Leitsatz (amtlich)

Bei der Anwendung des § 10 Abs. 4 EStG 1967 (sog. "großes" Kumulierungsverbot) ist hinsichtlich der Ausübung, der Wirksamkeit und des Zeitpunkts der Wahl sowie hinsichtlich der bei Höchstbetragsgemeinschaften zwischen Ehegatten zu beachtenden Besonderheiten von den Grundsätzen auszugehen, die der Senat zur Auslegung des § 8 WoPG 1960 herausgestellt hat.

 

Normenkette

EStG 1967 § 10 Abs. 4; WoPG 1960 § 8; SparPG 1967 § 2 Abs. 1-2, § 3 Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Die inzwischen verstorbenen Eltern der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), die deren Rechtsnachfolgerin ist und das noch von ihren Eltern eingeleitete Klageverfahren weiterführt, machten für das Streitjahr 1968 Bausparleistungen von 4 406 DM als Sonderausgaben geltend. Die Einkommensteuererklärung ging am 2. Juni 1969 beim Beklagten und Revisionskläger (FA) ein. Das FA erkannte die Bausparleistungen unter Hinweis auf das Kumulierungsverbot nicht als Sonderausgaben an. Der Vater der Klägerin hatte nämlich für seinen Allgemeinen Sparvertrag bei der X-Bank bereits am 18. Februar 1969 einen Antrag auf Gewährung einer Sparprämie gestellt. Die auf der Rückseite des Antrags formularmäßig vorgesehene Frage nach der Leistung weiterer Sparund Bausparbeiträge hatte er dahin beantwortet, daß er am 8. Oktober 1968 bei der Bausparkasse Y einen Bausparvertrag abgeschlossen habe und für seine Sparleistungen aus diesem Bausparvertrag Sonderausgabenabzug oder Wohnungsbau-Prämie begehre. Das FA hat dem Antrag auf Prämiengewährung mit Verfügung vom 23. Februar 1970 durch Gewährung einer Sparprämie von 62,40 DM entsprochen. Der Einkommensteuerbescheid erging am 28. April 1970.

Die Sprungklage gegen den Einkommensteuerbescheid hatte Erfolg. Das FG erkannte den Sonderausgabenabzug an und setzte die Einkommensteuer entsprechend herab. Zur Begründung führte es aus: Voraussetzung für den Eintritt der Bindung des Antragstellers bei Ausübung des Wahlrechts nach § 10 Abs. 4 EStG sei, daß die Wahl der Sparprämie hinreichend deutlich und bestimmt getroffen worden sei. Der Vater der Klägerin habe zwar das Antragsformular auf Gewährung einer Sparprämie für das Streitjahr ausgefüllt. Er habe aber gleichzeitig in seinen Angaben zum Wahlrecht unter Ziffer IV des Antragsformulars zu erkennen gegeben, daß er Leistungen auf einen Bausparvertrag erbracht habe und die Begünstigung dieser Aufwendungen nach § 10 EStG oder aber nach den Bestimmungen des WoPG begehre. Er habe die Frage, ob eine Prämie oder der Sonderausgabenabzug für die Sparleistungen auf den Bausparvertrag beantragt worden sei, mit "ja" beantwortet. Damit sei im Zeitpunkt der Weiterleitung und Bearbeitung des Prämienantragsformulars unklar geblieben, welcher Begünstigung der Vater der Klägerin den Vorrang habe geben wollen.

Die Fragen in dem Antragsformular auf Gewährung einer Sparprämie sollten zwar eine doppelte Antragstellung und eine mehrfache Begünstigung des Antragstellers vermeiden helfen. Sie hätten aber gleichzeitig zur Folge, daß die Wahl einer bestimmten Vergünstigung noch nicht angenommen werden könne, wenn der Antragsteller in dem Formular zu erkennen gebe, daß er entgegen den gesetzlichen Möglichkeiten mehrere Vergünstigungen erstrebe. So lägen die Tatsachen im Streitfall. Durch die Angaben in dem Antragsformular auf Gewährung einer Sparprämie sei keine eindeutige Wahl der Sparprämie getroffen worden. Deshalb könnten die Eltern der Klägerin durch die Abgabe des Antragsformulars nicht an eine Wahl der Sparprämie gebunden sein. Sie seien folglich bei Abgabe der Einkommensteuererklärung noch in der Lage gewesen, den Sonderausgabenabzug zu wählen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10 Abs. 4 EStG, § 1 Abs. 4 Nr. 3 Sätze 3 und 4 SparPG. Außerdem rügt es Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten. Es trägt u. a. vor: Würden Anträge gestellt, denen nicht nebeneinander entsprochen werden könne, so komme es auf die zeitliche Reihenfolge an; nur dem erstgestellten Antrag dürfe stattgegeben werden. Aus dem Gesamtinhalt des Antragsformulars zur Sparprämie ergebe sich hinreichend deutlich und bestimmt, daß der Antragsteller eine Sparprämie beantragt habe. Allenfalls könne man dem Antrag entnehmen, daß der Antragsteller rechtsirrig mehrere Begünstigungen nebeneinander habe begehren wollen. Bei der Eindeutigkeit des Antrags habe aber lediglich Anlaß zur Prüfung bestanden, ob vor dem Antrag auf Sparprämie bereits zeitlich früher ein Antrag auf Wohnungsbau-Prämie oder auf Sonderausgabenabzug gestellt worden sei. Ein möglicher Irrtum des Antragstellers sei allenfalls ein Irrtum über die Rechtslage und/oder über die steuerlichen Folgen seiner Antragstellung. Ein solcher Irrtum bilde keinen Anfechtungsgrund (vgl. Entscheidung des BFH vom 4. Mai 1965 VI 296/64 U, BFHE 83, 29, BStBl III 1965, 511). Der Sonderausgabenabzug könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zugebilligt werden. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten liege darin, daß das FG feststelle, der Antragsteller habe sowohl die Sparprämie als auch den Sonderausgabenabzug bereits im Zeitpunkt der Abgabe des Sparprämienantrages beantragt. Tatsächlich heiße es in dem Sparprämienantrag: "Wohnungsbauprämie oder Sonderausgabenabzug ist beantragt worden." Wenn diese Angabe auch inhaltlich unrichtig sei (im Zeitpunkt der Abgabe des Sparprämienantrages sei weder ein Antrag auf Wohnungsbau-Prämie noch ein Antrag auf Sonderausgabenabzug von Bausparbeiträgen gestellt gewesen), so könne dieser Umstand den Erklärungswert "ist beantragt worden" nicht in sein Gegenteil "wird beantragt werden" oder "wird hiermit beantragt" verkehren.

Das FA beantragt Aufhebung des Urteils des FG und Abweisung der Klage, hilfsweise Zurückverweisung an das FG.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision und trägt insbesondere vor: Das FA habe bei der Bearbeitung des Sparprämienantrags, der zweifelsohne nach der äußeren Form des Vordrucks einen Prämienantrag darstelle, die erforderliche, zumutbare und sich aufdrängende Amtsermittlungs- bzw. Erforschungspflicht verletzt. Wenn eine Erklärung in einem Fragebogen mit einer späteren Erklärung in demselben Fragebogen in einem objektiven Widerspruch stehe, sei nach dem Amtsermittlungsprinzip dieser erkennbare Widerspruch zu beseitigen. Die Verpflichtung zur intensiven Sachverhaltsklärung greife insbesondere dann ein, wenn es sich um eine rechtlich schwierige Materie handle. Das sei beim Prämienrecht der Fall, weil die Vorschriften über mögliche Kumulierungen und Kumulierungsverbote ständig geändert worden seien. Allgemein gültige Verwaltungsgrundsätze könnten nicht mit dem Argument über Bord geworfen werden, sie verursachten eine zu starke Belastung der Verwaltung. Es liege hiernach eine objektiv mehrdeutige Erklärung vor, die auslegungsbedürftig sei. Das FA hätte jedenfalls auf Grund des ausgefüllten Antrags keine Prämie gewähren dürfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

Auszugehen ist mit dem FG von § 10 Abs. 4 EStG 1967, der u. a. bestimmt: "Hat der Steuerpflichtige oder eine Person, mit der ihm gemeinsam der Höchstbetrag des § 2 Abs. 2 SparPG oder des § 3 Abs. 2 WoPG zusteht, eine Prämie nach dem Spar-Prämiengesetz oder nach dem Wohnungsbau-Prämiengesetz beantragt, so dürfen für dasselbe Kalenderjahr, in dem die prämienbegünstigten Aufwendungen geleistet worden sind, Beiträge an Bausparkassen nicht als Sonderausgaben abgezogen werden. Insoweit besteht ein Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme des Sonderausgabenabzugs und einer Prämie nach den Prämiengesetzen. Eine Änderung der getroffenen Wahl ist nicht zulässig..."

Das Verbot, Beiträge an Bausparkassen als Sonderausgaben abzuziehen, wird hiernach in dem Augenblick wirksam, in dem ein Antrag auf Gewährung einer Prämie nach dem Spar-Prämiengesetz oder dem Wohnungsbau-Prämiengesetz gestellt worden ist. Es ist also allein von der Antragstellung, nicht etwa von einer im Zusammenhang mit der Antragstellung abgegebenen Erklärung über die Ausübung eines Wahlrechts abhängig. Wenn ein Sparer einen Antrag auf Gewährung einer Sparprämie gestellt hat und wenn dieser Antrag eindeutig und wirksam ist, dann kommt es nicht darauf an, ob er seinem Willen, im Verhältnis zwischen Sparprämie und Sonderausgabenabzug von Bausparbeiträgen eine Wahl zu treffen, hinreichend deutlich Ausdruck verliehen hat. Diese Rechtsfolge ergibt sich vielmehr ohne weiteres kraft Gesetzes. Von ähnlichen Rechtsgrundsätzen ist der Senat bereits bei der Auslegung des § 8 WoPG 1960 ausgegangen (vgl. das genannte Urteil VI 296/64 U).

In dem Urteil vom 18. August 1972 VI R 154/68 (BFHE 107, 332, BStBl II 1973, 99) hat der Senat dargelegt, daß durch einen Antrag auf Gewährung von Wohnungsbau-Prämien nach dem Wohnungsbau-Prämiengesetz das Wahlrecht nach § 8 Abs. 1 WoPG 1960 erst wirksam ausgeübt wird, wenn der Antrag beim FA eingeht. Jedoch tritt die Wirksamkeit rückwirkend auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei der Bausparkasse ein; dieser Zeitpunkt ist auch für die Fristwahrung maßgeblich. Von entsprechenden Grundsätzen ist auch bei der Auslegung des § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG 1967 auszugehen, wenn die Wirksamkeit eines Antrags auf Gewährung einer Sparprämie nach dem Spar-Prämiengesetz zu beurteilen und der Zeitpunkt der Antragstellung zu bestimmen ist. Der Antrag ist dementsprechend mit seinem Eingang beim FA rückwirkend auf den Zeitpunkt des Eingangs bei dem Kreditinstitut (§ 3 Abs. 2 Satz 2 SparPG) als wirksam gestellt anzusehen.

Ein wirksamer Antrag, mit dem eine Ausübung des Wahlrechts verbunden wäre, liegt allerdings dann nicht vor, wenn der Antrag zu keiner Vergünstigung führt (z. B. weil bei der Wahl des Sonderausgabenabzugs nach § 8 WoPG 1960 dieser sich auf die Besteuerung nicht ausgewirkt hat, vgl. die Urteile vom 21. Oktober 1960 VI 199/60 U, BFHE 71, 623, BStBl III 1960, 482, und VI 296/64 U). Diesem Falle steht es, wie der Senat im Urteil vom 18. August 1972 VI R 320/70 (BFHE 107, 335, BStBl II 1973, 90) entschieden hat, gleich, wenn ein Sparprämienantrag durch den Wegfall einer gesetzlichen Voraussetzung unwirksam wird oder wenn (z. B. durch Rückzahlung des Sparkapitals) ein Tatbestand verwirklicht wird, bei dem das FA zur Rückforderung einer bereits gewährten Sparprämie verpflichtet wäre, bevor das FA über den Antrag entschieden hat.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, daß der Vater der Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Sparprämie gestellt hat, der mit dem unstreitigen Eingang beim FA rückwirkend zum 18. Februar 1969, dem Zeitpunkt des Eingangs bei der Bank, wirksam geworden ist. Mit diesem Antrag hat der Vater das Wahlrecht im Sinne der Gewährung einer Sparprämie ausgeübt, da am 18. Februar 1969 die Einkommensteuererklärung noch nicht beim FA eingegangen, also der Antrag auf Berücksichtigung der Bausparbeiträge als Sonderausgaben noch nicht gestellt war. Der Vater der Klägerin hat auf der Rückseite des Formulars zwar angegeben, daß er auch einen Bausparvertrag bei der Bausparkasse Y unterhält. Er hat die Frage: "Ist eine Prämie oder der Sonderausgabenabzug beantragt worden?" mit "ja" beantwortet. Diese Antwort ist jedoch unzutreffend, weil der Vater der Klägerin unstreitig im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Gewährung einer Sparprämie noch keinerlei Anträge mit Richtung auf eine Vergünstigung für seine Bausparbeiträge gestellt hatte. Es mag sein, daß der Vater der Klägerin mit diesen Angaben zum Ausdruck bringen wollte, daß er hinsichtlich der Bausparbeiträge einen Antrag auf Gewährung einer Wohnungsbau-Prämie oder auf Sonderausgabenabzug zu stellen beabsichtige. Jedoch berührt diese Ankündigung nicht die Tatsache, daß er einen wirksamen Antrag auf Gewährung von Sparprämien gestellt hat. Dieser Antrag war, als das FA die Sparprämie mit Verfügung vom 23. Februar 1970 gewährte, auch noch wirksam. Denn es war bis dahin kein Tatbestand verwirklicht worden, der etwa der Gewährung der Prämie entgegengestanden hätte.

Das FA hat auch nicht gegen seine Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, verstoßen. Von einem solchen Verstoß könnte nur gesprochen werden, wenn die Gewährung der Sparprämie zu Unrecht erfolgt wäre, wenn also schon vorher tatsächlich der Sonderausgabenabzug für Bausparbeiträge beantragt worden wäre. Dies war indessen nicht der Fall. Zudem hätte die Entscheidung des FA auch dann nicht anders ausfallen können, wenn es bei dem Vater der Klägerin ausdrücklich zurückgefragt hätte. Selbst wenn dieser bestätigt hätte, daß er den Antrag auf Sonderausgabenabzug für Bausparbeiträge noch zu stellen beabsichtige, hätte dies nichts an der Tatsache geändert, daß der Antrag auf Gewährung einer Sparprämie bereits vorher wirksam gestellt worden war und daß damit das Wahlrecht endgültig ausgeübt war. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß die Rechtsfolgen der Antragstellung auf der Rückseite des Vordrucks für die Beantragung der Sparprämie umfassend und eindeutig dargestellt sind. Dadurch wird insbesondere auch der von der Klägerin betonten Schwierigkeit der Materie Rechnung getragen. Es muß andererseits aber auch von einem Antragsteller erwartet werden, daß er von diesen Hinweisen Kenntnis nimmt und sein Handeln danach einrichtet.

Schließlich wird die Wirksamkeit des Antrags auf Gewährung einer Sparprämie auch nicht dadurch berührt, daß die Eltern nach § 2 Abs. 1 und 2 SparPG eine Höchstbetragsgemeinschaft bilden, der Vater der Klägerin den Antrag aber allein gestellt hat. Zur Auslegung des § 8 WoPG 1960 hat der Senat einerseits die Auffassung vertreten, daß Eheleute das Wahlrecht nur gemeinsam ausüben können, was voraussetzt, daß sie sich einig sind (BFH-Urteil vom 4. Mai 1965 VI 109/65 S, BFHE 83, 23, BStBl III 1965, 509). Er hat andererseits aber ausgesprochen, daß, wenn nur ein Ehegatte prämienberechtigt ist und er die Gewährung von Prämien beantragt hat, damit die mit der Antragstellung ausgeübte Wahl bindend ist und die prämienbegünstigten Beiträge auch dann nicht mehr als Sonderausgaben berücksichtigt werden können, wenn die Ehegatten Zusammenveranlagung beantragt haben (BFH-Urteil vom 10. November 1967 VI R 251/66, BFHE 91, 31, BStBl II 1968, 199). An diesen Rechtsgrundsätzen ist auch für die Auslegung des § 10 Abs. 4 EStG 1967 festzuhalten. Im Streitfall hat nur der Vater der Klägerin Aufwendungen gemacht, für die eine Prämienbegünstigung oder der Sonderausgabenabzug in Betracht kommt; denn der Vater der Klägerin hatte sowohl den Sparvertrag mit der X-Bank als auch den Bausparvertrag mit der Bausparkasse Y abgeschlossen. Er war daher auch berechtigt, für sich allein ohne die Mitwirkung seiner Ehefrau das in § 10 Abs. 4 EStG 1967 vorgesehene Wahlrecht durch Beantragung einer Sparprämie auszuüben. Es ist hiernach für die Entscheidung des Streitfalles ohne Bedeutung, daß die Mutter der Klägerin bei der Stellung dieses Antrages nicht mitgewirkt und den Antrag nicht mit unterschrieben hat.

Das FG hat dies verkannt. Sein Urteil war daher aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klage war abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70468

BStBl II 1973, 585

BFHE 1973, 249

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge