Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung der Steuerschuld, Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen, Rundungsregelungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Gemeinschaftsrecht enthält bei seinem derzeitigen Stand keine spezifische Vorgabe in Bezug auf die Methode zur Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen. In Ermangelung einer spezifischen Gemeinschaftsregelung ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Regeln und die Methoden für die Rundung der Mehrwertsteuerbeträge zu bestimmen; dabei müssen sie darauf achten, dass die Grundsätze, auf denen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht, namentlich die Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität, eingehalten werden. Insbesondere steht das Gemeinschaftsrecht der Anwendung einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach ein bestimmter Mehrwertsteuerbetrag aufgerundet werden muss, wenn der Bruchteil der kleinsten Einheit der betreffenden Währung größer oder gleich 0,5 ist, und es schreibt auch nicht vor, dass den Steuerpflichtigen das Abrunden eines Mehrwertsteuerbetrags zu gestatten ist, der einen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit umfasst.

2. Bei einem Verkaufspreis, in dem die Mehrwertsteuer enthalten ist, ist es in Ermangelung einer spezifischen Gemeinschaftsregelung Sache des jeweiligen Mitgliedstaats, innerhalb der Grenzen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere unter Beachtung der Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität, die Ebene zu bestimmen, auf der ein Mehrwertsteuerbetrag, der einen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit umfasst, gerundet werden darf oder muss.

3. Da sich Wirtschaftsteilnehmer, die die Preise für ihre Warenverkäufe und Dienstleistungen unter Einschluss der Mehrwertsteuer berechnen, in einer anderen Lage befinden als diejenigen, die die gleiche Art von Geschäften zu Preisen ohne Mehrwertsteuer tätigen, können sich die Erstgenannten nicht auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität berufen, um zu erreichen, dass ihnen gestattet wird, die Abrundung der geschuldeten Mehrwertsteuerbeträge auf der Ebene der Warengattung und des Umsatzes vorzunehmen.

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 12 Abs. 3, Art. 22 Abs. 3; EWGRL 227/67 Art. 2

 

Beteiligte

J D Wetherspoon

J D Wetherspoon plc

The Commissioners for HM Revenue and Customs

 

Verfahrensgang

VAT and Duties Tribunal (Vereinigtes Königreich) (Urteil vom 26.06.2007; Abl.EU 2007, Nr. C 211/20)

 

Tatbestand

„Erste und Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität ‐ Regeln für die Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen ‐ Rundungsmethoden und -ebenen“

In der Rechtssache C-302/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom VAT and Duties Tribunal, London (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 26. Juni 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Juni 2007, in dem Verfahren

J D Wetherspoon plc

gegen

The Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie des Richters T. von Danwitz (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta, der Richter E. Juhász und G. Arestis,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: R. Seres, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der J D Wetherspoon plc, vertreten durch M. Angiolini, Barrister, und A. Khan, Solicitor,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill, Barrister,

‐ der griechischen Regierung, vertreten durch S. Alexandridou, V. Karra, K. Georgiadis und M. Apesos als Bevollmächtigte,

‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. de Grave als Bevollmächtigte,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Afonso und R. Lyal als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 20. November 2008

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. 1967, Nr. 71, S. 1301) in der durch die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 (ABl. L 145, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Erste Richtlinie) sowie von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2003/92/EG des Rates vom 7. Oktober 2003 (ABl. L 260, S. 8) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft J D Wetherspoon plc (im Folgenden: Weth...

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