Entscheidungsstichwort (Thema)

Befugnis zur Stellung des „Antrags” auf Übertragung des Betreuungsfreibetrags bei Erfüllung der Unterhaltspflicht. Einkommensteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

Kommt ein Elternteil seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind, das nicht bei ihm, sondern dem anderen Elternteil gemeldet ist, nach, darf der ihm zustehende Betreuungsfreibetrag ohne seine Zustimmung nicht auf den anderen Elternteil übertragen werden (zur Befugnis zur Stellung des „Antrags” nach § 32 Abs. 6 S. 7, 2. Halbsatz EStG 2000).

 

Normenkette

EStG 2000 § 32 Abs. 6 S. 7

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.05.2006; Aktenzeichen III R 71/04)

 

Tenor

1. Der geänderte Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 22.01.2002 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Übertragung des Betreuungsfreibetrags nach § 32 Abs. 6 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Im Rahmen der am 22.03.2001 beim beklagten Finanzamt -FA- eingereichten Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 2000 begehrte der Kläger den hälftigen Betreuungsfreibetrag für die Tochter … (geb. 09.02.1988). Mit Einkommensteuer-Bescheid 2000 vom 18.06.2001 wurde ihm dieser Freibetrag antragsgemäß gewährt.

Mit Datum 22.01.2002 erging ein nach § 173 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) geänderter Einkommensteuerbescheid, in dem der anteilige Betreuungsfreibetrag nicht mehr berücksichtigt wurde, da der andere Elternteil (= Mutter) die Übertragung des Betreuungsfreibetrags beantragt hat. Im Bescheid heißt es hierzu: „Der Bescheid wurde geändert, weil der anteilige Betreuungsfreibetrag nicht mehrberücksichtigt werden kann, da Ihre Tochter bei Ihnen nicht gemeldet ist.”

Hiergegen richtet sich der Einspruch vom 21.02.2002, der am 22.01.2002 beim FA eingegangen ist.

Mit Einspruchsentscheidung vom 16.05.2002, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 17.06.2002, der am gleichen Tag bei Gericht eingegangen ist, wurde Klage erhoben. Im Wesentlichen wird vorgetragen: Der Kläger sei unstreitig seinen Unterhaltsverpflichtungen nachgekommen. Eine Übertragung des ihm zustehenden Betreuungsfreibetrags sei daher unzulässig, selbst wenn ein entsprechender Antrag gestellt worden wäre. Antragsberechtigt wäre ausschließlich der Kläger als derjenige, welcher alleine über einen ihn begünstigenden Tatbestand verfügen könne. Ein Antrag der Mutter des Kindes bedürfe in jedem Falle der Zustimmung des Klägers, die jedoch weder erteilt wurde, noch erteilt wird. Eine zwangsweise Übertragung des Betreuungsfreibetrags gegen den Willen des Klägers scheide aus. Die steuerlichen Voraussetzungen für die Übertragung des Betreuungsfreibetrags auf den anderen Elternteil (= Mutter) seien nicht gegeben.

Der Kläger beantragt,

den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 22.01.2002 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 16.05.2002 ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Übertragung des Betreuungsfreibetrages auch gegen den Willen des Klägers erfüllt seien.

Mit Beschluss vom 07.02.2003 wurde der Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter nach § 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden und die vom FA vorgelegten Akten Bezug genommen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Im vorliegenden Rechtsstreit geht es lediglich um die Auslegung der Worte „auf Antrag” in § 32 Abs. 6 Satz 7 2. Halbsatz EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung. Das Gesetz lässt offen, wer den Antrag stellen kann. In Betracht kommt:

  1. beide Elternteile zusammen
  2. der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist
  3. der Elternteil, bei dem das Kind gemeldet ist, ohne Zustimmung ggf. gegen den Willen des anderen Elternteils

Dass die Variante 1 immer möglich sein muss, ergibt sich schon aus der Überlegung, dass die Beteiligten den Antrag gemeinsam stellen, so dass auch die rechtlichen Interessen keines der Beteiligten in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden.

Die Variante 2 muss auch möglich sein, da es sich hierbei um einen freiwilligen Rechtsverzicht handelt, für den es – insbesondere im familiären und zwischenmenschlichen Bereich – gute Gründe geben kann, die die Finanzbehörden zu akzeptieren haben.

Die Variante 3 ist nach Auffassung des erkennenden Senats nicht möglich, was sich aus dem Sachzusammenhang ableiten lässt: Die Übertragung nach § 32 Abs. 6 Satz 7 1. Halbsatz EStG ist zweifelsfrei gegen den Willen des anderen Elternteils möglich, weil lediglich darauf abgestellt wird, dass der andere Elternteil nicht seinen Unterhaltspflichten nachkommt. Dann ist es auch sachlich gerechtfertigt, ihm den Kinde...

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