Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an den Vorlagebeschluß. erhöhte Absetzung für Abnutzung im Wohnungbau im Saarland

 

Leitsatz (redaktionell)

Mangels Entscheidungserheblichkeit des zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegten § 52 Abs. 2 Steuereinführungsgesetz Saarland (Absetzbarkeit von Herstellungskosten für im Saarland errichtete Gebäude vor dessen Eingliederung in die BRD) ist die Vorlage unzulässig; § 52 Abs. 2 StEinfG ist nur ein Teil der Übergangsregelung, dessen Nichtigkeit im Hinblick auf § 52 Abs. 1 S. 1 StEinfG, in dem die Anwendbarkeit von § 7b EStG näher geregelt wird, es dem vorlegenden Gericht nicht ermöglichen würde, § 7b EStG im vorliegenden Fall uneingeschränkt anzuwenden.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1; BVerfGG § 80 Abs. 2; StEinfG SL § 52 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; WStGEV SL 2; WSTGEV SL 3; EStG §§ 7, 7b

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes (Vorlegungsbeschluss vom 05.11.1963; Aktenzeichen I 2/63)

 

Gründe

I.

Im Saarland wurden vor der wirtschaftlichen Eingliederung in die Bundesrepublik Deutschland zur Förderung des Wohnungsbaues Steuererleichterungen verschiedener Art gewährt. Für den Zeitraum vom 1. Januar 1954 bis zum 31. Dezember 1957 galt die Zweite Verordnung über Steuer- und Gebührenerleichterungen für den Wohnungsbau vom 12. November 1954 (ABl. S. 1367) – II. WStGEV – und für den Zeitraum vom 1. Januar 1958 bis zum Tag der wirtschaftlichen Eingliederung (6. Juli 1959) die Dritte Verordnung über Steuer- und Gebührenerleichterungen für den Wohnungsbau vom 6. März 1958 (ABl. S. 607) – III. WStGEV –. Nach diesen Vorschriften wurden – abweichend von § 7 b des Einkommensteuergesetzes – jeweils die im Veranlagungszeitraum entstandenen Baukosten steuerlich begünstigt; auf den Zeitpunkt der Errichtung, d. h. der Fertigstellung, des Gebäudes kam es nicht an. Die Steuererleichterung betrug drei vom Hundert der im Veranlagungszeitraum angefallenen Baukosten, wobei gewisse Höchstbeträge nicht überschritten werden durften.

Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Einführung des deutschen Rechts auf dem Gebiete der Steuern, Zölle und Finanzmonopole im Saarland vom 30. Juni 1959 – BGBl. I S. 339 – (im folgenden: StEinfG) trat im Saarland mit dem Ablauf der Übergangszeit nach Art. 3 des Saarvertrages vom 27. Oktober 1956 (BGBl. II S. 1587), also am 6. Juli 1959, das im übrigen Bundesgebiet geltende Steuerrecht, Zollrecht und das Recht der Finanzmonopole, über das der Bund die ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebung hat, in Kraft. Hinsichtlich der erhöhten Absetzungen für Wohngebäude nach § 7 b EStG bestimmt § 52 StEinfG folgendes:

(1) Die Vorschriften des § 7 b des Einkommensteuergesetzes sind erstmals auf im Saarland belegene Gebäude und Gebäudeteile anzuwenden, die nach dem Ablauf der Übergangszeit errichtet werden. Bei Gebäuden und Gebäudeteilen im Sinn des Satzes 1, mit deren Herstellung vor dem Eingliederungstag begonnen worden ist, ist für die Anwendung des § 7 b des Einkommensteuergesetzes Voraussetzung, daß der Steuerpflichtige Steuererleichterungen nach den §§ 1 bis 9 der Dritten Verordnung über Steuer- und Gebührenerleichterungen für den Wohnungsbau vom 6. März 1958 (Amtsblatt des Saarlandes S. 607) nicht in Anspruch genommen hat. Hat der Steuerpflichtige die bezeichneten Steuererleichterungen in Anspruch genommen, so steht dies der Anwendung des § 7 b des Einkommensteuergesetzes nicht entgegen, wenn auf seinen Antrag die in Anspruch genommenen Steuererleichterungen dadurch rückgängig gemacht werden, daß der in Deutsche Mark umgerechnete Betrag der gewährten Steuererleichterungen der Einkommensteuer hinzugerechnet wird, die sich für den Veranlagungszeitraum ergibt, für den § 7 b des Einkommensteuergesetzes erstmals in Anspruch genommen wird. Für die Umrechnung der gewährten Steuererleichterungen in Deutsche Mark gilt § 1 Abs. 3 entsprechend.

(2) Bei im Saarland belegenen Gebäuden und Gebäudeteilen, bei denen die Voraussetzungen des § 7 b des Einkommensteuergesetzes vorliegen und die nach dem 31. Dezember 1955 und bis zum Ablauf der Übergangszeit errichtet worden sind, können bis zum Ablauf von zehn Jahren seit Beginn des Jahres der Herstellung abweichend von § 7 des Einkommensteuergesetzes auf Antrag bis zu je 3 vom Hundert der nach § 1 Abs. 3 in Deutsche Mark umgerechneten Herstellungskosten abgesetzt werden. Nach Ablauf dieser zehn Jahre bemessen sich die Absetzungen für Abnutzung nach dem dann noch vorhandenen Restwert und der Restnutzungsdauer des Gebäudes.

II.

1. Der Berufungsführer des Ausgangsverfahrens ist Inhaber einer Gärtnerei und eines Einzelhandelsgeschäftes für Obst und Gemüse. Er errichtete im Saarland ein Wohnhaus, das am 1. August 1955 bezugsfertig war. Das Finanzamt gewährte ihm nach den saarländischen Vorschriften für seine Bauaufwendungen in den Jahren 1954 bis 1956 Steuererleichterungen bei der Veranlagung zur Einkommensteuer. Den Antrag des Berufungsführers auf Bewilligung der Steuervergünstigung nach § 52 Abs. 2 StEinfG für den Veranlagungszeitraum 1959/60 wies es mit Einkommensteuerbescheid vom 26. Oktober 1961 zurück, weil das Wohnhaus vor dem 1. Januar 1956 erstellt worden war. Mit seiner Berufung an das Finanzgericht stellte der Steuerpflichtige den Antrag, den Einkommensteuerbescheid insoweit abzuändern, als ihm die erhöhte Absetzung für Wohngebäude nach § 7 b EStG versagt worden sei.

Das Finanzgericht hat das Verfahren ausgesetzt und das Bundesverfassungsgericht um eine Entscheidung darüber gebeten, ob § 52 Abs. 2 StEinfG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Es hält den Antrag des Berufungsführers für begründet, wenn die Bestimmung ungültig ist. Der Bundesgesetzgeber habe die Vorschrift des § 7 b EStG jedenfalls von dem Zeitpunkt der Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik an ohne Einschränkung auf im Saarland belegene Gebäude saarländischer Steuerpflichtiger ausdehnen müssen. Es sei willkürlich, diesem Personenkreis die erhöhte Absetzung nach § 7 b EStG für vor dem 1. Januar 1956 errichtete Wohngebäude zu verweigern, den in den übrigen Teilen der Bundesrepublik wohnenden Steuerpflichtigen jedoch für die in derselben Zeit im Saarland erstellten Wohnhäuser diese Möglichkeit zu gewähren, solange der Begünstigungszeitraum im Einzelfalle nicht abgelaufen sei. Die saarländischen Steuerpflichtigen seien weiter dadurch benachteiligt, daß sie für die in der Zeit vom 1. Januar 1956 bis zum 5. Juli 1959 errichteten Gebäude lediglich drei vom Hundert jährlich absetzen dürften, während ihnen die Nachholung nicht ausgenutzter Absetzungen nach § 7 b Abs. 5 EStG verwehrt sei. Für diese Benachteiligungen sei kein sachlicher Grund ersichtlich.

2. Namens der Regierung des Saarlandes hat sich der Minister für Finanzen und Forsten geäußert. Er hält die Vorlage für unzulässig, weil es für die Entscheidung im finanzgerichtlichen Verfahren nicht auf die Gültigkeit des § 52 Abs. 2 StEinfG ankomme; im übrigen sei sie auch unbegründet.

Der Berufungsführer des Ausgangsverfahrens hält § 52 Abs. 2 StEinfG für verfassungswidrig; er tritt der Begründung des Vorlagebeschlusses bei.

III.

Die Vorlage ist unzulässig.

Bei der Beurteilung der Frage, ob es für die Entscheidung des vorlegenden Gerichts auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm ankommt, legt das Bundesverfassungsgericht die Rechtsauffassung dieses Gerichts zugrunde. Dies gilt nur dann nicht, wenn sich diese Auffassung als offensichtlich unhaltbar erweist (BVerfGE 10, 1 [3]; 22, 134 [147]). Hier ergibt die nähere Prüfung, daß § 52 Abs. 2 StEinfG für die Entscheidung über den Antrag des Berufungsführers des Ausgangsverfahrens nicht erheblich sein kann. Das Finanzgericht kann diesem Antrag weder bei Gültigkeit noch bei Ungültigkeit des § 52 Abs. 2 StEinfG entsprechen.

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts will der Berufungsführer erreichen, daß ihm für sein – vor dem 1. Januar 1956 errichtetes – Wohnhaus die erhöhte Absetzung nach § 7 b EStG gewährt werde. Das Gericht hält dieses Begehren für gerechtfertigt und meint, nur § 52 Abs. 2 StEinfG stehe ihm entgegen. Das ist nicht richtig. Zunächst ist es offensichtlich, daß die uneingeschränkte Nichtigkeit des § 52 Abs. 2 StEinfG, wie sie das Finanzgericht nach dem Wortlaut des Vorlagebeschlusses festgestellt sehen möchte, dem Anliegen des Berufungsführers nicht zum Erfolg verhelfen könnte. Die Vorschriften des § 7 b EStG sind nämlich nach § 52 Abs. 1 Satz 1 StEinfG erstmals auf die Gebäude anwendbar, die im Saarland nach dem Ablauf der Übergangszeit, also nach dem 5. Juli 1959, errichtet werden. Für die in einer kurzen Zeitspanne vorher errichteten Gebäude trifft § 52 Abs. 2 StEinfG eine Sonderregelung zugunsten der Steuerpflichtigen. Wäre diese ungültig, so könnte der Berufungsführer nach der Regel des Abs. 1 Satz 1 die Vergünstigung des § 7 b EStG erst recht nicht erhalten.

Die Vorlagefrage kann aber auch nicht dahin umgedeutet werden, das Finanzgericht erstrebe nur die Feststellung, daß der Ausschluß des Berufungsführers von der Vergünstigung des § 52 Abs. 2 StEinfG gegen den Gleichheitssatz verstoße, daß mit anderen Worten die Regelung in § 52 Abs. 2 insoweit verfassungswidrig sei, als sie den Berufungsführer nicht einbeziehe. Entschiede das Bundesverfassungsgericht in diesem Sinn, so wäre damit nur festgestellt, daß der Berufungsführer die Vergünstigung nach § 52 Abs. 2 StEinfG erhalten müßte. Das würde aber nicht dem entsprechen, was er nach den Feststellungen des Finanzgerichts erreichen will. Die Vergünstigung nach § 7 b EStG ging im Veranlagungszeitraum 1959/60 in mehrfacher Hinsicht weiter als die nach § 52 Abs. 2 StEinfG. Während nach § 7 b Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG in der Fassung vom 23. September 1958 (BGBl. I S. 672) im Jahre der Herstellung des Gebäudes und im darauffolgenden Jahr je zehn vom Hundert der Herstellungskosten und in den folgenden 10 Jahren jeweils bis zu drei vom Hundert der Herstellungskosten abgesetzt werden konnten, sind nach § 52 Abs. 2 StEinfG nur Absetzungen bis zu je drei vom Hundert der Herstellungskosten bis zum Ablauf von 10 Jahren seit Beginn der Herstellung des Gebäudes statthaft. Außerdem konnten nach § 7 b Abs. 5 Satz 1 EStG in der erwähnten Fassung Absetzungen, die im Herstellungsjahr des Gebäudes und in den folgenden Jahren nicht ausgenutzt worden waren, in der Weise auf das folgende Jahr übertragen werden, daß in den ersten vier Jahren bis zu insgesamt sechsundzwanzig vom Hundert der bis zum Ende des vierten Jahres aufgewendeten Herstellungskosten absetzbar waren. § 52 Abs. 2 StEinfG läßt dagegen, wie das Finanzgericht annimmt, seinem eindeutigen Wortlaut nach die Nachholung unausgenutzter Absetzungen nicht zu.

Die Umdeutung würde zudem dem Rechtsstandpunkt des vorlegenden Gerichts widersprechen. Das Finanzgericht erblickt, wie sich aus dem Zusammenhang seiner Darlegungen deutlich ergibt, den Verstoß gegen den Gleichheitssatz darin, daß dem Berufungsführer nach der geltenden Regelung die Vergünstigung des § 7 b EStG nicht voll und uneingeschränkt zuteil wird. Nur so lassen sich seine Ausführungen verstehen, mit denen es eine gleichheitswidrige Benachteiligung der saarländischen gegenüber den anderen Steuerpflichtigen aus der Bundesrepublik dartun will. Diese Benachteiligung sieht es darin, daß – abweichend von § 52 Abs. 2 StEinfG – § 7 b EStG auf alle im Saarland vor dem 1. Januar 1956 errichteten Wohngebäude nichtsaarländischer deutscher Steuerpflichtiger noch insoweit und so lange angewendet werden kann, als der Vergünstigungszeitraum im Einzelfall nicht abgelaufen ist, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Steuerpflichtige im Saarland die nach dem dortigen früheren Recht möglichen Steuererleichterungen bereits in Anspruch genommen hat. Auch der Hinweis auf die zur Ausführung des deutsch-niederländischen Ausgleichsvertrages vom 8. April 1960 (BGBl. 1963 II S. 458) in Nordrhein-Westfalen getroffene Regelung zeigt, daß das Gericht nur die uneingeschränkte Anwendung des § 7 b EStG auf den Fall des Berufungsführers als die dem Gleichheitssatz entsprechende Lösung ansehen würde.

Die Übergangsregelung in § 52 StEinfG ist eine Einheit, deren Einzelregelungen aufeinander abgestimmt sind. Sie wird von dem Grundsatz beherrscht, daß niemand die saarländischen und die bundesrechtlichen Steuervergünstigungen für den Wohnungsbau nebeneinander erhalten soll (vgl. die Amtl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks. III/1007 S. 31 f.). Dieser Grundsatz ist in § 52 Abs. 1 StEinfG uneingeschränkt durchgeführt. § 52 Abs. 2 StEinfG enthält eine zeitlich beschränkte Ausnahme, die auf den Wunsch des Gesetzgebers zurückzuführen ist, auch die unmittelbar vor der wirtschaftlichen Rückgliederung des Saarlandes errichteten Gebäude steuerlich zu begünstigen. Da die Rückgängigmachung der saarländischen Steuervergünstigungen bei diesen – schon vollendeten – Gebäuden jedoch nicht mehr durchführbar erschien, können hier ausnahmsweise die saarländischen und die bundesrechtlichen Steuererleichterungen nebeneinander gewährt werden; dafür erhält der Steuerpflichtige aber nicht die volle Vergünstigung des § 7 b EStG, sondern nur die eingeschränkte des § 52 Abs. 2 StEinfG. Diese Regelung erschien nur für eine kurze Zeitspanne vor der Rückgliederung vertretbar.

Aus dieser einheitlichen Konzeption der Übergangsregelung folgt, daß dem Berufungsführer des Ausgangsverfahrens die Vergünstigung des § 7 b EStG nur dann zuteil werden könnte, wenn nicht nur § 52 Abs. 2, sondern die gesamte Übergangsregelung, vor allem auch der Grundsatz des § 52 Abs. 1 Satz 1 StEinfG, aufgehoben oder doch wesentlich geändert würde. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der grundsätzlichen Regelung des § 52 Abs. 1 StEinfG hat sich das Gericht aber nicht geäußert; es hat auch eine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift nicht erbeten.

 

Fundstellen

BVerfGE, 146

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