Praxis-Beispiel

Benchmarking-Beispiel: Szenarioplanung nur Krisenmodus

Der Planungsprozess ist in einem der Unternehmen der Benchmarking-Runde Bottom-up aufgebaut und umfasst mehrere Monate. Er endet offiziell mit der Verabschiedung der Planung, die anschließend wenig bis keine Anpassungen mehr erlaubt. Mit Auftreten der Corona-Krise wurde die gerade abgeschlossene Planung obsolet und damit verworfen. Basierend auf "best-case" und "worst-case"-Szenarien wurde fortan die Planung laufend adaptiert. Diese Form der Planung wurde als Krisenmodus definiert; die Rückkehr zum etablierten Prozess wird angestrebt.

Eine weitere zentrale Ambidextrie, die die Arbeit von Controllern erschwert, ist das Aufsetzen eines sowohl stabilen als auch adaptiven Planungsprozesses (s. Abb. 5). Die Benchmarking-Studie hat gezeigt, dass der Status quo im Controlling bis zur Corona-Krise stark auf Stabilität ausgerichtet war. Obwohl die Umwelt schon über die letzten Jahre an Volatilität zunahm, hat sich das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung der Planungsprozesse erst mit der Krise manifestiert.

Abb. 5: Planungs-Ambidextrie – Planungsdimension 3: stabil und adaptiv

Wenn auch der Wunsch nach Veränderung groß ist, verfolgen noch immer viele Unternehmen in der Benchmarking-Studie einen langwierigen Planungsprozess, der offiziell "verabschiedet" und "abgeschlossen" wird. Ein Befragter erklärt das Problem dabei:

"Die Auswirkungen […] lassen sich jetzt nicht mehr in die Zahlen aufnehmen […] ich weiß jetzt schon, dass ich einen Teil des Geschäftsvolumens für 22 nicht mehr erreichen werde […] da kann ich aber auch nichts mehr dran ändern."

Um die Handlungsfähigkeit insbesondere in Krisenzeiten zu erhalten, muss man sich von solch starren Strukturen abwenden.[1] Manche Unternehmen sind deshalb dazu übergegangen, Anpassungen in der Planung basierend auf rollierenden Forecasts zu erlauben – meist pro Quartal. Allerdings sind nur wenige Unternehmen bereits an einem Punkt angekommen, an dem der Planungsprozess nicht abgeschlossen wird, sondern dauerhaft fortläuft und nach Bedarf basierend auf aktuellen Daten angepasst wird.

In diesem Zusammenhang gewinnen Simulationen und Predictive Analytics zunehmend an Bedeutung.[2] Sie gelten als "Leitplanken" für die Planung. Während nicht alle Unternehmen in der Benchmarking-Studie vor der Krise Szenarioanalysen durchgeführt haben, so sind doch alle in der Krise dazu übergegangen. Getrieben vom Controlling wurden Top-down Maßnahmen für relevante Szenarien abgeleitet. Diese ermöglichten mit der enormen Volatilität umzugehen.

Es zeigt sich, dass eine zunehmende Volatilität in der Umwelt die Stabilität der bestehenden Planungsprozesse aufbricht. Während ein gewisses Maß an Stabilität unumgänglich ist, ist spätestens mit der Krise klar geworden, dass ein höheres Maß an Adaptivität nötig ist, um eine sinnvolle Balance zu schaffen. Entsprechend empfehlenswert ist es, Tools zu implementieren, die einen flexiblen Planungsprozess zulassen.

[1] Schall, 2022, S. 39ff.
[2] Eiselmayer et al., 2017, S. 38f.

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