Leitsatz

Eine einheitliche, in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen ausgezahlte Entschädigung kann vorliegen, wenn alle Teilleistungen auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückzuführen sind. Dies gilt auch, soweit eine Teilentschädigung (sog. Startprämie) dafür geleistet wird, dass der Arbeitnehmer sein Beschäftigungs- und Qualifizierungsverhältnis bei der Transfergesellschaft vorzeitig kündigt, weil er bei einem anderen Arbeitgeber ein neues Arbeitsverhältnis beginnt.

 

Normenkette

§ 24 Nr. 1 Buchst. a und b, § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger schloss mit seinem langjährigen Arbeitgeber auf dessen Vorschlag einen Aufhebungsvertrag und nahm das Angebot zum Abschluss eines Anstellungsvertrags bei einer Transfergesellschaft A an. Nach Ablauf der befristeten Anstellung hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, noch in eine Transfergesellschaft B einzutreten. Nach nur einem Monat bei der Transfergesellschaft A trat der Kläger eine neue Anstellung an. Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhielt der Kläger eine Entschädigung von 115.700 EUR, die 2015 zufloss. Im Jahr 2016 wurden ihm weitere 59.250 EUR gezahlt a) für den Verzicht des Klägers auf den Anspruch auf Beschäftigung in der Transfergesellschaft B und b) für die vorzeitige Beendigung des Vertrags mit der Transfergesellschaft A. Der ehemalige Arbeitgeber nahm von beiden Zahlungen den LSt-Abzug vor. Das FA ging von einer einheitlichen Entschädigung aus, die nicht in einem VZ zugeflossen sei. Auch das FG gelangte zu dieser Einschätzung (FG Baden-Württemberg, Gerichtsbescheid vom 22.2.2021, 8 K 3125/18, Haufe-Index 15155034).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers und seiner Ehefrau hatte ebenfalls keinen Erfolg. Der BFH hat die tatsächliche Würdigung des FG, dass im Streitfall eine einheitliche Entschädigung in verschiedenen VZ ausgezahlt worden sei, aus Rechtsgründen nicht beanstandet.

 

Hinweis

Das Besprechungsurteil ist auf Bitten des BMF nachträglich zur Veröffentlichung bestimmt worden.

1. Entschädigungen u.a. werden nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt besteuert.

a) Eine Entschädigung liegt vor, wenn die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht.

b) Außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 Abs. 1 und 2 EStG setzen zusätzlich voraus, dass die zu begünstigenden Einkünfte in einem VZ zu erfassen sind und dass durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen.

c) Daran fehlt es, wenn eine einheitliche Entschädigung in zwei oder mehreren VZ ausgezahlt wird. Das gilt nicht, wenn aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden oder wenn lediglich eine (im Vergleich zur Hauptleistung) geringfügige Teilleistung in einem anderen VZ zufließt.

d) An einer einheitlichen Entschädigung fehlt es, wenn mehrere Entschädigungszahlungen für jeweils unterschiedliche Schadenereignisse geleistet werden.

2. Bei Anwendung dieser bekannten und im Streitfall nicht weiterentwickelten Grundsätze war die tatsächliche Würdigung des FG nicht zu beanstanden, wonach eine einheitliche Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes vorlag, obwohl verschiedene Zahlungen in unterschiedlichen Teilen des Vertragswerks geregelt waren und in verschiedenen VZ geleistet wurden. Ebenfalls nicht zu beanstanden war die Würdigung des FG, dass es sich nicht um Leistungen der sozialen Fürsorge oder um geringfügige Teilleistungen handelte. Außerordentliche Einkünfte lagen deshalb nicht vor.

3. Auch der Leitsatz bringt zutreffend zum Ausdruck ("kann vorliegen"), dass die Beurteilung mehrerer Zahlungen als einheitliche Entschädigung letztlich Tatfrage ist und dass der BFH an die tatsächliche Würdigung durch das FG grundsätzlich gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Über den entschiedenen Fall hinaus verallgemeinerungsfähige Aussagen enthält die Entscheidung insofern nicht. Über das Interesse des BMF an der Veröffentlichung der Entscheidung kann nur gemutmaßt werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 6.12.2021 – IX R 10/21

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