Leitsatz (amtlich)

Von dem zum Zwecke der Bewertung in mehrere Gruppen aufgeteilten Warenbestand einer Apotheke dürfen zur Ermittlung der tatsächlichen Anschaffungskosten oder eines niedrigeren Teilwerts von den listenmäßigen Einkaufspreisen am Bilanzstichtag nur solche Abschläge (z. B. bei Preissteigerungen oder für Preisnachlässe) gemacht werden, die sich aus repräsentativen, nachprüfbaren Unterlagen des Betriebes rechtfertigen lassen.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 2

 

Tatbestand

Der Streit geht um die Bewertung des Warenbestands der Apotheke des Steuerpflichtigen zum 31. Dezember 1960. Der Steuerpflichtige nahm die Bewertung nach der sogenannten Lauer-Taxe des von dem Diplom-Volkswirt Lauer entwickelten Verfahrens der Bewertung der Apothekenwaren vor. Zu diesem Zweck wurde der Gesamtbestand in eine Gruppe normal verkäufliche Artikel, eine Gruppe schwer verkäufliche Artikel und eine Gruppe unverkäufliche Artikel eingeteilt. Ausgangspunkt für die Bewertung aller drei Gruppen bildeten die am 31. Dezember 1960 geltenden Listenpreise (Einkaufspreise des Steuerpflichtigen nach Liste). Von den Listenpreisen nahm der Steuerpflichtige bei den normal verkäuflichen Artikeln einen Pauschalabschlag von 7 v. H., bei den schwer verkäuflichen Artikeln einen Abschlag von 70 v. H. und bei den unverkäuflichen Artikeln einen Pauschalabschlag von 100 v. H. vor. Auf die normal verkäuflichen Artikel entfielen ein Bestand von 41 968,83 DM, auf die schwer verkäuflichen ein Bestand von 5 295,25 DM und auf die unverkäuflichen ein Bestand von 2 055,60 DM, berechnet nach den Listenpreisen. Bei diesem Warenbestand zu Listenpreisen von 49 319,68 DM ergab sich ein bilanzmäßiger Warenendbestand von 40 619,68 DM. Der durchschnittliche Abschlag betrug 17,6 v. H. Das Finanzamt beanstandete den Abschlag bei den normal verkäuflichen Artikeln. Es anerkannte einen Abschlag von nur 3,5 v. H. für in der Buchführung ausgewiesene Skonti und nachgewiesene Mengenrabatte.

Das Finanzgericht, dessen Urteil in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1965 S. 59 abgedruckt ist, anerkannte die Bewertung des Warenbestands nach der Lauer-Taxe und ging von folgenden Erwägungen aus. Auf Grund der Anhörung des Diplom-Volkswirts Lauer in der mündlichen Verhandlung sei glaubhaft, daß bei den normal verkäuflichen Waren ein Abschlag von etwa 7 v. H. gerechtfertigt sei. Hierfür seien vor allem die Preisnachlässe der von den Großhändlern bezogenen Ware von Bedeutung, die sich in der Regel um 8 v. H. bewegten. Auch bei Sammelbestellungen von Apothekern bei den Herstellern unter Ausschaltung des Großhandels betrügen die Nachlässe bis zu 15 v. H. Die Preisnachlässe würden vielfach in Form von Naturalrabatten durch Lieferung zusätzlicher Waren gewährt. Sie träten oft nicht in Erscheinung. Ihre Feststellung sei daher bei der Bestandsaufnahme nicht möglich. Auch bestehe bei den normal verkäuflichen Artikeln noch ein gewisses Absatzrisiko, besonders für die sogenannten Spezialitäten (vom Hersteller abgepackte Artikel, die vom Apotheker ohne weitere Bearbeitung abgegeben werden), die beim Steuerpflichtigen allein etwa 70 v. H. der normal verkäuflichen Artikel ausmachten. Auch die Kosmetika müßten zu den absatzgefährdeten Waren gerechnet werden. Wenn sich bei den Spezialitäten am Bilanzstichtag auch noch nicht erkennen lasse, inwieweit sie später nicht mehr verkauft werden könnten, so zeige die Erfahrung jedoch, daß dies regelmäßig bei einem Teil der Fall sein werde. Kleinere Abschläge, die aber beim Steuerpflichtigen infolge der Umschlagschäufigkeit seines Warenlagers nicht besonders ins Gewicht fielen, seien auch dadurch gerechtfertigt, daß nach der Lauer-Taxe vom Listenpreis am Bilanzstichtag ausgegangen werde, der ererfahrungsgemäß etwas höher liege als die tatsächlich aufgewendeten Anschaffungspreise. Gerechtfertigt werde dieser durchschnittliche Pauschalabschlag von 7 v. H. auch dadurch, daß nach den glaubhaften Aussagen des Diplom-Volkswirts Lauer bei Übergabeinventuren regelmäßig dieser Abschlag anerkannt werde. Die Ausführungen des in der mündlichen Verhandlung vernommenen Betriebsprüfers, der seit etwa drei Jahren Fachprüfer für Apotheken sei, rechtfertigten kein anderes Ergebnis. Dieser habe bei seinen Prüfungen festgestellt, daß die Apotheker bei der Bewertung der normal verkäuflichen Artikel Abschläge zwischen 4 und 8 v. H. vornähmen. Es seien jedoch höchstens 3 bis 4 v. H. angemessen. Die von ihm für Preisnachlässe errechneten Sätze betrügen 1,5 bis 2 v. H. Diese Ausführungen könnten jedoch der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Es sei zu berücksichtigen, daß die Rabatte in der Regel nicht offen gewährt würden und der Prüfer daher nicht in der Lage sei, bei der Errechnung der durchschnittlichen Rabattsätze alle Nachlässe tatsächlich zu erfassen.

 

Entscheidungsgründe

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückweisung der Berufung des Steuerpflichtigen als unbegründet.

Nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG sind Warenbestände mit den Herstellungs- oder Anschaffungskosten zu bewerten. Ist der Teilwert am Bilanzstichtag niedriger, so kann dieser angesetzt werden. Den niedrigeren Teilwert muß der Steuerpflichtige wenigstens glaubhaft machen. Er muß objektive und nachprüfbare Umstände vortragen, die es rechtfertigen, einen Abschlag an den Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorzunehmen, um auf den niedrigeren Teilwert zu kommen.

Im Streitfall geht es weniger um eine Teilwertabschreibung als um die Ermittlung der zutreffenden Anschaffungskosten für die am 31. Dezember 1960 zu bewertende, noch normal verkäufliche Apothekerware. Wie ein Steuerpflichtiger die Anschaffungskosten seines Warenbestands ermittelt, ist ihm weitgehend überlassen. Es muß sich aber um ein nachprüfbares Verfahren handeln. Dieses muß die Gewähr bieten, daß die tatsächlichen Anschaffungskosten der Ware festgestellt werden. Das System der Lauer-Taxe, von den am Bilanzstichtag bestehenden Einkaufspreisen normal verkäuflicher Ware unter Berücksichtigung der Preisveränderungen zwischen dem Tag des Einkaufs und dem Bilanzstichtag auszugehen, ist ebenso anwendbar wie z. B. das System des Ausgangs von den Verkaufspreisen unter Abzug der handelsüblichen Gewinnspanne. Die Abschläge von den Listenpreisen des Bilanzstichtags müssen aber begründet werden. Es geht nicht an, in einer so pauschalen Weise, wie das offenbar bei der Bewertung der Apothekenwarenbestände geschieht, mit Rücksicht auf seit dem Einkauf eingetretene Preissteigerungen einen globalen Abschlag vom Listenpreis zu machen. Im Streitfall hat der Steuerpflichtige nicht angegeben, wieviel von dem Abschlag von 7 v. H. tatsächlich auf eine Verteuerung der vorhandenen Warenbestände zwischen ihrem Einkauf und dem 31. Dezember 1960 entfällt. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts ist dieser Abschlag außerordentlich gering. Infolge der Lagerumschlagsgeschwindigkeit beim Steuerpflichtigen (etwa fünfmal im Jahr) sind am Bilanzstichtag ohnehin im wesentlichen nur solche Waren in der Gruppe der normal verkäuflichen Waren vorhanden, die nicht älter als etwa 2 bis 3 Monate sind. Der Senat ist davon überzeugt, daß der Steuerpflichtige, wäre in dieser Zeit des letzten Vierteljahres 1960 eine ins Gewicht fallende Verteuerung der Einkaufspreise eingetreten, diesen zu seinen Gunsten sprechenden Umstand zahlenmäßig belegt hätte. Der Senat hält es daher für vertretbar, davon auszugehen, daß die am 31. Dezember 1960 geltenden Listenpreise jedenfalls im Falle des Steuerpflichtigen im wesentlichen auch den tatsächlichen Anschaffungskosten der am 31. Dezember 1960 noch vorhandenen Warenbestände an normal verkäuflichen Waren entsprechen.

Dann sind die vom Steuerpflichtigen geforderten Abschläge nicht zulässig. Es geht nicht an, Rabatte und sonstige Preisnachlässe, die der Steuerpflichtige nicht wenigstens in etwa ihrem Umfang und ihrer Höhe nach als tatsächlich in Anspruch genommen nachweist, pauschal zuzulassen, obwohl sie, wie das Finanzgericht selbst ausführt, nicht feststellbar sind. Ein Steuerpflichtiger, der solche Abschläge von den listenmäßigen Anschaffungspreisen begehrt, muß an Hand von repräsentativen Aufzeichnungen Umstände dartun, aus denen ersichtlich ist, daß er Preisnachlässe in diesem Umfang tatsächlich erhalten hat. Der Steuerpflichtige hat das auch für die durch seine Buchführung ausgewiesenen Skonti und für die Mengenrabatte getan. Die Berücksichtigung dieser Beträge führt aber unstreitig nur zu einem Abschlag von durchschnittlich 3,5 v. H. Für einen weiteren Wertabschlag mit der Begründung, daß auch die normal verkäufliche Ware noch mit einem gewissen Absatzrisiko behaftet sei, besteht kein Anlaß. Der Steuerpflichtige hat erklärt, daß kein Fall vorgekommen ist, in dem Waren in der Gruppe der normal verkäuflichen Waren unter den Anschaffungspreisen oder mit einer geringeren Gewinnspanne verkauft worden seien.

Aus der Entscheidung kann nicht entnommen werden, daß der Senat die Pauschalabschläge von 70 v. H. und 100 v. H. billigt.

 

Fundstellen

BStBl III 1965, 448

BFHE 1965, 555

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