Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Beschwer im Wohnungsbau-Prämienverfahren.

Eine Feststellungsklage, mit der die Feststellung der Nichtigkeit eines Prämienbescheids begehrt wird, um den Abzug der Bausparkassenbeiträge als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 EStG beanspruchen zu können, ist unzulässig. Die Frage, ob der Steuerpflichtige durch den Antrag auf Wohnungsbau-Prämie das Wahlrecht aus § 8 WoPG wirksam ausgeübt hat, muß im Einkommensteuerverfahren entschieden werden.

 

Normenkette

AO §§ 288, 232, 229, 231; WoPG § 4 Abs. 4, § 8; EStG § 10 Abs. 1, § 10/4

 

Tatbestand

Der Bf. und seine Ehefrau haben in den Jahren 1959 und 1960 zwei Bausparverträge geschlossen und darauf im Streitjahr 1961 7.146,33 DM eingezahlt, und zwar der Ehemann 3.101,33 DM und seine Ehefrau 4.045,-- DM. Für diese Sparbeiträge beantragte der Bf. am 16. Januar 1962 die Gewährung einer Wohnungsbau-Prämie, die ihm das Finanzamt am 10. Mai 1962 auch gewährte. Am 13. September 1962 erklärte der Bf., er habe sich bei Abgabe seines Antrags auf die Wohnungsbau-Prämie geirrt; er habe den Sonderausgabenabzug in Anspruch nehmen wollen; er fechte seine Erklärung vom 16. Januar 1962 an. Das Finanzamt bestätigte mit dem dem gegenwärtigen Verfahren zugrunde liegenden Bescheid vom 25. Februar 1963 die formlose Gewährung der Wohnungsbau-Prämie vom 10. Mai 1962. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1961 ließ es die Sparbeiträge nicht als Sonderausgaben zum Abzug zu, weil der Bf. das Wahlrecht des § 8 Abs. 1 des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (WoPG) 1960 durch den Antrag auf die Wohnungsbau-Prämie wirksam ausgeübt habe. Das Finanzamt erließ aber den Einkommensteuerbescheid nur vorläufig, weil der Bf. gegen den Bescheid des Finanzamts vom 25. Februar 1963 Berufung eingelegt hatte.

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück und führte aus: Gemäß § 8 Abs. 1 WoPG 1960 könnten Berechtigte wählen, ob sie den Abzug der Bausparkassenbeiträge als Sonderausgaben im Einkommensteuerverfahren oder eine Wohnungsbau-Prämie beanspruchen wollten. Eine änderung der getroffenen Wahl sei nach § 8 Abs. 2 Halbsatz 2 WoPG 1960 unzulässig. Der Bf. habe einen Antrag auf Wohnungsbau-Prämie gestellt. Er habe seine Erklärung auch nicht wirksam gemäß § 119 BGB anfechten können. Es könne dahingestellt bleiben, ob im öffentlichen Recht Erklärungen gegenüber einer Behörde wegen Irrtums überhaupt angefochten werden könnten; denn jedenfalls sei eine änderung der einmal getroffenen Wahl im Streitfall gemäß § 8 Abs. 2 WoPG 1960 ausdrücklich ausgeschlossen. Es sei auch nicht unbillig, den Bf. an seiner Erklärung festzuhalten. Er sei wie jeder Bausparer von seiner Bausparkasse und durch Merkblätter über sein Wahlrecht und die damit verbundenen Rechtsfolgen belehrt worden. Im übrigen habe sich der Bf. auch nicht über den Prämienantrag selbst, sondern nur über die Rechtsfolgen seiner Erklärung geirrt.

Mit der Rb. rügt der Bf. unrichtige Anwendung des § 8 WoPG 1960. Er hält die Anfechtung seines Prämienantrags für wirksam. Er meint, im übrigen hätte ihn das Finanzamt darauf hinweisen müssen, daß er bei der Wahl der Wohnungsbau-Prämie schlechter fahre, als wenn er den Sonderausgabenabzug wähle.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung:

Wohnungsbau-Prämienbescheide können gemäß § 4 Abs. 4 WoPG 1960 im Verfahren nach §§ 228 ff. AO angefochten werden. Eine Sachentscheidung kann gemäß § 232 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 AO aber nur ergehen, wenn der Steuerpflichtige durch den angegriffenen Bescheid beschwert ist. Das ist hier nicht der Fall. Der Bf. wendet sich nicht gegen die Versagung oder eine zu niedrige Festsetzung der Wohnungsbau-Prämie; er will im Gegenteil die erhaltene Wohnungsbau-Prämie zurückzahlen. Er ist also durch die Gewährung der Wohnungsbau-Prämie nicht beschwert. Darauf, daß die Gewährung der Wohnungsbau-Prämie gemäß § 8 WoPG 1960 den Sonderausgabenabzug ausschließt, kommt es nicht an. Die Frage, ob Bausparkassenbeiträge als Sonderausgaben abgezogen werden können, ist im Einkommensteuerverfahren zu entscheiden, nicht im Wohnungsbau-Prämienverfahren. Bei der Entscheidung im Einkommensteuerverfahren ist dann zu prüfen, ob der Sonderausgabenabzug an der vorher antragsgemäß bewilligten Wohnungsbau-Prämie scheitert. Der gegenteiligen Auffassung von Grimm (Kommentar zum Wohnungsbau-Prämiengesetz S. 95) tritt der Senat nicht bei. Der Bf. begehrt sachlich die Feststellung, daß die Wohnungsbau-Prämie nicht gewährt werden konnte. Wie der Senat im Urteil VI 124/59 U vom 13. November 1959 (BStBl 1960 III S. 108, Slg. Bd. 70 S. 290) noch ausgeführt hat, kennt das Steuerverfahren keine allgemeine Feststellungsklage. Eine Feststellungsklage ist nur zulässig, soweit das Gesetz in Einzelfällen, z. B. in §§ 125, 235 Ziff. 6 AO für den Abrechnungsbescheid, eine Ausnahme vorsieht (vgl. auch die Urteile des Bundesfinanzhofs II 58/59 U vom 26. April 1961, BStBl 1961 III S. 294, Slg. Bd. 73 S. 73 und II 109/61 vom 18. April 1962, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1962 S. 242). Ein Feststellungsverfahren über die Nichtigkeit eines erteilten Prämienbescheids kennen aber weder die AO noch das WoPG.

Die Vorentscheidung, die also eine im Gesetz nicht vorgesehene Feststellungsentscheidung getroffen hat, muß deshalb ersatzlos aufgehoben werden. Das Finanzamt muß im Einkommensteuerverfahren entscheiden, ob der Bf. die gezahlten Bausparkassenbeiträge als Sonderausgaben absetzen kann. Dabei hat es die neue Rechtsprechung des Senats in dem Grundsatzurteil VI 109/65 S vom 4. Mai 1965 (BStBl 1965 III S. 509) zu berücksichtigen. Dabei kann es von Bedeutung sein, daß beide Eheleute Bausparverträge geschlossen haben und darum ihr Wahlrecht gemäß § 8 WoPG 1960 nur gemeinsam ausüben konnten. Sollte das Finanzamt zu dem Ergebnis kommen, daß die Eheleute nicht gemeinsam den Antrag auf Wohnungsbau-Prämie gestellt haben, so ist ihnen der Sonderausgabenabzug zu gewähren, sofern sie diese Vergünstigung gemeinsam beantragen und sich entsprechend § 94 AO dazu bereit erklären, die gutgebrachte Wohnungsbau-Prämie von 400 DM wieder zurückzuzahlen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411702

BStBl III 1965, 524

BFHE 1966, 68

BFHE 83, 68

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