Entscheidungsstichwort (Thema)

Erblasser und Erbe mit Wohnsitz in Drittland, Grundstück im Inland, Bemessungsgrundlage, Freibetrag für gebietsfremde Erben

 

Leitsatz (amtlich)

Die Art. 56 EG und 58 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung von Erbschaftsteuern entgegenstehen, die für den Fall des Erwerbs eines im Gebiet dieses Staates belegenen Grundstücks durch Erbanfall vorsieht, dass der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage dann, wenn der Erblasser und der Erwerber ‐ wie unter den Umständen des Ausgangsverfahrens ‐ zum Zeitpunkt des Erbfalls ihren Wohnsitz in einem Drittland wie der Schweizerischen Eidgenossenschaft hatten, niedriger ist als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest eine dieser beiden Personen zu diesem Zeitpunkt ihren Wohnsitz in dem genannten Mitgliedstaat gehabt hätte.

 

Normenkette

EGVtr Art. 56, 58

 

Beteiligte

Welte

Yvon Welte

Finanzamt Velbert

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Beschluss vom 02.04.2012; Aktenzeichen 4 K 689/12 Erb; EFG 2012, 1486)

 

Tatbestand

„Freier Kapitalverkehr ‐ Art. 56 EG bis 58 EG ‐ Erbschaftsteuern ‐ Erblasser und Erbe mit Wohnsitz in einem Drittland ‐ Nachlassvermögen ‐ In einem Mitgliedstaat belegenes Grundstück ‐ Anspruch auf Inanspruchnahme eines Freibetrags auf die Steuerbemessungsgrundlage ‐ Unterschiedliche Behandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden“

In der Rechtssache C-181/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 2. April 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 18. April 2012, in dem Verfahren

Yvon Welte

gegen

Finanzamt Velbert

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh (Berichterstatter), der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von Herrn Welte, vertreten durch Rechtsanwalt M. Duffner,

‐ des Finanzamts Velbert, vertreten durch A. Ludwig als Bevollmächtigten,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch A. Wiedmann und T. Henze als Bevollmächtigte,

‐ der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte im Beistand von A. Lepièce, avocate,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls und W. Roels als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Juni 2013

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 EG und 58 EG.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Welte, dem Witwer einer in der Schweiz verstorbenen schweizerischen Staatsangehörigen, und dem Finanzamt Velbert (im Folgenden: Finanzamt) über die Berechnung der Erbschaftsteuern auf ein in Deutschland belegenes bebautes Grundstück, dessen Eigentümerin die Erblasserin war.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 1 der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (Artikel aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam) (ABl. L 178, S. 5) lautet:

„(1) Unbeschadet der nachstehenden Bestimmungen beseitigen die Mitgliedstaaten die Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Gebietsansässigen in den Mitgliedstaaten. Zur Erleichterung der Durchführung dieser Richtlinie wird der Kapitalverkehr entsprechend der Nomenklatur in Anhang I gegliedert.

(2) Die mit dem Kapitalverkehr zusammenhängenden Zahlungstransaktionen erfolgen zu den gleichen Devisenbedingungen, die bei Zahlungen für laufende Transaktionen gelten.“

Rz. 4

Zu den im Anhang I der Richtlinie 88/361 aufgeführten Kapitalbewegungen gehören „Direktinvestitionen“ in Rubrik I, „Immobilieninvestitionen (soweit nicht unter I erfasst)“ in Rubrik II und der „Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter“ in Rubrik XI, der insbesondere Erbschaften und Vermächtnisse umfasst.

Deutsches Recht

Rz. 5

Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 (BGBl. 1997 I S. 378), geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 24. Dezember 2008 (BGBl. 2008 I S. 3018, im Folgenden: ErbStG), enthält folgende Bestimmungen:

„§ 1 Steuerpflichtige Vorgänge

(1) Der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) unterliegen

1. der Erwerb von Todes wegen;

2. die Schenkungen unter Lebenden;

§ 2 Persönliche Steuerpflicht

(1) Die Steuerpflicht tritt ein

1. in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer … ein Inländer ist, für den gesamten Vermögensanfall. Als Inländer gelten

a) natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) deutsche Staatsangehörige, die sich nicht län...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge