Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorläufige Verwahrung, Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung, Zollschuldner

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Art. 50 und 203 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 648/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass eine in vorläufiger Verwahrung befindliche Ware als der zollamtlichen Überwachung entzogen anzusehen ist, wenn sie zwar zu einem externen gemeinschaftlichen Versandverfahren angemeldet worden ist, jedoch nicht das Lager verlässt und nicht der Bestimmungszollstelle gestellt wird, obwohl dieser die Versandpapiere vorgelegt worden sind.

2. Art. 203 Abs. 3 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 648/2005 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens im Fall der Entziehung einer Ware aus der zollamtlichen Überwachung die Person, die diese Ware als zugelassener Versender in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren übergeführt hat, Zollschuldner gemäß dieser Bestimmung ist.

 

Normenkette

EWGV 2913/92 Art. 50, 203 Abs. 3

 

Beteiligte

SEK Zollagentur

SEK Zollagentur GmbH

Hauptzollamt Gießen

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 11.12.2013; Aktenzeichen VII R 3/12; BFH/NV 2013, 680)

 

Tatbestand

„Zollunion und Gemeinsamer Zolltarif ‐ Entziehung einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus der zollamtlichen Überwachung ‐ Entstehung der Zollschuld“

In der Rechtssache C-75/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 11. Dezember 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Februar 2013, in dem Verfahren

SEK Zollagentur GmbH

gegen

Hauptzollamt Gießen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Borg Barthet (Berichterstatter) sowie der Richter S. Rodin und F. Biltgen,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der SEK Zollagentur GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt T. Ulbrich,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und L. Keppenne als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 50 und 203 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 648/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 (ABl. L 117, S. 13) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der SEK Zollagentur GmbH (im Folgenden: SEK Zollagentur) und dem Hauptzollamt Gießen über den Antrag der SEK Zollagentur auf Erstattung von Zoll, den sie schulden soll, weil sie die betreffenden Waren während des Versandverfahrens der zollamtlichen Überwachung entzogen habe.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Art. 4 des Zollkodex sieht vor:

„Im Sinne dieses Zollkodex ist oder sind

13. zollamtliche Überwachung: allgemeine Maßnahmen der Zollbehörden, um die Einhaltung des Zollrechts und gegebenenfalls der sonstigen für Waren unter zollamtlicher Überwachung geltenden Vorschriften zu gewährleisten;

14. Zollkontrollen: besondere von den Zollbehörden durchgeführte Handlungen zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Anwendung der zollrechtlichen und sonstigen Vorschriften über den Eingang, den Ausgang, den Versand, die Beförderung und die besondere Verwendung von Waren, die zwischen dem Zollgebiet der Gemeinschaft und Drittländern befördert werden, sowie über das Vorhandensein von Waren ohne Gemeinschaftsstatus; zu diesen Handlungen können die Beschau der Waren, die Überprüfung der Anmeldungsdaten und des Vorhandenseins und der Echtheit elektronischer oder schriftlicher Unterlagen, die Prüfung der Unternehmensbuchführung und sonstiger Aufzeichnungen, die Kontrolle der Beförderungsmittel, die Kontrolle des Gepäcks und sonstiger Waren, die von oder an Personen mitgeführt werden, die Vornahme behördlicher Nachforschungen und andere ähnliche Handlungen gehören;

15. zollrechtliche Bestimmung einer Ware:

a) Überführung in ein Zollverfahren;

b) Verbringung in eine Freizone oder ein Freilager;

c) Wiederausfuhr aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft;

d) Vernichtung oder Zerstörung;

e) Aufgabe zugunsten der Staatskasse;

20. Überlassung einer Ware: die Maßnahme, durch die eine Ware von den Zollbehörden für die Zwecke des Zollverfahrens überlassen wird, in das die betreffende Ware übergeführt wird;

…“

Rz. 4

Art. 37 Abs. 1 des Zollkodex bestimmt:

„Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, unterliegen vom Zeitpunkt des Verbringens an der zollamtlichen Überwachung. Sie können nach dem geltenden Recht Zollkontrollen un...

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