Nach Auffassung des Befürworters der Aktivierung von Implementierungskosten scheidet die Aktivierung einer dem Servicemodell SaaS zugrunde liegenden Software – mangels wirtschaftlichen Eigentums an der genutzten Software selbst – zwar in der Regel aus. Ob es bei einer Nutzungsüberlassung im Servicemodell SaaS zum Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an einem eigenständigen Nutzungsrecht an der Software kommt oder ob ein schwebendes Geschäft vorliegt, für das der Grundsatz der Nichtbilanzierung gilt, sei jedoch im Einzelfall anhand der allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätze zu prüfen. Wird kein wirtschaftliches Eigentum an einem Nutzungsrecht erlangt, soll eine selbstständige Implementierung, deren Nutzung und Verwertung durch das Unternehmen vertraglich gesichert ist, für den Anwender einer Software einen greifbaren Wert haben. Die Ausgaben für die Implementierung seien danach Anschaffungskosten für einen selbstständigen Vermögensgegenstand im bilanzrechtlichen Sinn. Ein solches Verständnis des Vermögensgegenstandsbegriffs sei auch sachgerecht, da das Problem der fehlenden Verwertbarkeit des wirtschaftlichen Werts von Implementierungskosten gegenüber Dritten unabhängig davon besteht, ob wirtschaftliches Eigentum an der implementierten Software besteht oder nicht. Die andere Ansicht verkenne, dass die handelsrechtliche Bilanzierung die wirtschaftliche Realität abzubilden hat, die im Laufe der fortschreitenden Digitalisierung neue Sachverhalte schafft. So müsse sich das bilanzrechtliche Verständnis des Vermögensgegenstandsbegriffs daran messen lassen, ob es unter Berücksichtigung dieser Entwicklungen auch weiterhin in der Lage ist, neu auftretende Lebenssachverhalte in adäquater Weise in der handelsrechtlichen Rechnungslegung abzubilden. Dies sei mit dem herrschenden Verständnis eines Vermögensgegenstandes als Schuldendeckungsmasse nach den Grundsätzen der Fortführungsstatik auch möglich. Im Ergebnis seien Implementierungskosten für eine Software, die in dem Servicemodell SaaS genutzt wird, beim Anwender zu aktivieren und über die vereinbarte Grundlaufzeit des SaaS-Vertrags abzuschreiben.

Nach der Auffassung des Befürworters einer aufwandswirksamen Erfassung von Implementierungskosten scheidet eine Aktivierung der Implementierungskosten als selbstständiger immaterieller Vermögensgegenstand aus. Dies gilt umso mehr, als die Implementierung ohne das Nutzungsrecht an der Software wertlos ist. Zwar habe der Anwender Kontrolle über das Nutzungsrecht an der Software. Da das Nutzungsrecht an der Software aber nicht aktiviert werden kann, gelte: Ohne Anschaffungs-(haupt-)kosten gibt es keine Anschaffungsnebenkosten. Die andere Ansicht stehe nicht auf dem Boden des geltenden Bilanzrechts, sondern entwickele den Begriff des Vermögensgegenstands im Lichte der fortschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft und unter dem Deckmantel einer (verfehlten) "Analogie zu Mietereinbauten" realiter (und bedenklich) fort. Im Ergebnis seien Implementierungskosten für eine Software, die in dem Servicemodell SaaS genutzt wird, beim Anwender als laufender Aufwand zu verrechnen.

Diesem letzten Befund ist u. E. beizupflichten.

 
Hinweis

Mit rkr. Urteil des FG München vom 4.2.2021 wird eine Aktivierung von Implementierungskosten als Wirtschaftsgut abgelehnt; vielmehr sei eine sofortige aufwandswirksame Erfassung geboten. Das Urteil, welches im Anwendungsbereich des Maßgeblichkeitsgrundsatzes des § 5 Abs. 1 EStG i. V. m. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB ergangen ist, ist auch handelsrechtlich zu beachten.

 

Literaturtipps

Deubert/Lewe, Bilanzierung von Software beim Anwender nach HGB – Besonderheiten bei Cloud-Lösungen, BB 2019, S. 811 ff.

Gerlach/Oser, Handelsrechtliche Behandlung von Implementierungskosten bei SaaS-Verträgen im Rahmen von Cloud Computing, DB 2019, S. 1969 ff.

Roos, Cloud-Lösungen zur Nutzungsüberlassung von Softwareprodukten – Bilanzielle Behandlung im handelsrechtlichen Jahresabschluss, StuB 2020, S. 101 ff.

Oser/Gerlach, Bilanzierung bei Cloud Computing – Zur verfehlten Analogie des Customizings zu Mietereinbauten, zugleich Replik zu Roos, StuB 2020 S. 101, StuB 2020, S. 263 ff.

Abele, Aktivierung von Nutzungsrechten an Software, BB 2021, S. 1263 ff.

Oser/Kliem, Handelsrechtliche Bilanzierung von Implementierungskosten bei Cloud Computing beim

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