Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuergutschrift auf Investitionen, Durchführung der Investition im Inland, Betrieb von Binnenschiffen in anderen Mitgliedstaaten

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er der Bestimmung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der einem ausschließlich in diesem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen die Inanspruchnahme einer Steuergutschrift nur deshalb versagt wird, weil das Investitionsgut, für das die Gutschrift verlangt wird, physisch im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats eingesetzt wird.

 

Normenkette

AEUV Art. 56

 

Beteiligte

Tankreederei I

Tankreederei I SA

Directeur de l’administration des contributions directes

 

Verfahrensgang

Tribunal administratif (Luxemburg) (Urteil vom 08.06.2010; Abl.EU 2010, Nr. C 221/28)

 

Tatbestand

„Freier Dienstleistungsverkehr ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Steuergutschrift für Investitionen ‐ Gewährung, die an die physische Durchführung der Investition im Inland gebunden ist ‐ Betrieb von Binnenschiffen, die in anderen Mitgliedstaaten eingesetzt werden“

In der Rechtssache C-287/10

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal administratif (Luxemburg) mit Entscheidung vom 8. Juni 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juni 2010, in dem Verfahren

Tankreederei I SA

gegen

Directeur de l’administration des contributions directes

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts (Berichterstatter) sowie der Richter D. Šváby, E. Juhász, G. Arestis und T. von Danwitz,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Tankreederei I SA, vertreten durch F. Collot, avocat,

‐ der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und B. Cabouat als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und J.-P. Keppenne als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 AEUV und 63 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Tankreederei I SA (im Folgenden: Tankreederei), einer Gesellschaft luxemburgischen Rechts, und dem Direktor der Verwaltung für direkte Abgaben des Großherzogtums Luxemburg wegen der Ablehnung der Verwaltung, dieser Gesellschaft Steuergutschriften für Investitionen zu gewähren.

Nationales Recht

Rz. 3

Art. 152 bis § 1 des Gesetzes vom 4. Dezember 1967 über die Einkommensteuer (Mémorial A 1967, S. 1228) in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 1986 (Mémorial A 1986, S. 2330, im Folgenden: LIR) bestimmt:

„Auf Antrag erhalten die Steuerpflichtigen die nachfolgend genannten Steuergutschriften auf Steuern auf das Einkommen für die in den §§ 2 und 7 ff. genannten Investitionen, die sie in ihren Unternehmen im Sinne von Art. 14 tätigen. Die Investitionen müssen in einer im Großherzogtum belegenen Betriebsstätte getätigt werden und dazu bestimmt sein, dort dauerhaft zu verbleiben; sie müssen außerdem physisch im luxemburgischen Hoheitsgebiet durchgeführt werden.“

Der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt und die Vorlagefrage

Rz. 4

Tankreederei, die ihren Gesellschaftssitz in Luxemburg hat, betreibt aus diesem Mitgliedstaat im Rahmen ihrer Tätigkeit der Betankung von Seeschiffen in den Häfen von Antwerpen (Belgien) und Amsterdam (Niederlande) mit Bunkeröl (Bebunkerung) zwei zur Binnenschifffahrt bestimmte Schiffe.

Rz. 5

Für die Steuerjahre 2000‐2003 beantragte sie auf der Grundlage von Art. 152 bis LIR die Inanspruchnahme von Steuergutschriften für Investitionen, was von der Verwaltung für direkte Abgaben des Großherzogtums Luxemburg mit der Begründung abgelehnt wurde, dass die betreffenden Schiffe im Ausland eingesetzt würden.

Rz. 6

Am 28. Juni 2005 legte sie beim Direktor der Verwaltung Einspruch ein, den dieser mit Entscheidung vom 29. Januar 2009 (im Folgenden: Entscheidung vom 29. Januar 2009) zurückwies.

Rz. 7

Am 23. April 2009 erhob sie beim vorlegenden Gericht Klage gegen die Entscheidung vom 29. Januar 2009. Zur Begründung dieser Klage macht sie geltend, Art. 152 bis LIR sei nicht mit Art. 56 AEUV vereinbar. Zum einen verfüge sie nur in Luxemburg über eine Betriebsstätte, so dass sie als ein Unternehmen im Sinne von Art. 14 LIR anzusehen sei, zum anderen seien ihre Schiffe in Luxemburg bei den Aktiva ihrer Bilanz verbucht und würden im Rahmen einer ausschließlich in Luxemburg steuerpflichtigen Tätigkeit verwendet, so dass die Entscheidung vom 29. Januar 2009 darauf hinauslaufe, dass sie steuerlich ungünstiger behandelt werde als Unternehmen, die dieselbe Tätigkeit im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ausübten. Die auf sie angewandte Behandlung stelle folglich eine ungerechtfertigte Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Außerdem habe der Dienst für Binnenschifffahrt des Ministeriums für Transport ihren Antrag auf Re...

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