Auch diese Aussage führt oft zu Widerständen, gerade bei Führungskräften, deren Aufgabe es ja gerade ist, andere Menschen zu führen. Wie passt das mit "jeder führt sich selbst" zusammen?

Führung versteht sich als direkte und indirekte Verhaltensbeeinflussung von Menschen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Die Art der Beeinflussung ist dabei breit gefächert und reicht von direkter Anordnung bis hin zu indirekten und systemischen Randbedingungen. Selbst eine direkte Anordnung ("Herr Müller, bringen Sie mir Akte X!") lässt dem Mitarbeiter immer noch den Freiraum (und damit auch die Verantwortung für sich selbst), dieser Anordnung Folge zu leisten oder nicht – oder auch, in welcher Form er die Anordnung befolgt. Je vielfältiger und anspruchsvoller die Tätigkeiten sind, desto größer ist der Freiraum und der Verantwortungsbereich bzw. Einfluss der Mitarbeiter. Und desto größer sind dementsprechend auch die Auswirkungen von Verhalten wie "Dienst nach Vorschrift". Um es pointiert zu formulieren: Weisungsbefugnis auszuüben und auf nebenwirkungsfreie Umsetzung zu hoffen, ist oft eher ein Akt der Verzweiflung.

Die Grundannahme "jeder führt sich selbst in voller Verantwortung" gesteht den Mitarbeitern den Freiraum zu, für sich selbst zu entscheiden, wie sie mit der jeweiligen Situation umgehen. Sie werden damit automatisch auch in die Verantwortung für ihr eigenes Verhalten genommen.

Das bedeutet natürlich nicht, dass Anarchie einziehen wird, im Gegenteil. Ein guter Ansatz ist es, wenn Führungskraft und Teammitglieder ein gemeinsames Verständnis entwickeln, welche Themen oder Arbeitsbereiche in welcher Delegationsstufe bearbeitet werden und damit Transparenz und Verantwortung bei allen Beteiligten stärken. Für eine konkrete Umsetzung bietet sich das Delegation Board[1] aus dem Ansatz Management 3.0 an.

Menschen haben typischerweise ein sehr gutes Gespür dafür, wie sie von ihrem Gegenüber gesehen werden. Selbst wenn die Führungskraft es nicht formal ausspricht, werden Projektmitarbeiter es spüren, ob sie persönlich bewertet und in ihrer Verantwortung beschnitten werden oder ob ihre Intentionen unabhängig von den Ergebnissen gewürdigt und sie in ihrer Verantwortung wahrgenommen werden.

Grundannahmen sind für Menschen und Organisationen das Phänomen, dass sich am nachhaltigsten (wenn auch nicht am schnellsten) auf Ergebnisse auswirkt.

Wie lassen sich existierende Grundannahmen verändern und neue implementieren? Der Schlüssel ist Reflexion und Bewusstsein. Den eigenen Grundannahmen auf die Schliche zu kommen ist keine leichte Aufgabe. Einige Fragestellungen:

  • Was bringt mich zu dieser Überzeugung? Woher weiß ich das?
  • Welche anderen Grundannahmen könnte es geben?
  • Was würde sich in dieser Situation verändern, wenn ich die o. g. Grundannahmen "jeder tut sein Bestes" und "jede führt sich selbst in voller Verantwortung" wirklich annehmen würde?
  • Wozu dient mir meine Überzeugung, was ist der Nutzen?
  • Wer wäre ich ohne die Grundannahme?
  • Was wäre, wenn genau das Gegenteil wahr wäre?

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