1.1 Kürzeste Straßenverbindung

Die Entfernungspauschale, die für Arbeitnehmer wie Selbstständige gleichermaßen gilt, gilt für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Für die Entfernungsbestimmung ist grundsätzlich die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte maßgebend. Dabei sind nur volle Kilometer der Entfernung anzusetzen, sodass ein angefangener Kilometer unberücksichtigt bleibt. Die Entfernungsbestimmung richtet sich stets nach der Straßenverbindung, und zwar unabhängig von dem Verkehrsmittel, das tatsächlich für den Weg zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte benutzt wird. Demzufolge ist auch bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf die Straßenverbindung und nicht etwa auf die Tarifentfernung bzw. die von einer S-Bahn gefahrene Umwegstrecke[1] abzustellen. In diesem Zusammenhang dürfen auch zusätzliche Strecken, die notwendig sind, um die öffentlichen Verkehrsmittel zu erreichen, nicht berücksichtigt werden.

 
Hinweis

Benutzungsverbote

Die kürzeste Straßenverbindung ist auch dann maßgeblich, wenn diese mit dem tatsächlich verwendeten Verkehrsmittel nicht benutzt werden darf.[2]

 
Praxis-Beispiel

Kürzeste Straßenverbindung auch bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel

Die kürzeste Straßenverbindung bei Benutzung eines Autos beträgt 25 km. Wegen der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel legt der Arbeitnehmer 2023 folgende Strecken zurück: 9 km zur Haltestelle, 15 km mit dem Zug sowie weitere 4 km zur Arbeitsstelle (insgesamt 28 km). Anzusetzen sind 25 km.

Eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und regelmäßig benutzt wird.[3]

[3] BMF, Schreiben v. 18.11.2021, IV C 5 – S 2351/20/1001: 002, BStBl 2021 I S. 2315.

1.2 Wege von und zur Wohnung

1.2.1 Begriff Wohnung

Als Ausgangspunkt für die Fahrten kommt jede Wohnung des Steuerpflichtigen in Betracht, die er regelmäßig zur Übernachtung nutzt und von der aus er die Tätigkeitsstätte aufsucht. Es braucht keine voll eingerichtete Wohnung zu sein.

 
Praxis-Beispiel

Möbliertes Zimmer gilt als Wohnung

Als Wohnung in diesem Sinne werden auch ein möbliertes Zimmer, eine Schiffskajüte, ein Schrebergartenhaus, ein abgestellter Wohnwagen oder ein Schlafplatz in einer Massenunterkunft (Kaserne) angesehen.[1]

Nach der Rechtsprechung muss es sich um eine eigene – möglicherweise mit anderen Personen zusammen genutzte – Wohnung des Steuerpflichtigen handeln. Deshalb hat der BFH Unfallkosten, die auf einer Fahrt zwischen der Wohnung eines Freundes und der Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen entstanden waren, nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen.[2] Eine fremde Wohnung dürfte der eigenen Wohnung jedoch gleichstehen, wenn sie die einzige Unterkunft des Steuerpflichtigen ist oder wenn sie ausschließlich zu dem Zweck aufgesucht wird, von dort aus zur Tätigkeitsstätte zu gelangen, z. B. Hotelzimmer.[3] Wohnung i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG kann auch ein Zimmer im Haus der Eltern sein.[4]

1.2.2 Arbeitnehmer mit mehreren Wohnungen

Es steht dem Arbeitnehmer frei, wo er seine Wohnung nimmt. Die Fahrten von der weiter entfernt liegenden Wohnung werden aber nur berücksichtigt, wenn diese weiter entfernt liegende Wohnung den örtlichen Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird.[1]

Die Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie die Beweggründe für die Wohnsitznahme am entfernteren Ort spielen keine Rolle.[2] Die entfernter liegende Wohnung darf allerdings nicht eine Zweitwohnung sein, die lediglich an Wochenenden und in den Ferien genutzt wird. Bei Letzteren wird die Entfernungspauschale nur für die Entfernung zwischen Erstwohnung und erster Tätigkeitsstätte berücksichtigt.

Mittelpunkt der Lebensinteressen bei Verheirateten

Wo ein Steuerpflichtiger den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat, bestimmt sich durch die persönlichen Beziehungen zu diesem Ort sowie die Art und Weise, wie dieselben aufrechterhalten werden. Sie können ihren Ausdruck finden in Bindungen an Personen, z. B. Eltern, Verlobte, Freunde usw., aber auch in Aktivitäten, z. B. in Sport, Kirche, Politik. Bei verheirateten Steuerpflichtigen befindet sich der örtliche Mittelpunkt der Lebensinteressen i. d. R. am Aufenthalts- bzw. Wohnort der Familie. Auch bei Verheirateten setzt jedoch die Annahme des Mittelpunkts der Lebensinteressen voraus, dass die weiter entfernt liegende Wohnung vom Arbeitnehmer nicht nur gelegentlich aufgesucht wird.

Die Rechtsprechung hat bereits bei nur 5 Heimfahrten eines türkischen Arbeitn...

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