Leitsatz

Eine erneute Änderung eines Folgebescheides sperrt nicht eine Korrektur einer offenbaren Unrichtigkeit.

 

Sachverhalt

Die Kläger waren zusammenveranlagte Eheleute. Diese erklärten in den Jahren 1995 bis 1997 negative gewerbliche Einkünfte, die in den Einkommensteuerfestsetzungen antragsgemäß übernommen wurden. In 2000 ergingen Mitteilungen über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, in denen den Eheleuten Verluste aus Vermietung und Verpachtung zugewiesen wurden. In diesen Verlusten waren die erklärten gewerblichen Verluste enthalten. Diese wurden gleichwohl nicht gestrichen, sondern letztlich doppelt berücksichtigt. Aufgrund eines Urteils des BFH in 2010 wurden die Verluste dann wieder als gewerbliche Verluste erklärt und nunmehr (erneut) in Ansatz gebracht. Im Ergebnis entsprachen die Bescheide somit der ursprünglichen Steuererklärung. Gleichwohl legten die Kläger gegen die geänderten Bescheide Einspruch ein. Sie vertraten die Rechtsauffassung, dass eine erneute Änderung der Bescheide nicht mehr zulässig gewesen sei. Hinsichtlich der Bescheide sei nämlich Festsetzungsverjährung eingetreten, so dass hier die Verluste zu berücksichtigen seien, wie diese in die erste Änderung eingeflossen seien. Das Finanzamt folgte diesem Ansinnen nicht.

 

Entscheidung

Die Klage wurde als unbegründet zurück gewiesen. Entgegen der Auffassung der Kläger habe das Finanzamt seine Änderung auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO stützen können. Hier sei es bei der ersten Änderung der Bescheide versehentlich zu einer Doppelerfassung der Verluste gekommen. Diese Doppelerfassung dürfe wieder rückgängig gemacht werden und die Einkommensteuerbescheide an die letzten Feststellungsbescheide angepasst werden. Zwar sei es zutreffend, dass die Regelung des § 175 AO nur eine punktuelle Änderung erlaube. Doch schränke dies das Finanzamt nicht dahingehend ein, dass es zu einem Verbrauch von Änderungsmöglichkeiten im Hinblick auf eine offenbare Unrichtigkeit komme. Aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung sei ersichtlich, dass eine Änderung des Folgebescheides zur Herbeiführung eines materiell-rechtlichen Ergebnisses geboten sei. Dies habe das Finanzamt zutreffend gemacht, indem es die Doppelerfassung der Verluste beseitigt habe.

 

Hinweis

§ 175 AO, der verschiedene Änderungsbestimmungen betrifft, kann in der Praxis durchaus mit Problemen in der Rechtsanwendung behaftet sein. Eine der zentralen Fragen ist dabei, wie weit die Folgeänderungen aufgrund eines erstmaligen oder geänderten Grundlagenbescheides gehen dürfen. Dies wird in § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO durch das Wörtchen soweit geregelt. Es erfolgt also, dies ist unstrittig, keine Gesamtaufrollung (Frotscher, in Schwarz, AO, § 175 AO Rz. 23), sondern der Umfang der Folgeänderungen wird durch den Grundlagenbescheid bestimmt. Dies kann aber nicht bedeuten, dass das Finanzamt, welches den ersten Grundlagenbescheid offensichtlich fehlerhaft umgesetzt hat, bei einem geänderten Grundlagebescheid nicht den ersten Fehler korrigieren kann. Wenn denn die Voraussetzungen des § 129 AO bejaht werden, ist die Entscheidung des FG Hessen zutreffend. Anlässlich der Umsetzung des geänderten Grundlagenbescheides durfte das Finanzamt seine offenbare Unrichtigkeit beseitigen.

 

Link zur Entscheidung

Hessisches FG, Urteil vom 14.08.2014, 13 K 1368/10

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