz der übrigen Einkünfte – mit Ausnahme der Einkünfte aus Kapitalvermögen – zu einem zu versteuernden Einkommen der Kläger...

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