Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Vorauszahlungen und Erstattung überschüssiger Vorauszahlungen bei Eheleuten

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG steht demjenigen Steuerpflichtigen ein Anspruch auf Anrechnung von Vorauszahlungen auf die Einkommensteuerschuld zu, auf dessen Rechnung die Vorauszahlung bewirkt wurde. Entscheidend ist damit auch bei Ehegatten, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie der im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt erkennbar ist, getilgt werden sollte (gegen FG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.06.2008 2 K 73/06, EFG 2008, 1511).

2) Eheleuten steht eine Erstattung überschüssiger Vorauszahlungen je zur Hälfte zu, wenn die Vorauszahlungen während des Zusammenlebens ohne weitere Bestimmungen geleistet wurden.

 

Normenkette

AO § 37 Abs. 2; EStG § 36 Abs. 2 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.03.2011; Aktenzeichen VII R 42/10)

 

Tatbestand

Der Kläger erzielt als Tierarzt Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Er lebte im Streitjahr 2001 mit seiner damaligen Ehefrau, die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit erzielte, zusammen. Laut Feststellungen des Familiengerichts, das später die Scheidung aussprach, dauerte dieses Zusammenleben bis Ende 2001 oder Anfang 2002 an. Der Kläger leistete für die Einkommensteuer des Jahres 2001 Vorauszahlungen i.H.v. insgesamt 23.298,00 EUR, die das beklagte Finanzamt aufgrund einer Einzugsermächtigung von seinem Konto abbuchte. Mit ihrer Einkommensteuererklärung vom 9. Mai 2003 beantragte die Ex-Ehefrau des Klägers getrennte Veranlagung für das Jahr 2001. In der Folge kam es zu einem Briefwechsel zwischen Kläger und Beklagtem über die Anrechnung der Vorauszahlungen: Das beklagte Finanzamt bot an, die Vorauszahlungen bis September 2001 dem Kläger zu ½, danach ganz zuzurechnen. Der Kläger wandte ein, er habe die Vorauszahlungen im Vertrauen auf den Fortbestand der Ehe geleistet und habe deshalb Anspruch auf vollständige Anrechnung, zumindest aber auf Anrechnung im Verhältnis der Einkünfte der Eheleute, also zu ca. 77 %.

Am 4. September 2003 erging gegen den Kläger der Einkommensteuerbescheid für 2001. Er enthielt keine Anrechnung der Vorauszahlungen und setzte eine Zahllast i.H.v. 15.090,63 EUR fest. Der Betrag wurde durch Abbuchung beglichen. Im Dezember 2004 erhielt der Kläger eine Erstattung in Höhe des vollen Betrages der Vorauszahlungen, nämlich i.H.v. 23.298,00 EUR, teils durch Anrechnung auf geschuldete Umsatzsteuer, teils durch Überweisung auf sein Konto.

Mit dem hier streitigen Bescheid vom 22. November 2006 forderte der Beklagte die Hälfte des Betrages zurück und bestätigte diese Forderung mit Einspruchsentscheidung vom 2. August 2007: Die Erstattung an den Kläger sei nur zur Hälfte gerechtfertigt gewesen. Vorauszahlungen eines Ehepartners würden bei zusammenlebenden Eheleuten als auf beider Einkommensteuerschuld geleistet gelten, wenn keine gegenteilige Absicht bekundet würde. Da dies nicht geschehen sei, habe der Kläger nur Anspruch auf Anrechnung der Hälfte der Vorauszahlungen. In Höhe der anderen Hälfte der Vorauszahlungen sei bei der Ehefrau ein entsprechender Erstattungsanspruch entstanden und zwischenzeitlich auch beglichen worden.

Hiergegen wendet sich die Klage vom 4. September 2007: Der Kläger habe Anspruch auf Vertrauensschutz, da er aufgrund der Erstattungsankündigungen davon habe ausgehen dürfen, dass die Erstattung vom Dezember 2004 mit seiner Ex-Ehefrau abgestimmt worden sei. Jedenfalls sei es sinnwidrig, die Steuerschuld des Klägers nicht durch seine Vorauszahlungen als beglichen anzusehen und stattdessen einen durch nichts gerechtfertigten Erstattungsanspruchs seiner Ex-Ehefrau anzusetzen. Allenfalls könne der nach Abgeltung aller Steuerschulden noch verbleibende Erstattungsbetrag nach Köpfen auf die Ex-Ehegatten verteilt werden. Nachdem er mit der Klageschrift zunächst die Aufhebung des Rückforderungsbescheids begehrt hatte, beantragt er in der mündlichen Verhandlung mit Rücksicht auf die letztgenannten Erwägungen,

den angegriffenen Rückforderungsbescheid insoweit aufzuheben, als die Rückforderungssumme den Betrag von 3.740,22 EUR übersteigt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er beruft sich zur Stützung seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung auf die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 26.06.2007 VII R 35/06, BStBl. II 2007, 742) und das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 11.06.2008 2 K 73/06, EFG 2008, 1511.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist im beantragten Umfang begründet.

Der Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 22.11.2006 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, als der Rückforderungsbetrag die Summe von 3.740,22 EUR übersteigt. Nach § 37 Abs. 2 AO hat derjenige, auf dessen Rechnung eine Steuer ohne rechtlichen Grund zurückgezahlt wurde, einen Anspruch auf Erstattung des zurückgezahlten Betrags. Die auf Rechnung des Beklagten bewirkte Steuerrückzahlung an den Kläger i.H.v. 23.298,00 EUR erfo...

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