Leitsatz

Die Einkünfteerzielungsabsicht ist grundsätzlich auch bei Kapitaleinkünften Voraussetzung für die Besteuerung und für jede einzelne Kapitalanlage gesondert zu prüfen. Eine Gesamtbetrachtung aller Kapitalanlagen kommt nicht in Betracht.

 

Sachverhalt

Die Kläger waren Eigentümer eines vermieteten Anwesens, das sie für 2 Mio. EUR veräußerten. Das Anwesen war über zwei Darlehen in Höhe von 1,5 Mio. EUR teilfinanziert, die im Zeitpunkt der Veräußerung noch über zwei Jahre Laufzeit zu 5,95 % Verzinsung hatten. Die Kläger legten deshalb 1,5 Mio. EUR bis zur vorzeitigen Darlehenstilgung auf einem Tagesgeldkonto zu 2,5 % an. Die Darlehen wurden dann nach den sieben Monaten inklusive einer Vorfälligkeitsentschädigung und Zinsen getilgt. Anlässlich einer Betriebsprüfung bei den Klägern wurden die geltend gemachten Schuldzinsen aus den Darlehen mangels Überschusserzielungsabsicht nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt.

 

Entscheidung

Vor Gericht hatten die Kläger keinen Erfolg. Die Überschusserzielungsabsicht sei für jede Kapitalanlage gesondert zu prüfen, erklärten die Richter, d.h., für jedes einzelne Wertpapier, jede Beteiligung, jede Darlehensforderung. Hierzu habe der Steuerpflichtige, der für das Vorhandensein der Überschusserzielungsabsicht die Feststellungslast trage, objektive Umstände vorzutragen, aufgrund derer er zu Beginn der Kapitalanlagen erwarten konnte, dass er mit jeder einzelnen Kapitalanlage auf Dauer gesehen einen Gesamtüberschuss erzielen würde (BFH, Urteil v. 7.12.1999, VIII R 8/98, BFH/NV 2000 S. 825). Da die Kläger zu Beginn der Anlage beabsichtigten, den Verkaufserlös nur zeitlich beschränkt auf dem Tagesgeldkonto anzulegen, konnten sie aufgrund des Sollzinssatzes des Darlehens in Höhe von 5,95 % und der zu erwartenden Zinsen auf dem Tagesgeldkonto zu 2,5 % nicht mit einem Überschuss rechnen. Eine Gesamtbeurteilung aller Kapitalanlagen scheide jedoch aus (Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 20 EStG, Rz 11, 12). Darüber hinaus würde nach der Rechtsprechung des BFH, Urteil v. 31.8.1999, VIII R 23/98, BFH/NV 2000 S. 420 selbst die Wiederanlage des Verkaufserlöses in eine gleichartige Kapitalanlage - was vorliegend nicht zutraf - keine Überschusserzielungsabsicht begründen, wenn hinsichtlich der veräußerten Kapitalanlage eine Überschusserzielungsabsicht zu verneinen sei.

 

Hinweis

Die Einkünfteerzielungsabsicht ist grundsätzlich auch bei Kapitaleinkünften Voraussetzung für die Besteuerung. Sie ergibt sich in der Regel aus der Tatsache des Erwerbs einer "dauerhaft" ertragversprechenden Kapitalanlage und ist auch in Verlustjahren zu bejahen, wenn die objektiven Umstände im Zeitpunkt des Erwerbs während der Gesamtdauer des Kapitaleinsatzes einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben erwarten lassen (Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 20 EStG, Tz 12 m.w.N). Die Beantwortung der Frage, ob eine Überschusserzielungsabsicht vorliegt, hängt nach diesen Grundsätzen von einer unter Heranziehung aller objektiven Umstände zu treffenden (Wahrscheinlichkeits-)Prognose über die voraussichtliche Dauer der Vermögensnutzung, d.h. die mutmaßliche Zeitspanne des Haltens der (konkreten) Kapitalanlage, die in dieser Zeitspanne voraussichtlich erzielten steuerpflichtigen Erträge und die in dieser Zeitspanne voraussichtlich anfallenden Erwerbsaufwendungen ab (BFH, Urteil v. 28.10.1999, VIII R 7/97, BFH/NV 2000 S. 564).

 

Link zur Entscheidung

FG München, Urteil vom 09.11.2011, 9 K 799/11

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