Entscheidungsstichwort (Thema)

Mittelpunkt der Lebensinteressen eines sowohl in Deutschland als auch in der USA ansässigen Erben. Erbschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Mittelpunkt der Lebensinteressen eines Erben, der am Stichtag sowohl in Deutschland als auch in den USA über eine ständige Wohnstätte i.S. des Art. 4 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 erbschaftsteuerliches Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA vom 3.12.1980 (DBA-USA 1980) verfügt, befindet sich in den USA, wenn er sich nach dem Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung seiner Ehefrau bis zu deren Tod beinahe ausschließlich in den USA aufgehalten hat. Das gilt auch, wenn er am Stichtag noch nicht die Berechtigung zum Daueraufenthalt in Form der „green card” besaß und den Lebensmittelpunkt nach dem Tod der Erblasserin wieder nach Deutschland verlegte.

2. Ist der vorrangige Wohnsitz eines Erben i.S. der Kollisionsregel des Art. 4 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 DBA-USA 1980 zum Stichtag in den USA anzunehmen, entfällt der in Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b DBA-USA 1980 zugunsten von Deutschland vorgesehene Besteuerungsvorbehalt.

 

Normenkette

DBA USA 1980 Art. 4 Abs. 2 Buchst. a S. 2, Art. 11 Abs. 1 S. 1 Buchst. b, Art. 4 Abs. 1 Buchst. b; ErbStG § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b, S. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1

 

Tenor

Der geänderte Erbschaftsteuerbescheid vom 26. Januar 1999 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Der Gerichtsbescheid ist, sobald er als Urteil wirkt, wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der für ihn festgesetzten Kostenerstattung leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Am … 1990 verstarb in … (USA) die Ehefrau des Klägers … (im folgenden: Erblasserin). Diese war US-Amerikanische Staatsangehörige, der Kläger besaß zur Zeit des Todes seiner Ehefrau (nur) die deutsche Staatsbürgerschaft. Der Kläger hatte die Erblasserin (geb. … 1951) am … 1990 geheiratet; er hatte mit ihr seit 1985 zunächst in H. seit 1987 in den USA zusammengelebt. Der Nachlass befand sich zum weitaus überwiegenden Teil in den USA; in der Bundesrepublik Deutschland befand sich im wesentlichen nur das von der Erblasserin, die in H. studiert hatte, 1985 erworbene Hausgrundstück … in H. Die Erblasserin hatte testamentarisch den … Trust (Verwalter: …) zu ihrem Alleinerben eingesetzt (vgl. Erbschein des Nachlassgerichts H. vom 23. August 1991, Bl. 2 der Erbschaftsteuerakten) und bezüglich des H. Grundstücks den Kläger als Vermächtnisnehmer bestimmt. Der Beklagte erfasste den inländischen Erwerb des Klägers (Grundstück in H. Einheitswert 218.120 DM) mit Erbschaftsteuerbescheid vom 16. Juni 1992 und setzte die Steuer mit 4.815 DM fest (Bl. 78 der Erbschaftsteuerakten). Dabei ging er aufgrund der vom Kläger in den am 8. Januar 1992 und 13. Mai 1992 eingereichten Erbschaftsteuererklärungen (Bl. 61 ff., 66 ff. der Erbschaftsteuerakten) gemachten Angaben davon aus, dass der Kläger zur Zeit des Todes der Erblasserin seinen Wohnsitz ausschließlich in den USA hatte. Der Bescheid vom 16. Juni 1992 wurde bestandskräftig. Der Antragsteiler veräußerte das H. Anwesen im August 1992 für 2.810.000 DM und legte den Erlös zum Teil auf Konten bei der … Bank AG, H. an.

Der Beklagte gelangte nach einer Steuerfahndungsprüfung im April 1998 zu der Auffassung, auch der in den USA belegene Nachlass der Erblasserin sei dem Kläger erbschaftsteuerlich zuzurechnen, da er Begünstigter des Trusts sei und er seinen Wohnsitz im Inland (H.) beibehalten habe und somit unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig sei (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 a, b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes – ErbStG –). Mit gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 c der Abgabenordnung (AO) geändertem Erbschaftsteuerbescheid vom 26. Januar 1999 setzte der Beklagte die Steuer gegenüber dem Kläger auf 2.765.529 DM fest (nach Anrechnung amerikanischer Erbschaftsteuer in Höhe von 1.037.634 DM). Die Besteuerungsgrund lagen wurden anhand der von der Fahndungsprüfung vorgefundenen Unterlagen geschätzt; der Bescheid ist teilweise vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 AO bezüglich der Höhe der anrechenbaren amerikanischen Erbschaftsteuer sowie der Zusammensetzung und der wertbildenden Eigenschaften des US-Nachlasses und des auf den Trust übergegangenen Vermögens und dem Anteil der Beteiligung des Klägers daran. Über den gegen den Änderungsbescheid am 11. März 1999 eingelegten Einspruch des Klägers hat der Beklagte noch nicht entschieden.

Mit der am 14. September 1999 eingereichten Untätigkeitsklage (§ 46 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –) trägt der Kläger vor, der Beklagte habe ohne zureichen den Grund über den Einspruch sachlich nicht entschieden. Der vom Beklagten geltend gemachte Grund – Nichtvorlage der Urkunde über den, amerikanischen Trust – sei nicht ausreichend. Der Kläger könne die Urkunde nicht vorlegen, da er auf sie keinen Zugriff habe. Das...

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