Rz. 36

Ziel der qualitativen Analyse ist es, die verbalen Informationen in Anhang und Lagebericht auszuwerten.[1] Ausgangspunkt sind die Erläuterungen zu den einzelnen Bilanz- und GuV-/Gesamtergebnis-Positionen, wobei vor allem solche Positionen zu beachten sind, bei denen Ansatz- und Bewertungswahlrechte oder Einschätzungsspielräume bestehen. Kernstück der Analyse des abschlusspolitischen Instrumentariums sind die Angaben im Anhang, insbesondere über die Abschreibungs- und Bewertungsmethoden, eventuelle Methodenänderungen und ihre Auswirkungen auf den Jahresabschluss, die im Rahmen einer Unternehmensanalyse Hinweise darauf geben, ob die Abschlusspolitik des Unternehmens eher konservativ, d. h. tendenziell ergebnismindernd, oder progressiv, d. h. tendenziell ergebniserhöhend, angelegt ist.[2] Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Ausmaß der abschlusspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten wesentlich vom zugrunde liegenden Rechnungslegungssystem, z. B. wegen gegebener Wahlrechte, abhängt.

 

Rz. 37

Die konkrete Nutzung der Wahlrechte und Einschätzungsspielräume[3] kann in ein Auswertungsraster eingeordnet werden, das eine Überführung der qualitativen Informationen über semantische Modelle in skalierungsfähige Aussagen und quantitative Daten ermöglicht. Die Einordnung der einzelnen abschlusspolitischen Maßnahmen ergibt insgesamt als Resultat ein Profil der Bilanzpolitik des betrachteten Unternehmens,[4] was auch weitgehenden Signalwert hat. Nach der Eisberghypothese der Abschlusspolitik kann davon ausgegangen werden, dass über die extern nachvollziehbaren Ergebnisbeeinflussungen hinaus auch im Bereich der extern schwerer erkennbaren sachverhaltegestaltenden Möglichkeiten abschlusspolitisch stark agiert worden ist. Nach IFRS und auch nach HGB ergeben sich hierbei aufgrund des weitgehenden Fehlens von Wahlrechten abschlusspolitische Akzentsetzungen, vor allem in der Sachverhaltegestaltung. Damit fehlen in der aktuellen Gesetzeslage klare Signale für die Richtung der Bilanzpolitik, sodass in der quantitativen Analyse nach entsprechenden Indizien stärker gesucht werden muss. Ziel muss es aber bleiben, die qualitativen Daten über die Entwicklung von Schätzmethoden in quantitative Informationen zu überführen. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden die Analyse der erfolgs- und finanzwirtschaftlichen Lage des Unternehmens unter Einbeziehung sowohl der ausgewiesenen quantitativen Daten als auch der verbalen Erläuterungen im Anhang einer näheren Betrachtung unterzogen.

[1] Vgl. Küting/Weber, Die Bilanzanalyse, 11. Aufl. 2015, S. 41.
[2] Vgl. Lachnit/Müller, Bilanzanalyse, 2. Aufl. 2017, S. 73 ff.
[3] Vgl. zum bestehenden Potenzial "Bilanzpolitik im HGB-Jahresabschluss".
[4] Vgl. Lachnit/Ammann, Jahresabschlussanalyse, 2002, Rz. 55 ff.

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