Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die in einer Rechtsmittelentscheidung enthaltene Entscheidung über die Streitwertfeststellung der Vorinstanz kann weder durch diese Rechtsmittelinstanz noch durch die Vorinstanz geändert werden.

Die änderung einer Streitwertfeststellung ist im übrigen nicht im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens, sondern nur in einem besonderen Verfahren zulässig.

 

Normenkette

AO §§ 320, 322; FGO § 140/3, § 146

 

Tatbestand

Streitig sind die Kosten eines durch alle Instanzen gegangenen Steuerrechtsstreits, der Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer aus dem Jahre 1951 betraf. Nach rechtskräftiger Entscheidung durch das Urteil des Bundesfinanzhofs I 260/54 vom 31. Januar 1956 hat das Finanzamt dem Bf. unter dem 7. Mai 1956 einen Kostenfestsetzungsbescheid erteilt. Dabei ist es für alle Instanzen von einem Streitwert von 3.159 DM und einem Kostenanteil des Bf. von 6/7 ausgegangen. Auf die Erinnerung des Bf. erhöhte das Finanzamt durch Entscheidung vom 6. August 1956 die Kostenschuld des Bf. um 16,79 DM. Diese Verböserung ergab sich daraus, daß das Finanzamt für die Rb., was es in seinem Kostenfestsetzungsbescheid übersehen hatte, den im Urteil des Bundesfinanzhofs festgesetzten Streitwert von nur 2.695 DM zugrunde legte, entsprechend der dortigen Kostenentscheidung aber die vollen Kosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren vom Bf. forderte.

Die Berufung des Bf., mit der dieser den gleichen niedrigeren Streitwert für alle Instanzen und eine Beseitigung der Verböserung erstrebte, wurde als unbegründet zurückgewiesen. Gleichzeitig erließ die Vorinstanz dem Bf. aus Billigkeitsgründen einen Betrag von 12,15 DM, den der Bf. bei richtiger höherer Bemessung des Streitwerts für die Berufung im vorangegangenen Rechtsstreit infolge der vom Finanzamt im Einspruchsverfahren vorgenommenen Verböserung hinsichtlich der Umsatzsteuer und dementsprechend anderer Festsetzung seines Kostenanteils nicht zu tragen gehabt hätte.

Mit seiner Rb. macht der Bf. unter anderem geltend: Es könne nicht zugegeben werden, daß der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 31. Januar 1956 nicht nur den Streitwert der Rb. festgestellt, sondern zugleich auch die höheren Streitwerte, die Finanzamt und Finanzgericht jeweils für ihre Instanz festgestellt hatten, bestätigt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. hat keinen Erfolg.

Der Vorinstanz ist auch insoweit beizutreten, als sie sich im Hinblick auf das in der Hauptsache ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs vom 31. Januar 1956 gehindert gesehen hat, die frühere Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes, die das Finanzgericht in seinem Berufungsurteil zu niedrig vorgenommen hat, zu ändern. Zwar hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil I 147/59 vom 29. März 1960 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Reichsabgabenordnung, § 320, Rechtsspruch 21) entschieden, daß die Streitwertfeststellung rechtlich nicht Bestandteil der Rechtsmittelentscheidung ist, nicht in materielle Rechtskraft erwächst und daher von der Stelle, die den Streitwert festgestellt hat, gemäß § 93 AO abgeändert werden kann. Das stimmt mit der im Schrifttum herrschenden Meinung überein (vgl. Becker, Die Reichsabgabenordnung, 7. Aufl., § 243, Anm. 3; Riewald, Reichsabgabenordnung, Teil II, § 320, Anm. 1; Hübschmann-Hepp- Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, § 320, II; Berger, Der Steuerprozeß, § 321; Klempt-Meyer, Rechtsmittelverfahren und Rechtsmittelkosten in Steuerstreitsachen, 2. Aufl., S. 123). Daraus ist jedoch nicht zu folgern, daß eine solche änderung ohne jede Einschränkung möglich ist. Wie der Bundesfinanzhof in seinem Urteil II 190/54 S vom 30. März 1955 (BStBl 1955 III S. 158, Slg. Bd. 60 S. 415) entschieden und in dem Urteil I 10/58 S vom 16. Februar 1960 (BStBl 1960 III S. 145, Slg. Bd. 70 S. 388) bestätigt hat, können Streitwertfeststellungen der Finanzgerichte mit der Rb. selbständig angefochten werden. Geschieht das, so stellt nach Auffassung des Senats die Streitwertfeststellung des Finanzgerichts in einem solchen Rechtsbeschwerdeverfahren die Hauptsache dar. Die darüber ergehende Rechtsbeschwerdeentscheidung muß daher, wie auch sonst Rechtsmittelentscheidungen nach § 94 Abs. 4 Satz 2 AO der änderung entzogen sein. Für die nachgeordnete Instanz, deren Streitwertfeststellung angefochten war, verbietet sich im übrigen nach der Rechtsbeschwerdeentscheidung eine änderung schon nach dem allgemeinen Grundsatz, daß sie an die im Einzelfall getroffene Entscheidung der übergeordneten Instanz gebunden ist. Nichts anderes kann aber gelten, wenn die Entscheidung des Finanzgerichts in der Hauptsache, mit der die Streitwertfeststellung verbunden ist, angefochten ist. In seinem Urteil I 114/60 S vom 28. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 287) hat der Bundesfinanzhof entschieden, daß in einem solchen Falle die fehlerhafte Streitwertfeststellung im Rechtsmittelverfahren über die Hauptsache von Amts wegen zu prüfen ist und geändert werden kann. Die Rechtsmittelentscheidung erstreckt sich also auch auf die Streitwertfeststellung der Vorinstanz, sei es, daß diese geändert oder ausdrücklich oder stillschweigend gebilligt wird. Daraus folgert der Senat, daß die Rechtsmittelentscheidung nicht nur hinsichtlich der Hauptsache, sondern auch hinsichtlich der Entscheidung über die Streitwertfeststellung der Vorinstanz einer änderung nicht mehr unterliegen kann, und zwar weder durch die entscheidende Rechtsmittel- noch durch die Vorinstanz. Lediglich die für die Rechtsmittelinstanz getroffene Streitwertfeststellung könnte noch durch diese Instanz selbst geändert werden. Im übrigen aber wäre nach Auffassung des Senats auch eine solche änderung nicht im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens zulässig, sondern hätte in einem besonderen Verfahren zu geschehen.

Die Vorinstanz hat daher im Ergebnis mit Recht von einer änderung der früheren Streitwertfeststellung des Finanzgerichts abgesehen, nachdem der Bundesfinanzhof im Rechtsbeschwerdeverfahren entschieden, und zwar für die Rb. einen anderen Streitwert festgestellt, aber die Streitwertfeststellung des Finanzgerichts nicht geändert und damit, wenn auch ohne besondere Erwähnung in den Gründen, bestätigt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410136

BStBl III 1961, 376

BFHE 1962, 303

BFHE 73, 303

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