Entscheidungsstichwort (Thema)

Begutachtung der schriftlichen Steuerberaterprüfung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Begutachten i.S.d. § 24 Abs. 1 S. 1 DVStB umfaßt den Vorgang des Durchsehens und der Korrektur der schriftlichen Arbeiten mit dem Vorschlag der abschließenden Note, um dem Prüfungsausschuß eine Meinungsbildung zu ermöglichen. Daß die Gründe für die Notenvergabe jeweils in allen Einzelheiten niedergelegt werden, verlangt die Vorschrift nicht. Für die gutachterliche Tätigkeit des zweiten Prüfungsausschußmitgliedes ist grundsätzlich ausreichend, wenn er sich dem Ergebnis des Erstgutachters mit den Worten „einverstanden” anschließt.

2. Aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG läßt sich nicht herleiten, daß der Prüfungsausschuß an die in einer Musterlösung vorgegebenen Bewertungsvorschläge gebunden ist. Der Grundsatz der Chancengleichheit ist erst dann verletzt, wenn der Prüfungsausschuß während der Prüfung der Beschwerdeführerin von seiner ständigen Prüfungspraxis abweicht.

 

Normenkette

DVStB § 24 Abs. 1 S. 1, § 25 Abs. 5; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BFH (Urteil vom 20.12.1983; Aktenzeichen VII R 123/83; BFHE 140, 125)

 

Gründe

Es bestehen erhebliche Bedenken, ob die Verfassungsbeschwerde dem Subsidiaritätsgrundsatz des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG hinreichend Rechnung trägt. Zweck dieser Vorschrift ist es, die ordnungsgemäße Vorprüfung der Beschwerdepunkte durch die zuständigen Instanzen zu gewährleisten, dadurch das Bundesverfassungsgericht zu entlasten und für seine eigentliche Aufgabe des Verfassungsschutzes freizumachen. Deshalb ist dem Erfordernis der Erschöpfung des Rechtswegs im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG dann nicht genügt, wenn ein Vorbringen im Instanzenzug deshalb nicht nachgeprüft werden konnte, weil es nicht oder nicht in ordentlicher Form geltend gemacht war (vgl. BVerfGE 16, 124 ≪127≫). Ausweislich der vorgelegten Unterlagen hat die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Finanzgericht einen Verfahrensverstoß bei der Themenauswahl im Sinne des § 26 Abs. 5 DVStB nicht geltend gemacht. Was die Anforderungen an die Begutachtung der schriftlichen Arbeiten durch ein zweites Mitglied des Prüfungsausschusses im Sinne des § 24 Abs. 1 DVStB anlangt, so hat sie ihre Rügen zumindest nicht so präzisiert, wie dies nunmehr im Verfassungsbeschwerde-Verfahren der Fall ist.

Das mag jedoch dahinstehen, denn die Verfassungsbeschwerde bietet in der Sache jedenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die von der Beschwerdeführerin geforderte Handhabung bei der Themenauswahl ist weder vom Wortlaut des § 26 Abs. 5 DVStB noch sonst von Verfassungs wegen geboten. Auch soweit der Bundesfinanzhof zu dem Ergebnis gelangt ist, § 24 Abs. 1 Satz 1 DVStB verlange von den Prüfern nicht, ein Gutachten mit ausführlicher Begründung zu erstatten, ist dies von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Es kann in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Einzelgutachten lediglich als Bewertungsvorschläge zu verstehen sind, da die Note vom Prüfungsausschuß festgesetzt wird. Begutachten im Sinne der Vorschrift des § 24 Abs. 1 Satz 1 DVStB umfaßt deshalb in diesem Zusammenhang den Vorgang des Durchsehens und der Korrektur der schriftlichen Arbeiten mit dem Vorschlag der abschließenden Note, um dem Prüfungsausschuß eine Meinungsbildung zu ermöglichen. Daß die Gründe für die Notenvergabe jeweils in allen Einzelheiten niedergelegt werden, verlangt die Vorschrift nicht. Von daher ist es für die gutachterliche Tätigkeit des zweiten Prüfungsausschußmitgliedes grundsätzlich ausreichend, wenn er sich dem Ergebnis des Erstgutachters – hier der vorgeschlagenen Note – mit den Worten „einverstanden” anschließt. Aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG läßt sich auch nicht herleiten, daß der Prüfungsausschuß an die in einer Musterlösung vorgegebenen Bewertungsvorschläge gebunden ist. Vielmehr wäre der Grundsatz der Chancengleichheit erst dann verletzt, wenn der Prüfungsausschuß während der Prüfung der Beschwerdeführerin von seiner ständigen Prüfungspraxis abgewichen wäre. Von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist ferner, daß die Beschwerdeführerin vor ihrem mündlichen Vortrag zunächst vier Vorträge ihrer Mitbewerber mitanhören mußte.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1619406

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