Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Der Steuerpflichtige kann das Recht, Bausparkassenbeiträge als Sonderausgaben abzuziehen oder eine Wohnungsbau-Prämie dafür zu beantragen, gemäß § 8 Abs. 1 WoPG nur einheitlich und unwiderruflich ausüben.

Die ausgeübte Wahl ist nicht deswegen unwirksam, weil es für den Antragsteller günstiger gewesen wäre, die andere Vergünstigung zu wählen.

Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Steuerpflichtige den Abzug als Sonderausgaben geltend gemacht hatte, sein Antrag aber auf die Höhe der Einkommensteuer ohne Einfluß war. In solchen Fällen kann der Steuerpflichtige innerhalb der gesetzlichen Frist noch den Antrag auf Wohnungsbau-Prämie stellen.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 3; WoPG § 8; EStG § 10/4

 

Tatbestand

Der Bg. hat im September 1962 einen Bausparvertrag geschlossen, auf den er noch in demselben Monat 5.000 DM eingezahlt hat. Anfang des Jahres 1963 übersandte ihm die Bausparkasse einen Vordruck für den Antrag auf Gewährung von Wohnungsbau-Prämie. Eine Angestellte seines Betriebes füllte den Vordruck aus und legte ihn dem Bg. zur Unterschrift vor, der unterschrieb, ohne den Inhalt genauer durchgelesen zu haben. Antragsgemäß wurde ihm vom Finanzamt eine Wohnungsbau-Prämie von 400 DM gutgebracht. Der Bg. macht jetzt geltend, er sei sich über die Bedeutung seines Antrags nicht im klaren gewesen; er habe insbesondere nicht gewußt, daß er nach der Wahl der Wohnungsbau-Prämie keine Sonderausgabenvergünstigung mehr beanspruchen könne; er habe den Bausparvertrag in der Absicht geschlossen, die Sonderausgabenhöchstbeträge voll auszuschöpfen, wie er es auch mit seinen Steuerberatern besprochen habe; er fechte seinen Antrag auf Gewährung einer Wohnungsbau-Prämie an, weil er sich über die Rechtsfolgen geirrt habe. Im Ergebnis habe er sein Wahlrecht noch nicht ausgeübt und könne infolgedessen die Sonderausgabenvergünstigung beanspruchen.

Das Finanzamt lehnte den Sonderausgabenabzug ab und stützte sich auf § 8 Abs. 2 des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (WoPG) 1960 und die dazu ergangene Rechtsprechung, z. B. in den Urteilen des Senats VI 216/57 U vom 19. September 1958 (BStBl 1959 III S. 24, Slg. Bd. 68 S. 67) und VI 21/60 vom 3. Februar 1961 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1961 S. 149). Danach sei der Steuerpflichtige an seine Wahl gebunden, auch wenn er übersehen habe, daß eine andere Wahl für ihn günstiger gewesen wäre. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht gab der Berufung statt und führte aus: Nach § 8 Abs. 2 WoPG 1960 könne der Steuerpflichtige das ihm zustehende Wahlrecht zwischen Wohnungsbau-Prämie und Sonderausgabenabzug für die begünstigten Aufwendungen eines Jahres nur einheitlich ausüben; eine änderung der getroffenen Wahl sei unzulässig. Habe sich also ein Steuerpflichtiger für die eine oder andere Möglichkeit entschieden, so sei er daran gebunden. Ein Irrtum über die Auswirkungen der Wahl sei als Motivirrtum unbeachtlich. Eine Anfechtung der Willenserklärung wie nach §§ 119 ff. BGB sei nicht zulässig, weil es sich nicht um ein Rechtsgeschäft handle, sondern um eine Erklärung gegenüber einer Behörde. Die Vorschriften des BGB über die Anfechtung von Rechtsgeschäften seien im öffentlichen Recht nicht unbeschränkt anwendbar. Die Anfechtungserklärung des Bg. sei darum unwirksam. Allerdings habe die Bindung an die Wahl der Wohnungsbau-Prämie auch ihre Grenzen, vor allem an dem Grundsatz von Treu und Glauben. Es sei illoyal, den Steuerpflichtigen an seiner Wahl festzuhalten, wenn ihm dadurch erhebliche Nachteile entstünden, die ohne Schwierigkeiten für alle Beteiligten beseitigt werden könnten. Im Streitfall habe der Bg. die Wohnungsbau-Prämie offensichtlich auf Grund eines Versehens beantragt; er habe von vornherein den günstigeren Sonderausgabenabzug in Anspruch nehmen wollen. Er habe offenbar nicht klar erkannt, was seine Unterschrift bedeute, zumal sich in dem Antragsvordruck kein ins Auge fallender Hinweis auf die Bedeutung der einmal erklärten Wahl einer Wohnungsbau-Prämie befunden habe. Es sei auch glaubhaft, daß der Bg. den Bausparvertrag auf Anraten seiner Steuerberater zur Milderung der Einkommensteuerprogression geschlossen habe. Der Unterschied zwischen der gutgeschriebenen Prämie von 400 DM und der etwa 2.200 DM betragende Sonderausgabenvergünstigung sei erheblich. Der Bg. könne darum nach dem Grundsatz von Trau und Glauben nicht an seinem Antrag festgehalten werden. Ihm stehe der Sonderausgabenabzug zu; die Gutschrift der Wohnungsbau-Prämie sei rückgängig zu machen.

Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des § 8 Abs. 2 WoPG 1960. Er führt aus, der Bg. habe sein Wahlrecht unwiderruflich ausgeübt; der Sonderausgabenabzug sei ihm darum zu versagen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der Bg. konnte für seine Aufwendungen entweder den Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1961 oder eine Wohnungsbau-Prämie nach dem WoPG in Anspruch nehmen. Er mußte gemäß § 8 Abs. 1 WoPG 1960 wählen, ob er die eine oder andere Vergünstigung beanspruchen wollte. Das Wahlrecht konnte für alle Aufwendungen im Kalenderjahr nur einheitlich ausgeübt werden. Eine änderung der einmal getroffenen Wahl war gemäß § 8 Abs. 2 WoPG 1960 nicht zulässig.

Die Wahl wird, wie rechtlich zutreffend in Abschn. 26 Abs. 1 bis 5 der Richtlinien zur Durchführung des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (WoPR) 1960 dargelegt ist, durch den Antrag auf Gewährung der Prämie im Sinne des § 4 WoPG oder durch die Geltendmachung der dem Wahlrecht unterliegenden Aufwendungen als Sonderausgaben im Lohnsteuer- oder Veranlagungsverfahren ausgeübt. Mit diesen Anträgen wird das Wahlrecht ausgeübt, auch wenn der Prämienberechtigte bei der Antragstellung sich nicht klar bewußt war, daß er endgültig und unwiderruflich sein Wahlrecht zwischen den beiden Vergünstigungsmöglichkeiten wählte (Urteile des Senats VI 216/57 U vom 19. September 1958 und VI 21/60 vom 3. Februar 1961, a. a. O., Grimm, Kommentar zum Wohnungsbau-Prämiengesetz, S. 93). Zutreffend hat das Finanzgericht eine Anfechtung der Wahl wegen Irrtums nicht zugelassen. Bewußte oder unbewußte Fehlmaßnahmen bilden keinen Anfechtungsgrund. Auch auf Rechtsunkenntnis kann sich der Berechtigte nicht berufen, zumal er in dem dem Antragsvordruck beigefügten Formblatt ausdrücklich auf die Wahlmöglichkeit und ihre Rechtsfolgen hingewiesen wurde.

Das Finanzgericht hat allerdings angenommen, daß hier ausnahmsweise keine Bindung eingetreten sei und dem Antragsteller der Weg für den Sonderausgabenabzug unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben offenstehe. Dieser Weg mag gangbar sein, wenn die getroffene Wahl dazu führt, daß der Antragsteller keine der mehreren gesetzlichen Vergünstigungen erhält. Aus diesem Grund hat die Finanzverwaltung schon frühzeitig eine Bindung an die getroffene Wahl verneint, wenn der Antrag, durch den die Wahl ausgeübt wurde, wirkungslos war, weil die Aufwendungen bei einem Steuerpflichtigen, der den Sonderausgabenabzug gewählt hatte, über den Sonderausgabenpauschalbetrag nicht hinausgingen (Verfügung der Oberfinanzdirektion Hamburg vom 15. September 1956 - S 1922 - 43 - St 21 in Deutsche Steuerzeitung, Ausgabe B, 1956 S. 518, Der Betrieb 1956 S. 954). Auch der Senat hat im Urteil VI 199/60 U vom 21. Oktober 1960 (BStBl 1960 III S. 482, Slg. Bd. 71 S. 623) entschieden, daß ein Steuerpflichtiger, bei dem sich die Geltendmachung der Beträge als Sonderausgaben auf die Einkommensteuer nicht ausgewirkt hat, innerhalb der gesetzlichen Frist noch die Gewährung von Wohnungsbau-Prämie beantragen kann. In solchen Ausnahmefällen kann trotz der formell ausgeübten Wahl die Bindungswirkung verneint werden. Hat sich aber die Wahl ausgewirkt oder kann sie sich noch irgendwie auswirken, so ist sie unabänderlich. Im allgemeinen kann ein solcher Ausnahmefall nur eintreten, wenn der Prämienberechtigte den Sonderausgabenabzug gewählt hat, ohne daß ihm daraus eine steuerliche Vergünstigung entstanden ist. Hat sich der Steuerpflichtige für die Inanspruchnahme der Wohnungsbau-Prämie entschieden, so wirkt sich diese Wahl in aller Regel auch aus. Es spielt dann keine Rolle mehr, ob die Wahl des Sonderausgabenabzugs günstiger gewesen wäre. Der Senat tritt jedenfalls der Auffassung des Finanzgerichts nicht bei, daß eine änderung der Wahl auch zulässig sei, wenn für einen Sachkundigen bereits zur Zeit der Antragstellung zu übersehen war, daß es günstiger gewesen wäre, den Sonderausgabenabzug zu beantragen (Urteil des Senats VI 21/60, a. a. O.). Die entgegenstehende Auffassung des Finanzgerichts widerspricht dem klaren Wortlaut des § 8 Abs. 2 WoPG 1960.

Der Bg. hatte zunächst die Gewährung einer Wohnungsbau-Prämie beantragt, die ihm auch gewährt wurde. Nachdem sich der Antrag des Bg. in dieser Weise ausgewirkt hat, konnte der Bg. seine Wahl nicht mehr ändern. Von einem Verstoß des Finanzamts gegen Treu und Glauben kann keine Rede sein. Das Finanzamt ist vielmehr einwandfrei nach dem Gesetz verfahren. Jede andere Handhabung hätte das Gesetz verletzt.

Die Vorentscheidung mußte nach allem aufgehoben und die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424142

BStBl III 1965, 511

BFHE 1966, 29

BFHE 83, 29

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