Die folgenden Gründe können für den Erblasser Beweggrund sein, eine Vor- und Nacherbschaft anzuordnen:[1]

  • Bestimmte Personen (z. B. der geschiedene Ehegatte oder der eingetragene Lebenspartner nach der Aufhebung der Lebenspartnerschaft) sollen nicht an seinem Vermögen teilhaben.
 
Praxis-Beispiel

Ziel Ausschluss des geschiedenen Ehegatten

Der vermögende E hat sich von seiner Frau F, mit der er in Gütertrennung gelebt hat, scheiden lassen. Aus der gemeinsamen Ehe ist Sohn S hervorgegangen. Andere Verwandte des E sind nicht vorhanden.

Der Wille des E ist dahin gehend, dass Sohn S sein Erbe werden soll. Keinesfalls soll aber die geschiedene F an seinem Vermögen partizipieren.

Errichtet E kein Testament oder setzt er den S zu seinem Erben ein, dann wird S mit dem Tod von E dessen alleiniger Erbe. Verstirbt nun auch S (ohne Testament) und hinterlässt dieser keine Abkömmlinge, dann wird dessen Mutter (F) seine gesetzliche Erbin (§ 1925 BGB) und erhält somit den Nachlass des E. Damit tritt das ein, was E nicht gewollt hat: Die geschiedene Ehefrau F erhält sein Vermögen.

Durch die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft kann E das verhindern.

Dies erreicht er, indem er seinen Sohn S zum befreiten Vorerben einsetzt, und eine andere Person (z. B. eine ihm nahe stehende Person) zum Nacherben.

  • Das Vermögen des Erblassers soll innerhalb der Familie verbleiben und nicht an fremde Dritte übergehen.[2]
 
Praxis-Beispiel

Kein Übergang auf fremde Dritte

Erblasser E hat eine Tochter T, welche mit dem nicht ehelichen Lebensgefährten L zusammenlebt. Daneben hat E noch eine Nichte N. Andere Verwandte sind nicht mehr vorhanden. Tochter T hat ihren Lebensgefährten zum Alleinerben eingesetzt.

Lösung

Beim Tod des Erblassers E geht dessen Vermögen auf die Tochter T über. Verstirbt auch die T, so geht das Vermögen des E auf den Lebensgefährten der T (einem Nichtverwandten) über. Als Lösung bietet es sich für E an, die T als befreite Vorerbin und die Nichte N zur Nacherbin einzusetzen.

  • Mithilfe der Vor- und Nacherbschaft kann der Erblasser auf das Verhalten des Vor- und Nacherben gezielt Einfluss nehmen (z. B. Eintritt der Nacherbfolge aufgrund der Wiederheirat des überlebenden Ehegatten).
  • Der Erblasser kann auch eine noch nicht erzeugte Person als Nacherbin einsetzen.[3]
 
Achtung

Nachteile der Vor- und Nacherbschaft

Es darf hier aber nicht unbesehen bleiben, dass eine Vor- und Nacherbschaft auch nachteilig sein kann.

  • Die hohe erbschaftsteuerliche Belastung (vgl. die erbschaftsteuerliche Behandlung).
  • Es können Streitigkeiten zwischen dem Vor- und Nacherben auftreten.

    Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zu befürchten ist, dass der Vorerbe das Vermögen verschleudert.

  • Die Verfügungs- und Verwaltungsbeschränkungen des Vorerben sowie die dem Nacherben zustehenden Sicherungs- und Kontrollrechte sind eine erhebliche Belastung des Vorerben. Das kann sich vor allem nachteilig im unternehmerischen Bereich auswirken. Als entlastende Gestaltungsmaßnahme kann hier die Anordnung eines Hausratsvorausvermächtnis dienen.[4]
  • Die Vor- und Nacherbschaft wird als ein kompliziertes Rechtsinstitut gesehen.
[1] Zu den außersteuerlichen Beweggründen s. auch Gottschalk, in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 6 Rz. 13 ff, Stand: 10. Juli 2023.
[2] S. auch Olbing, Vor- und Nacherbschaft: Steuerrechtliche Rahmenbedingungen, ErbR 2023 S. 204
[4] Slabon, ErbBstg 5/2017, S. 117.

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