Innovative Finanzdienstleistungsinstitute haben den Bedarf nach schnellen und qualitativ hochwertigen Kreditentscheidungen erkannt und bereits weitgehend in ihren verschiedenen Kreditstraßen umgesetzt. Entsprechende Lösungsansätze führender Häuser nutzen Cognitive Automation mit denen sowohl der Automatisierungsgrad als auch die Entscheidungsgüte verbessert werden.

Dabei zeichnet sich Cognitive Automation durch die Kombination von klassischer RPA und modernen, künstlicher Intelligenz (KI)-basierten Algorithmen aus. Dadurch gelingt es den Unternehmen, zuvor hochmanuelle Prozesse mitunter vollständig zu automatisieren, Kapazitäten freizusetzen sowie operative Bearbeitungszeiten zu minimieren und die Ergebnisqualität zu verbessern.

Anwendung findet dies in der Praxis z. B. bei der Überwindung von Medienbrüchen wie im Falle des Kreditantrages. Durch Einsatz von Optical Character Recognition (OCR) können Kreditanträge ausgelesen und automatisiert in die operativen Systeme übertragen werden.

Ein weiteres, zunehmend beliebtes Instrument ist die Anwendung von KI im Kreditentscheidungs- und -überwachungsprozess. Hierbei werden traditionelle Scoring- und Ratingverfahren durch den Einsatz statistischer Methoden mittels KI erweitert oder gar substituiert. Die Vorteile:

  1. Die Berücksichtigung von neuen Risikofaktoren, die durch die KI im Rahmen der Analyse des verfügbaren Training-Datensets ermittelt und laufend verbessert werden.
  2. Die potenzielle zahlenmäßige Erweiterung der Modellinputparameter durch eine beliebige Erweiterung des Input-Datensatzes.

Diese beiden Faktoren können einen essenziellen Beitrag zur Steigerung der Trennschärfe der im Finanzdienstleistungsinstitut eingesetzten Kreditentscheidungsverfahren beitragen.

Darüber hinaus bietet KI die Möglichkeit automatisiert das Kreditportfolio basierend auf allen Inputparameter, anhand einer individuell an das Geschäftsprofil angepassten Leistungskennzahl, optimal zu segmentieren. Moderne Methoden zur Ableitung der Erklärbarkeit von KI-Vorhersagen erlauben es zudem, bisher unbekannte, möglicherweise komplexe Zusammenhänge aufzuzeigen, welche im konkreten Kundenportfolio des Instituts die Kreditperformance beeinflussen. In klassischen statistischen Modellen sind hierzu zunächst die Segmente auf Basis ihrer Homogenität abzuleiten, bevor weitere Analysen für die Teilsegmente durchgeführt werden.

 
Praxis-Beispiel

Kreditüberwachung durch logistische Regression und KI im Vergleich

Eine Methode, die Überwachung von Performing Loans umzusetzen, ist die Anwendung des XGBoost Machine Learning Algorithmus. XGBoost basiert auf der Anwendung einer Entscheidungsbaumlogik, optimiert diese jedoch durch die Lernerfahrung aus den einzelnen Iterationen, d. h. bei falscher Vorhersage werden die Faktoren entsprechend rekalibriert, um die Prognosequalität zu verbessern.

Abb. 5: Vergleich von klassischer logistischer Regression mit dem KI Verfahren XGBoost

Vergleicht man die typische Anwendung einer logistischen Regression mit der XGBoost Methodik, so kann festgestellt werden, dass die KI in einigen Faktoren eine ähnliche Faktorladung zuordnet wie die logistische Regression. Dennoch sind Abweichungen des Machine Learning Algorithmus von der logistischen Regression feststellbar, welche die Prognosequalität und damit Entscheidungsgüte verbessern können (s. Abb. 5). Anwendungsbeispiele zeigen auch den kooperativen Einsatz beider Modelle in einem Votierungsansatz, wodurch die Stärken des jeweiligen Modells genutzt werden können.

Durch die, trotz des BaFin Leitfadens[1], aktuell gegebene Unsicherheit in der Anwendung von KI, werden solche Verfahren in der originären Kreditentscheidung zurzeit nur selten angewendet. Es ist jedoch davon auszugehen, dass nach Klärung der regulatorischen Anforderungen KI auch in der Kreditentscheidung eine bedeutende Rolle spielen wird. Aktuelle am Markt befindliche Umsetzungsbeispiele können bereits bei der Überwachung des Kreditportfolios beobachtet werden.

Trotz smarter und automatisierter Möglichkeiten durch den Einsatz von KI ist die Adjustierung der Faktoren ebenso wie die vorhandene Datenqualität für das Prognoseergebnis von großer Bedeutung. Der Komponente Mensch kommt daher durch das gezielte Einbringen von Expertenwissen bei der Kalibrierung der Faktorladungen (Feature Importance) weiterhin eine Schlüsselrolle zu.

Die selektive Auswahl der geschäftsmodellspezifischen Optimierungsgrößen basiert auf dem Erfahrungsschatz der Mitarbeiter, welche auf diese Weise die Besonderheiten des Instituts in das Modell einfließen lassen. Diese sind durch Expertenwissen des Finanzinstituts einzubringen und entscheiden maßgeblich über die Güte des entwickelten KI-Modells und dessen Prognosefähigkeiten.

[1] Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, 2021.

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