Leitsatz (amtlich)

Werden Bausparbeiträge bei der Veranlagung zur Einkommensteuer nicht als Sonderausgaben geltend gemacht und demgemäß auch nicht berücksichtigt, so ist in einem früher gestellten Antrag des Steuerpflichtigen, wegen der Bausparbeiträge auf der Lohnsteuerkarte einen Freibetrag einzutragen, auch dann keine den Steuerpflichtigen bindende Ausübung des Wahlrechts zu sehen, wenn das FA dem Antrag entsprochen und einen Freibetrag eingetragen hatte.

 

Normenkette

EStG 1969 § 10 Abs. 4, § 52 Abs. 16; WoPG 1969: § 2 Abs. 4, § 10 Abs. 4; WoPG 1960: § 8

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat z. T. zusammen mit seiner Ehefrau auf Bausparverträge, die er in den Jahren 1964 und 1970 abgeschlossen hatte, in den Streitjahren folgende Einzahlungen geleistet: auf den Vertrag aus 1964: in 1969 1 969,66 DM, davon steuerfreie vermögenswirksame Leistungen 624 DM; in 1970 3 286 DM, davon steuerfreie vermögenswirksame Leistungen 1 248 DM; auf den Vertrag aus 1970 in 1970 480 DM. Am 21. November 1968 und am 6. November 1969 hat der Kläger bei dem Beklagten und Revisionskläger (FA) beantragt, Bausparbeiträge, die in den Jahren 1969 und 1970 zu leisten waren, jeweils als steuerfreie Beträge auf seinen Lohnsteuerkarten 1969 und 1970 einzutragen. Das FA hat dem für beide Jahre teilweise entsprochen.

In dem für 1969 beantragten Lohnsteuer-Jahresausgleich und in der Einkommensteuererklärung für 1970 haben der Kläger und seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau die in den Streitjahren geleisteten Bausparbeiträge steuerlich nicht mehr geltend gemacht. In den für beide Streitjahre durchgeführten Veranlagungen zur Einkommensteuer wurden dementsprechend Bausparbeiträge nicht als Sonderausgaben berücksichtigt; die Veranlagungen sind rechtskräftig.

Am 16. Februar 1970 und am 25. Februar 1971 haben der Kläger bzw. die Eheleute die Gewährung von Wohnungsbau-Prämien für 1969 und 1970 beantragt. Das FA hat für 1969 492,50 DM und für 1970 auf den Vertrag aus 1964 635,80 DM und auf den Vertrag aus 1970 76,20 DM bewilligt. Mit Bescheid vom 18. Oktober 1970 hat das FA diese Prämien unter Hinweis auf das Kumulationsverbot in § 10 Abs. 4 EStG zurückgefordert.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte im wesentlichen Erfolg. Das FG hob den Bescheid des FA auf, soweit darin Wohnungsbau-Prämien auf den Vertrag aus 1964 zurückgefordert wurden. Es führte u. a. aus: Das FA habe übersehen, daß nach § 52 Abs. 16 EStG 1969 § 10 Abs. 4 EStG 1969 nicht anzuwenden sei, wenn die Bausparbeiträge aufgrund von vor dem 9. Dezember 1966 abgeschlossenen Verträgen geleistet wurden. Für die Bausparbeiträge auf den im Jahr 1964 abgeschlossenen Vertrag finde das Kumulationsverbot daher keine Anwendung. Demnach hätte nur die auf den 1970 abgeschlossenen Vertrag gewährte Prämie in Höhe von 76,20 DM nicht bewilligt werden dürfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Dem FA ist darin zuzustimmen, daß aufgrund der Übergangsvorschrift in § 52 Abs. 16 EStG 1969 (§ 10 Abs. 4 WoPG 1969) auf die im Jahre 1969 geleisteten Bausparbeiträge zwar nicht das Kumulationsverbot in § 10 Abs. 4 EStG (§ 2 Abs. 4 WoPG 1969), wohl aber das in § 8 Abs. 1 WoPG 1960 anzuwenden ist; denn die in 1969 geleisteten Bausparbeiträge sind auf einen vor dem 9. Dezember 1966 abgeschlossenen Bausparvertrag, nämlich den im Jahr 1964 abgeschlossenen Vertrag des Klägers geleistet worden.

Entgegen der Auffassung des FG und abweichend von der Auffassung des FA muß aber auf die im Jahr 1970 geleisteten Bausparbeiträge das Kumulationsverbot des § 10 Abs. 4 EStG 1969 (§ 2 Abs. 4 WoPG 1969) angewendet werden. Die Übergangsvorschrift in § 52 Abs. 16 EStG 1969 schreibt in Satz 2 Nr. 1 (entsprechend § 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 WoPG 1969) ausdrücklich vor, daß § 10 Abs. 4 EStG 1969 (§ 2 Abs. 4 WoPG 1969) dann anzuwenden ist, wenn der Steuerpflichtige einen Sonderausgabenabzug für nach dem 31. Dezember 1966 aufgrund von nach dem 8. Dezember 1966 abgeschlossenen Verträgen geleistete Beiträge an Bausparkassen beantragt hat. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall dadurch erfüllt, daß der Kläger außer auf den im Jahr 1964 abgeschlossenen Vertrag auch auf den im Jahr 1970 abgeschlossenen Vertrag Bausparbeiträge geleistet hat. Das Kumulationsverbot in § 10 Abs. 4 EStG 1969 (§ 2 Abs. 4 WoPG 1969) gilt deshalb für die auf beide Verträge geleisteten Beiträge.

Sowohl bei Anwendung des § 8 Abs. 1 WoPG 1960 als auch bei Anwendung des § 10 Abs. 4 EStG 1969 (§ 2 Abs. 4 WoPG 1969) muß indessen beachtet werden, daß ein wirksamer Antrag, mit dem eine Ausübung des Wahlrechts verbunden wäre, dann nicht vorliegt, wenn der Antrag zu keiner Vergünstigung geführt hat (vgl. die Urteile des Senats vom 21. Oktober 1960 VI 199/60 U, BFHE 71, 623, BStBl III 1960, 482; vom 4. Mai 1965 VI 296/64 U, BFHE 83, 29, BStBl III 1965, 511, und vom 25. Mai 1973 VI R 59/72, BFHE 109, 249, BStBl II 1973, 585). Der Senat hat diesen Rechtsgrundsatz zunächst für den Fall aufgestellt, daß sich ein Antrag auf Sonderausgabenvergünstigung aus Gründen, die der Antragsteller nicht selbst gesetzt hatte, bei der Besteuerung nicht auswirken konnte (z. B. weil die Einkommensteuerveranlagung auch ohne Berücksichtigung der Bausparbeiträge zu einer Einkommensteuer von 0 DM führte, Urteil VI 199/60 U - oder, wie in einer Verwaltungsanweisung -, DB 1956, 954 angenommen, weil die Bausparbeiträge nicht über den Sonderausgaben-Pauschbetrag hinausgingen). Im Urteil vom 18. August 1972 VI 320/70 (BFHE 107, 335, BStBl II 1973, 90) hat der Senat diesen Grundsatz dann auch angewandt, weil der Antragsteller selbst verhindert hatte, daß sein Antrag Auswirkungen zeitigen konnte. In diesem Falle hatte der Antragsteller nach Stellung des Antrags auf Gewährung einer Sparprämie dadurch, daß er sich das Barkapital vorzeitig zurückzahlen ließ, einen Tatbestand verwirklicht, bei dem das FA zur Rückforderung einer bereits gewährten Sparprämie verpflichtet gewesen wäre. Entsprechend diesem vom Senat entwickelten Grundsatz muß auch für den Streitfall davon ausgegangen werden, daß ein Antrag auf Eintragung von Bausparbeiträgen als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte dann nicht zu einer Vergünstigung geführt hat, wenn dem Antrag zwar ganz oder teilweise stattgegeben wurde, aber die Bausparbeiträge bei der Veranlagung des Steuerpflichtigen zur Einkommensteuer endgültig nicht als Sonderausgaben berücksichtigt werden.

Die Tatsache allein, daß aufgrund der Eintragung des Freibetrags zunächst eine niedrigere Lohnsteuer einbehalten wird, rechtfertigt nicht die Annahme, daß die Eintragung im Sinne der vorerörterten Grundsätze zu einer Vergünstigung geführt hat. Die mit der Geltendmachung als Sonderausgabe verbundene Vergünstigung ist die Ermäßigung der endgültigen Einkommensteuer. Hierüber wird bei veranlagten Steuerpflichtigen erst bei Durchführung der Veranlagung endgültig entschieden. Wird nach erfolgter Berücksichtigung von Bausparbeiträgen als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte der Sonderausgabenabzug bei der Veranlagung nicht mehr geltend gemacht, so erhält der Steuerpflichtige im endgültigen Ergebnis keine Steuerermäßigung. Dies würde, wie der Senat bereits in dem Urteil VI 199/60 U hervorgehoben hat, dem Sinn und Zweck der Vergünstigungsvorschriften widersprechen, dem Prämienberechtigten jedenfalls eine der möglichen Vergünstigungen zu gewähren.

Mit dieser Entscheidung gibt der Senat nicht seine Rechtsprechung zu § 8 WoPG 1960 auf, nach der ein Steuerpflichtiger grundsätzlich an einen Antrag auf Eintragung eines steuerfreien Betrags in seine Lohnsteuerkarte gebunden bleibt. Er übersieht auch nicht, daß nach § 10 Abs. 4 letzter Satz EStG 1969 als bindender Antrag auch ein entsprechender Antrag auf Eintragung eines steuerfreien Betrags auf der Lohnsteuerkarte gilt. Diese Bindung behält ihre Bedeutung in den Fällen, in denen die Berücksichtigung von Bausparbeiträgen im (vorläufigen) Lohnsteuereinbehaltungsverfahren bei der nachfolgenden Einkommensteuerveranlagung endgültig beibehalten wird. In diesen Fällen bestimmt der Antrag auf Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte zugleich auch den Zeitpunkt, zu dem das Wahlrecht zugunsten des Sonderausgabenabzugs ausgeübt worden ist. Unberührt hiervon bleiben indessen die Fälle, in denen, wie ausgeführt, eine endgültige Auswirkung nicht eintritt.

Der Entscheidung des FG war hiernach im Ergebnis insoweit beizutreten, als sie den Rückforderungsbescheid des FA aufgehoben hat. Soweit das FG den Bescheid nicht aufgehoben hat, war der Senat an einer Entscheidung gehindert, weil der Kläger keine Revision eingelegt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70777

BStBl II 1974, 216

BFHE 1974, 201

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