Der Begriff der Corporate Governance ist nicht eindeutig definiert. Autoren mit einem eher finanzwirtschaftlichen Hintergrund bevorzugen eine enge, an die Ziele der Investoren gekoppelte Definition: "Corporate Governance deals with ways in which suppliers of finance to corporations assure themselves of getting a return on their investment."[1] Einen sehr weit gefassten Corporate-Governance-Begriff, der explizit auch die Ziele weiterer Stakeholder beinhaltet, legt hingegen die OECD zugrunde: "Zweck der Corporate Governance ist es, zur Schaffung eines Umfelds von Vertrauen, Transparenz und Rechenschaftspflicht beizutragen, wie es nötig ist, um langfristige Investitionen, Finanzstabilität sowie Geschäftsintegrität zu fördern und so ein stärkeres Wachstum und eine inklusivere Gesellschaft möglich zu machen."[2] Geht man auf den etymologischen Ursprung des Begriffs zurück, setzt sich dieser aus dem lateinischen "corpus"=Körper sowie "guberno"= steuern/regieren, zusammen. Sinngemäß übersetzt erhält man so den Begriff "Unternehmensregierung", der dem im deutschsprachigen Raum verbreiteten Begriff der Unternehmensverfassung nahekommt. Die Analogie zum Regieren im staatlichen Bereich liegt auf der Hand. In repräsentativen Demokratien wird eine Regierung (der Agent) durch das Volk (den Prinzipal) zur Ausübung der Regierungsgewalt beauftragt. Bei der Corporate Governance haben wir ebenfalls eine zentrale Agenturbeziehung, die sich durch die Trennung von Eigentum und Kontrolle in Kapitalgesellschaften ergibt. Die Eigentümer (Aktionäre) bestimmen einen/mehrere Agenten, die in ihrem Auftrag die Geschäfte führen. Im Grunde geht es um zwei Hauptfragen:

  1. Wer soll für die Steuerung des Unternehmens verantwortlich sein und wer soll die Kontrolle darüber ausüben?
  2. In welchem Interesse soll gesteuert werden?
[1] Vgl. Shleifer/Vishny, 1997, S. 737.
[2] Vgl. OECD, 2015, S. 7.

2.1 Organisation des Führungs- und Kontrollsystems

Die erste Frage bezieht sich auf die Organisation des Führungs- und Kontrollsystems. Hier steht das weltweit vorherrschende einstufige System (One-Tier) dem deutschen zweistufigen System (Two-Tier) gegenüber. Letzteres sieht eine strikte Trennung von Führungs- und Kontrollaufgaben vor, die von zwei separaten Organen, dem Vorstand und dem Aufsichtsrat, wahrgenommen werden. Das aus dem angelsächsischen Bereich bekannte einstufige Modell fasst Führung und Kontrolle in einem Organ, dem Board of Directors, zusammen. Bei der zweiten Frage geht es darum zu klären, welche Interessen direkt im Entscheidungssystem berücksichtigt werden sollen und welche Interessen primär über Markttransfers ausgeglichen werden. Hier steht das Shareholdermodell dem Stakeholdermodell gegenüber. Eine alleinige Shareholderorientierung wird im amerikanischen System der Corporate Governance realisiert. Die Aktionäre sind als einzige Anspruchsgruppe (monistisches System) direkt in das Entscheidungssystem des Unternehmens integriert, indem sie die Board-Mitglieder wählen. Das dem deutschen System oft zugesprochene Stakeholdermodell reduziert sich bei genauem Hinsehen auf ein dualistisches Modell, indem nur zwei Anspruchsgruppen direkt beteiligt sind: Die Aktionäre und die Vertreter der Mitarbeiter wählen den Aufsichtsrat. Die Ansprüche weiterer Stakeholder werden auch hier, wie im amerikanischen Modell, vor allem über den Markt ausgeglichen.[1]

[1] Vgl. Thomson/Conyon, 2012.

2.2 Rechtliche Verankerung der Corporate Governance

Die Beantwortung der skizzierten Grundfragen der Corporate Governance sowie die daraus resultierenden Formen der konkreten Ausgestaltung nationaler Governance-Systeme unterscheiden sich international zum Teil erheblich. Gemeinsam ist jedoch den meisten Systemen der Corporate Governance, dass sie auf Gesetzen und sonstigen rechtlichen Regelungen beruhen, die sich dem direkten Einfluss des Managements entziehen. Im Klartext: Ein in Deutschland firmierendes Unternehmen mit der Rechtsform der Aktiengesellschaft hat nicht die Wahl, ob es eine Hauptversammlung einberufen, einen Aufsichtsrat wählen und einen Vorstand ernennen möchte. Diese Regelungen werden vom Gesetzgeber in Form des Aktiengesetzes oder der Mitbestimmungsgesetze vorgegeben. In den USA gibt es entsprechende Vorgaben durch die Incorporation Laws auf Ebene der Bundesstaaten oder übergeordnet durch die Bestimmungen der Security Exchange Commission. Ergänzend zu den gesetzlichen Regeln und teilweise mit diesen verknüpft, wurden in vielen Ländern Governance-Kodizes entwickelt, die Regelungen, Empfehlungen und Anregungen zur Schaffung einer "guten" Governance beinhalten.[1]

[1] Vgl. Soltani/Wald, 2018.

2.3 Compliance-Management

Compliance bedeutet die Übereinstimmung unternehmerischen Handelns mit allen geltenden Gesetzen, Regeln, Verhaltensleitlinien und Standards guten Handelns.[1] In den einschlägigen Gesetzen und Kodizes, z. B. im Sarbanes-Oxlex Act oder im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), wird die Compliance explizit als Aufgabe der Corporate Governance genannt. Das im Unternehmen geschaffene Compliance-Managementsystem muss Prozesse, Strukturen und Methoden beinhalten, die das rechtm...

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