Leitsatz

Ein Anspruch auf Anrechnung von Vorauszahlungen auf die Einkommensteuerschuld steht demjenigen Steuerpflichtigen zu, auf dessen Rechnung die Vorauszahlung bewirkt wurde. Auch bei Ehegatten ist entscheidend, wessen Steuerschuld nach dem im Zeitpunkt der Zahlung erkennbaren Willen des Zahlenden getilgt werden sollte.

 

Sachverhalt

Ein selbstständiger Tierarzt lebte im Streitjahr 2001 mit seiner Ehefrau, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielte, zusammen. Das Zusammenleben dauerte bis Ende 2001 an. Der Tierarzt leistete für 2001 Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe von 23.298 EUR. Die Ehefrau beantragte für 2001 die getrennte Veranlagung. Das Finanzamt erließ gegenüber dem Ehemann einen Einkommensteuerbescheid 2001 mit einer Zahllast von 15.090,63 EUR, der durch Abbuchung beglichen wurde. Die geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 23.298 EUR wurden ihm in voller Höhe erstattet. Nachfolgend forderte das Finanzamt die Hälfte dieses Betrags zurück, da bei Ehepartnern Vorauszahlungen als auf beider Einkommensteuerbescheid geleistet gelten, wenn keine gegenteilige Absicht bekundet wurde. Der Tierarzt habe daher nur Anspruch auf Anrechnung der Hälfte der Vorauszahlungen. Im Klageverfahren machte er geltend, lediglich der nach Abgeltung aller Steuerschulden noch verbleibende Erstattungsbetrag könne nach Köpfen auf die Ex-Gatten verteilt werden, sodass der Rückforderungsbescheid insoweit aufzuheben sei, als er die Rückforderungssumme von 3.740,22 EUR übersteige.

 

Entscheidung

Das FG folgte dem Steuerpflichtigen in vollem Umfang und entschied, dass die auf Rechnung des Finanzamts bewirkte Steuerrückzahlung an den Steuerpflichtigen (23.298 EUR) i. H. v. 19.497,78 EUR mit rechtlichem Grund erfolgte. Denn anrechnungsberechtigt ist derjenige, auf dessen Rechnung die Vorauszahlung bewirkt wurde. Dabei kommt es darauf an, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt erkennbar ist, getilgt werden sollte.

Der für das Finanzamt erkennbare Wille des zahlenden Steuerpflichtigen ist jedoch auch im Fall von zusammenlebenden Eheleuten in erster Linie darauf gerichtet, möglichst umfassend die zu erwartenden Steuerschulden (unabhängig davon, ob es sich um eine gemeinsame Schuld oder eine getrennte Schuld handelt), zu tilgen.

Dagegen ist ein Interesse, möglicherweise mit eigener Zahllast belastet zu bleiben und Erstattungsguthaben für den Ehepartner "anzusparen", nicht zu vermuten. Eine ausdrückliche Bestimmung dahingehend, dass die Anrechnung der Vorauszahlungen auf beide Ehepartner je zur Hälfte erfolgen solle, wäre im Fall ungleicher zu erwartender Steuerlasten sogar unzulässig, da sie die Regelung des § 37 Abs. 1 Satz 1 EStG verletzen würde.

Der Steuerpflichtige hatte somit Anspruch auf Erstattung des zu Unrecht nochmals gezahlten Betrags von 15.090,43 EUR sowie auf Erstattung eines weiteren Betrags i. H. v. 3.740,22 EUR aus § 37 Abs. 2 AO unter dem Gesichtspunkt überschüssiger Vorauszahlung.

 

Hinweis

Die Entscheidung des FG Köln weicht damit von der Rechtsprechung des FG Baden-Württembergs[1] ab, wonach bei zusammenlebenden Eheleuten die Anrechnung bzw. Erstattung von Vorauszahlungen grundsätzlich nach Köpfen erfolgt, sofern sich keine Anhaltspunkte für eine bestimmte andere Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten ergeben. Diese typisierende Betrachtungsweise soll auch dann gelten, wenn auf einen Ehegatten keine Steuerschuld entfällt oder wenn später getrennte Veranlagung beantragt wird.

 

Link zur Entscheidung

FG Köln, Urteil vom 27.04.2010, 1 K 3389/07

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