Während zivilrechtlich bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft der Anteil des verstorbenen Ehegatten nicht zu seinem Nachlass zählt (siehe Tz. 2.1.1), weicht das Erbschaftsteuerrecht hiervon ab.

Es liegt kein Erwerb durch Erbanfall gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor.[1] Nach § 4 Abs. 1 ErbStG wird der Anteil des verstorbenen Ehegatten so behandelt, als wenn er ausschließlich den anteilsberechtigten Abkömmlingen angefallen wäre, infolgedessen also für die Abkömmlinge ein Erwerb von Todes wegen vorliegt.

Der überlebende Ehegatte ist dagegen nur ausnahmsweise Erwerber des Anteils am Gesamtgut des verstorbenen Ehegatten.[2]

 
Praxis-Beispiel

Fortgesetzte Gütergemeinschaft

Die Ehegatten EM und EF leben seit ihrer Eheschließung im Güterstand der Gütergemeinschaft. Sie haben 2 gemeinsame Kinder, die Tochter T und den Sohn S. Im Gesamtgut der Ehegatten befinden sich ein nicht zu Wohnzwecken vermietetes Grundstück mit einem gemeinen Wert in Höhe von 950.000 EUR, Wertpapiere mit einem gemeinen Wert in Höhe von 830.000 EUR und Haushaltsgegenstände mit einem gemeinen Wert in Höhe von 15.000 EUR. Vorbehaltsgut oder Sondergut ist nicht vorhanden. Die Ehegatten haben zudem die fortgesetzte Gütergemeinschaft vereinbart. Die Ehefrau EF verstirbt am 1.11.2023.

Lösung:

Aufgrund der von den Ehegatten getroffenen Vereinbarung wird die Gütergemeinschaft mit den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt, welche bei gesetzlicher Erbfolge Erben wären. Dies sind im vorliegenden Beispiel Tochter T und Sohn S. Zivilrechtlich fällt der Anteil der EF nicht in den Nachlass. Erbschaftsteuerlich haben die anteilsberechtigten Abkömmlinge S und T ihren Erwerb jedoch nach § 4 Abs. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer zu unterwerfen.

Das Gesamtgut hat insgesamt folgenden gemeinen Wert:

 
Mietwohngrundstück (gemeiner Wert) 950.000 EUR
Wertpapiere + 830.000 EUR
Haushaltsgegenstände + 15.000 EUR
Summe 1.795.000 EUR

Der Anteil der verstorbenen Ehefrau EF beläuft sich hier auf 897.500 EUR (½ von 1.795.000 EUR).

Hiervon sind Sohn S und Tochter T jeweils ½ zuzurechnen, d. h. S und T haben jeweils einen Erwerb in Höhe von 448.750 EUR zu versteuern.

Die Berechnung der Erbschaftsteuer sieht wie folgt aus:

 
anteiliger Vermögensanfall 448.750 EUR
abzüglich Freibetrag (§ 13 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG) ./. 3.750 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) ./. 400.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb (Abrundung entfällt) 45.000 EUR
Erbschaftsteuer (Steuersatz 7 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 3.150 EUR

Sohn S und Tochter T haben demnach für ihren Erwerb jeweils eine Erbschaftsteuer i. H. von 3.150 EUR zu entrichten.

Beim überlebenden Ehegatten, der seinen Anteil am Gesamtgut behält, kommt es dagegen zu keiner steuerlichen Konsequenz.

[1] Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 4 ErbStG Rz. 172, Stand: 10. Juli 2023
[2] Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 2021, § 4 ErbStG Anm. 8.

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