Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer 1993

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 29.04.2002; Aktenzeichen 2 BvR 284/99)

BFH (Urteil vom 15.12.1998; Aktenzeichen VIII R 6/98)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Sie erklärten für das Jahr 1993 Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die der Beklagte nach Abzug der Freibeträge mit ESt-Bescheid vom 24. Januar 1995 der Einkommensteuer unterwarf.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Sprungklage.

Die Kläger sind der Ansicht, die Besteuerung der Kapitaleinnahmen sei verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seiner Entscheidung vom 27. Juni 1991 – 2 BvR 1493/89, Bundessteuerblatt (BStBl) II 1991, 654, den Gesetzgeber aufgefordert, spätestens vom 01. Januar 1993 an die bestehende gravierende Ungleichheit bei der Besteuerung von Zinseinkünften zu beseitigen. Der Gesetzgeber habe diese Aufgabe nicht erfüllt. Er habe nur den Zinsabschlag eingeführt, dieses Instrument aber in ein derartiges – insbesondere durch § 30 a Abgabenordnung (AO) gekennzeichnetes – normatives Umfeld gebettet, daß es zwangsläufig unwirksam geblieben sei. Das steuerliche Erhebungsdefizit habe sich durch den Zinsabschlag nicht geändert. Die Steuerpflichtigen hätten lediglich das Kapital, dessen Erträge sie bisher schon dem Fiskus gegenüber verschleiert hätten, in das Ausland verbracht. Das bisher inländische Vollzugsdefizit habe sich in ein gleich hohes ausländisches Vollzugsdefizit umgewandelt. Das Steuerfluchtkapital betrage – ausweislich zahlreicher Publikationen in der seriösen Presse – im Jahre 1993 rd. 300 Milliarden DM, die hieraus resultierenden Steuerausfälle lägen zwischen 10 und 13 Milliarden DM.

Das Vollzugsdefizit sei dem Gesetzgeber anzulasten. Er hätte schon im Jahre 1992 wissen müssen, daß die bloße Einführung der Zinsabschlagsteuer nicht ausreiche, die gleichheitswidrigen Zustände der Zinsbesteuerung zu beseitigen. Das BVerfG habe in seiner Entscheidung vom 27. Juni 1991 eindeutig die Aufhebung des Bankgeheimnisses (§ 30 a AO) favorisiert und die Einführung des Zinsabschlags nur als subsidiäres Ausweichinstrument angesprochen, ohne dabei etwa zum Ausdruck zu bringen, daß der Gesetzgeber durch die bloße Realisierung des einen oder anderen Instruments den ihm gestellten Auftrag bereits erfüllen könne. Der verfassungsrechtliche Auftrag sei auf die Herbeiführung eines Erfolges, nämlich auf die Reduktion des bei der Zinsbesteuerung festgestellten schweren Vollzugsdefizits gerichtet gewesen. Dieses Ziel habe der Gesetzgeber verfehlt.

Der Gesetzgeber hätte der Steuerverwaltung die Möglichkeit geben müssen, die Abwanderung des Kapitals in das Ausland zu kontrollieren. Er hätte der Steuerverwaltung detaillierte Einblicke verschaffen sollen in alle bedeutenderen Abhebungen und Überweisungen von Termin-, Sicht- und Spareinlagen sowie in alle Liquidationen nennenswerter Wertpapierdepots. Hätte der Gesetzgeber derartige Maßnahmen beschlossen, so hätten es die steuerunehrlichen Steuerpflichtigen nicht gewagt, ihr bislang vor dem Fiskus geheim gehaltenes Kapital vom Inland in das Ausland zu schaffen. Da jeder Kapitaltransfer in das Ausland nicht ohne Abhebungen, Überweisungen und Depotliquidationen vor sich gehe, hätten sich die steuerunehrlichen Steuerpflichtigen der Gefahr ausgesetzt, daß sowohl die Vorbereitungen zur Steuerflucht als auch vor allem das bisher verheimlichte Kapital dem Fiskus bekannt werde Die Geldanlagen wären mithin im Inland verblieben und hier wenigstens dem Zinsabschlag unterworfen worden. Noch wirkungsvoller wäre es gewesen, wenn der Gesetzgeber ganz auf das Bankgeheimnis verzichtet hätte. Diese Lösung habe das BVerfG bevorzugt. Der vom Gesetzgeber eingeführte Zinsabschlag allein habe das vom BVerfG gerügte Klima der Zurückhaltung und des Zögerns bei der Erfassung von Zinseinnahmen nicht geändert. Auch heute werde sich ein nach beruflichem Erfolg strebender junger Finanzbeamter hüten, allzu sehr auf Auskünfte von Banken zu dringen.

Dem Gesetzgeber sei das über den 01. Januar 1993 hinaus bestehende Erhebungsdefizit auch subjektiv vorzuwerfen. Er habe schon vor diesem Zeitpunkt nicht darauf vertrauen dürfen, daß die Steuerpflichtigen tatenlos die für sie negativen Folgen des Zinsabschlags hinnehmen würden. Schon bei der Einführung der nur zehnprozentigen kleinen Kapitalertragsteuer im Jahre 1990 sei es zu erheblichen Fluchtbewegungen des Kapitals in das Ausland gekommen. Es war deshalb für den Gesetzgeber abzusehen, daß die Einführung einer dreißigprozentigen Abzugssteuer zu noch größeren Ausweichmanövern deutscher Kapitalanleger führen würde.

Wegen des weiteren Vortrags wird auf die Schriftsätze der Kläger verwiesen.

Sie beantragen,

den vorläufigen ESt-Bescheid 1993 vom 24. Januar 1995 insoweit aufzuheben, als darin Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt worden sind.

Der Bekla...

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