Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Verminderung der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage. Vollständige oder teilweise Nichtbezahlung des Preises. Bedingungen, die von einer nationalen Regelung für die Ausübung des Rechts auf Verminderung vorgeschrieben sind. Bedingung, dass sich der Schuldner nicht in einem Insolvenz- oder Liquidationsverfahren befindet. Bedingung, dass der Gläubiger und der Schuldner mehrwertsteuerpflichtig sind

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 90

 

Beteiligte

E

E. sp. z o.o. sp. k

Minister Finansów

 

Verfahrensgang

Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) (Beschluss vom 06.12.2018; ABl. EU 2019, Nr. C 280/20)

 

Tenor

Art. 90 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Verminderung der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage davon abhängig ist, dass der Schuldner am Tag der Lieferung des Gegenstands oder der Erbringung der Dienstleistung sowie am Tag vor der Abgabe der Berichtigung der Steuererklärung zur Geltendmachung dieser Verminderung als mehrwertsteuerpflichtig registriert ist, er sich weder in einem Insolvenzverfahren noch in der Liquidation befindet und der Gläubiger am Tag vor der Abgabe der Berichtigung der Steuererklärung selbst weiterhin als mehrwertsteuerpflichtig registriert ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) mit Entscheidung vom 6. Dezember 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 24. April 2019, in dem Verfahren

E. sp. z o.o. sp. k.

gegen

Minister Finansów

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter), des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen,

Generalanwältin: Frau J. Kokott,

Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der E. sp. z o.o. sp. k., vertreten durch A. Bartosiewicz, conseiller fiscal,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Jokubauskaite und M. Siekierzyńska als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 4. Juni 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 90 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der E. sp. z o.o. sp. k. und dem Minister Finansów (Finanzminister, Polen) wegen von diesem ausgestellter Steuervorbescheide.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 63 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:

„Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.”

Rz. 4

Art. 73 der Richtlinie lautet:

„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.”

Rz. 5

Art. 90 der Richtlinie sieht vor:

„(1) Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Steuerbemessungsgrundlage unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.

(2) Die Mitgliedstaaten können im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung von Absatz 1 abweichen.”

Rz. 6

Art. 184 der Richtlinie lautet:

„Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war.”

Rz. 7

Art. 185 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:

„(1) Die Berichtigung erfolgt insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten.

(2) Abweichend von Absatz 1 unterbleibt die Berichtigung bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung geleistet wurde, in ordnungsgemäß nachgewiesenen oder belegten Fällen von Zerstörung, Verlust oder Diebstahl sowie bei Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und Warenmuster im Sinne des Artikels 16.

Bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung erfolgt, und bei Diebstahl können die Mitgliedstaaten jedoch eine Berichtigung verlangen.”

Rz. 8

Art. 273 der Richt...

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