Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmereigenschaft, politische Partei, Leistungsaustausch zwischen Parteigliederungen, wirtschaftliche Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass Tätigkeiten der Außenwerbung der Unterorganisation einer politischen Partei eines Mitgliedstaats nicht als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen sind.

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 1-2

 

Beteiligte

SPÖ Landesorganisation Kärnten

SPÖ Landesorganisation Kärnten

Finanzamt Klagenfurt

 

Verfahrensgang

UFS (Österreich) (Beschluss vom 16.06.2008; Abl.EU 2008, Nr. C247/4)

 

Tatbestand

„Mehrwertsteuer ‐ Recht zum Vorsteuerabzug ‐ Begriff wirtschaftliche Tätigkeiten ‐ Regionale Organisation einer politischen Partei ‐ Werbeaktivitäten zugunsten der Unterorganisationen der Partei ‐ Aufwendungen aus diesen Aktivitäten, die die Einnahmen übersteigen“

In der Rechtssache C-267/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Klagenfurt (Österreich), mit Entscheidung vom 16. Juni 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juni 2008, in dem Verfahren

SPÖ Landesorganisation Kärnten

gegen

Finanzamt Klagenfurt

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter J.-C. Bonichot, J. Makarczyk (Berichterstatter), L. Bay Larsen und der Richterin C. Toader,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: K. Malaček, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ des Finanzamts Klagenfurt, vertreten durch J. Wogrin als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt G. Lackner,

‐ der griechischen Regierung, vertreten durch O. Patsopoulou, S. Trekli und V. Karra als Bevollmächtigte,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. Juli 2009

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SPÖ Landesorganisation Kärnten (Landesorganisation der Sozialdemokratischen Partei Österreichs im Land Kärnten, im Folgenden: Landesorganisation) und dem Finanzamt Klagenfurt über die mehrwertsteuerliche Behandlung bestimmter Werbeaktivitäten der Landesorganisation für Rechnung der Bezirks- und Ortsorganisationen dieser Partei im Land Kärnten in den Jahren 1988 bis 2004.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Rz. 3

Art. 4 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.

(5) Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.

Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

…“

Nationales Recht

Rz. 4

Der im Verfassungsrang stehende Art. I § 1 des Parteiengesetzes sieht vor:

„(1) Die Existenz und Vielfalt politischer Parteien sind wesentliche Bestandteile der demokratischen Ordnung der Republik Österreich (Art. 1 [des Bundes-Verfassungsgesetzes]).

(2) Zu den Aufgaben der politischen Parteien gehört die Mitwirkung an der politischen Willensbildung.

…“

Rz. 5

Gemäß Art. VI des Abgabenänderungsgesetzes 1975 sind die politischen Parteien im Anwendungsbereich der in § 3 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung umschriebenen Abgabenvorschriften wie Körperschaften des öffentlichen Rechts zu behan...

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