Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Abzug wegen unentgeltlich geleisteter Dienste gemäß § 25 ErbStG 1959 kann auch neben dem Betrag gemäß § 6 Abs. 1 ErbStG 1959 gewährt werden.

 

Normenkette

ErbStG § 6 Abs. 1, § 25

 

Tatbestand

Die Klägerin hat ihren am 4. Januar 1959 verstorbenen Ehemann, einen Tiefbauunternehmer, als Alleinerbin beerbt. Die Ehegatten lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

Den Antrag, neben der Vergünstigung des § 6 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes 1959 - im folgenden ErbStG - (und außer einem Freibetrag von 30.000 DM gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) auch einen Abzug wegen unentgeltlich geleisteter Dienste in vorläufig geschätzter Höhe gemäß § 25 ErbStG zu gewähren, lehnte das Finanzamt (FA) unter Hinweis auf den Erlaß des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 16. Juli 1959 S 3810 - 21 465/VC - 2 (abgedruckt in der Zeitschrift "Der Betrieb" 1959 S. 846) ab. Es setzte durch einen auch wegen verschiedener anderer Gründe vorläufigen Steuerbescheid vom 27. Oktober 1959 eine Erbschaftsteuer von ... DM fest.

Mit der Sprungberufung machte die Klägerin u. a. geltend, sie habe im Geschäft ihres Mannes eine volle Arbeitskraft ersetzt. Entgegen Darlegungen in der Literatur treffe es nicht zu, daß durch den Zugewinnausgleich bereits ein Ausgleich für unentgeltliche Dienste der Ehegatten erreicht werde, der weit über den Rahmen des § 25 ErbStG hinausgehe.

Das Finanzgericht (FG) wies durch das in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1962 S. 450 im Auszug abgedruckte Urteil III 19/59 Erb vom 20. Juni 1962 die Sprungberufung zurück.

 

Entscheidungsgründe

Die ab 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde der Klägerin hat Erfolg.

Das FG stützt seine Entscheidung, daß § 25 ErbStG neben § 6 Abs. 1 ErbStG dann, wenn Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben, nicht anwendbar sei, vor allem darauf, daß beiden Vorschriften derselbe Gedanke zugrunde liege: Durch diese Vergünstigungen solle vermieden werden, daß Vermögensmehrungen (im Falle des § 25 ErbStG in Form ersparter Aufwendungen), an denen der Erbe selbst mitgewirkt habe, auch noch der Erbschaftsteuer unterworfen würden. In übereinstimmung mit der zum Teil auch im Schrifttum vertretenen Meinung (Megow, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, 4. Aufl., § 25 Anm. I; Troll, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, § 25 Tz. 3; abwartend Kapp, Das Erbschaftsteuergesetz, 3. Aufl., § 25 Anm. 4 a zu bb) hält es eine zweifache Vergünstigung deshalb nicht für gerechtfertigt, weil bereits mit dem Zugewinnausgleich auch die unentgeltliche Mitarbeit des überlebenden Ehegatten steuerfrei abgegolten sei.

Der Senat kann sich dieser Auffassung nicht anschließen.

Zunächst ist davon auszugehen, daß der durch das Gesetz zur änderung des Erbschaftsteuergesetzes vom 24. März 1959 (BGBl I S. 157) eingefügte § 6 Abs. 1 ErbStG und § 25 ErbStG nach begünstigtem Personenkreis und sachlichen Voraussetzungen gewisse beachtenswerte Unterschiede aufweisen. § 6 ErbStG betrifft lediglich einen (auch ohne Antrag so zu behandelnden) steuerfreien Erwerb für den überlebenden Ehegatten nach Beendigung der Zugewinngemeinschaft (vgl. auch Troll, a. a. O., § 6 Tz. 7). § 25 ErbStG kommt (nur auf Antrag) jedem Erwerber, ohne Rücksicht auf seine persönlichen Beziehungen zum Erblasser, zugute. Die letztgenannte Vorschrift setzt voraus, daß der Erwerber im Haushalt oder im Betrieb des Erblassers ohne Barlohn Dienste geleistet und hierdurch eine fremde Arbeitskraft erspart hat. § 6 ErbStG enthält diese Voraussetzungen nicht. Im Falle des § 25 ErbStG wird ein angemessener Abzug nur gewährt, soweit der Erwerber durch seine Arbeit und Dienstzeit selbst Vermögenswerte mitgeschaffen hat. Es ist richtig, daß deshalb der Vergünstigung des § 25 ErbStG der Gedanke zugrunde liegt, daß der Erwerber zur Erhaltung oder auch Vermehrung des Vermögens beigetragen hat (vgl. Urteil des BFH II 258/57 U vom 12. August 1959, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 69 S. 417 - BFH 69, 417 -, BStBl III 1959, 416). Es trifft auch zu, daß der Ausgleich des Zugewinns (§ 1371 ff. BGB) an sich auf dem Grundgedanken beruht, daß die während der Ehe erzielte Vermögensmehrung regelmäßig als gemeinschaftlich erarbeitet bzw. erspart auch dem nicht unmittelbar verdienenden Ehepartner zukommen muß. Insbesondere soll - entgegen der früheren Benachteiligung auf Grund des gesetzlichen Güterstandes der Verwaltung und Nutznießung des Mannes - ein gerechter Ausgleich für die Arbeit der Ehefrau im Haushalt erzielt werden (vgl. auch Scheffler im Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB, 10. / 11. Aufl., § 1363 Anm. 3 - 5; Hübner bei Staudinger, Kommentar zum BGB, § 1356 Tz. 10, 49; Lauterbach bei Palandt, Kommentar zum BGB, 25. Aufl., Einführung vor § 1363 Anm. 2). Gerade für ihre Tätigkeit im gemeinschaftlichen Haushalt kann aber die Ehefrau als Erbin einen Abzug gemäß § 25 ErbStG auch nach Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgrundsatzes und nach der entsprechenden Neufassung des § 1356 BGB (Art. 1 Ziff. 6 des Gleichberechtigungsgesetzes) nach der Rechtsprechung des Senats nicht geltend machen (vgl. im Anschluß an das Urteil III 70/51 S vom 12. September 1952, BFH 56, 735, BStBl III 1952, 282, das Urteil II 170/60 vom 27. Juli 1962, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963 S. 63 zu II 2).

Vor allem kann jedenfalls für die hier zu entscheidende erbschaftsteuerrechtliche Frage nicht unbeachtet bleiben, daß bereits in den Fällen, in denen die Ehe nicht durch den Tod aufgelöst wird (§§ 1372 ff. BGB), der Zugewinnausgleich - von gewissen Modifikationen abgesehen - rein rechnungsmäßig und schematisch stattfindet (Felgentraeger bei Staudinger a. a. O., § 1363 Tz. 15). Die Gründe für die Vermögensveränderungen sind dabei unerheblich; insbesondere braucht ein Mehrwert gerade nicht auf einer Arbeitsleistung eines Ehegatten zu beruhen (Folgentraeger bei Staudinger a. a. O., § 1373 Tz. 11 ff.). Auch bei der "erbrechtlichen" Lösung (§ 1371 Abs. 1 BGB) wird zwar das güterrechtliche Anliegen der allgemeinen Vermögensteilhabe vollzogen, dies aber nicht durch "Verwirklichung" des Zugewinnausgleichs, sondern im Gewand und auch mit Mitteln des Erbrechts durch einen Pauschalausgleich. Das Prinzip der Errungenschaftsbeteiligung wird ersetzt durch eine Erbrechtsverstärkung in Form einer vom Gesetzgeber gewollten Besserstellung des überlebenden Ehegatten ohne Rücksicht auf einen Zugewinn (zum Stand der Meinungen im Familienrecht vgl. Felgenträger bei Staudinger a. a. O., § 1371 Vorbem. 8 - 14 und § 1371 Tz. 6, 7). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Ehegatten überhaupt einen Zugewinn haben und ob der Erblasser den höheren Zugewinn erzielt hat. Sogar wenn - bei anderer Beendigung des Güterstandes als durch den Tod - der Erblasser selbst ausgleichsberechtigt gewesen wäre, erhält der überlebende Ehegatte den erhöhten Erbteil, dies auch ohne Rücksicht auf die Dauer des Güterstandes (Felgentraeger bei Staudinger a. a. O., § 1371 Tz. 8, 14).

Erbschaftsteuerrechtlich geht § 6 ErbStG insofern noch weiter, als es unerheblich ist, ob dem überlebenden Ehegatten tatsächlich ein erhöhter gesetzlicher Erbteil zugefallen ist. Vielmehr tritt der Betrag des § 6 Abs. 1 ErbStG zusätzlich neben die für Ehegatten noch nach § 16 oder § 17 ErbStG vorgesehenen Freibeträge, dies auch dann, wenn dem Ehegatten der ganze Nachlaß als Alleinerbe zufällt.

Somit muß davon ausgegangen werden, daß sich die Regelung in § 6 Abs. 1 ErbStG in Verbindung mit § 1371 Abs. 1 BGB im erbschaftsteuerrechtlichen Ergebnis von dem Grundgedanken, wie er den § 25 ErbStG (Steuervergünstigung wegen eigener Mitarbeit) beherrscht, so weitgehend gelöst hat, daß die Anwendbarkeit des § 6 Abs. 1 ErbStG nicht durch § 25 ErbStG - etwa im Sinne einer Spezialvorschrift - verdrängt werden kann.

Mit Recht hat die Klägerin darauf hingewiesen, daß § 6 ErbStG allen Ehefrauen zugute kommt, auch denen, die nicht im Beruf oder Geschäft ihres Ehemannes mitgearbeitet haben, und daß deshalb die Versagung der Vergünstigung des § 25 ErbStG in den Fällen, in denen die Ehefrau außerdem im Beruf oder Geschäft mitgearbeitet hat, nicht gerechtfertigt erscheint.

Bei dieser Rechts- und Sachlage kann auch nicht unterstellt werden, daß eine "zusätzliche" Vergünstigung vom Gesetzgeber nicht gewollt oder gar Härten bewußt in Kauf genommen worden wären. Aus der Begründung zum Gesetz zur änderung des Erbschaftsteuergesetzes 1959 (Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucksache 598 vom 29. Oktober 1958, abgedruckt in der Deutschen Verkehrsteuer-Rundschau 1958 S. 167 ff.) ist derartiges nicht zu entnehmen. Die §§ 6 Abs. 1 und 25 ErbStG schließen sich nach ihrem Wortlaut nicht aus. Wäre anderes gewollt gewesen, so muß angesichts der im übrigen sehr ins einzelne gehenden Regelung des § 6 ErbStG angenommen werden, daß der Gesetzgeber dies ausdrücklich angeordnet oder vielleicht dem überlebenden Ehegatten ein Wahlrecht zwischen § 6 oder § 25 ErbStG eingeräumt hätte. Gerade bei kleineren oder mittleren Betrieben wird - wie anscheinend gerade im Streitfall - ein Betrag im Sinne des § 25 ErbStG den Betrag gemäß § 6 Abs. 1 ErbStG nicht selten und nicht unbeachtlich übersteigen können. Abgesehen von der im Einzelfall nicht gerechtfertigten Härte, die sich aus der Nichtanwendung des § 25 ErbStG ergäbe, verdeutlicht dies den grundsätzlichen Unterschied zwischen den streitigen Vorschriften. Der Vorschrift des § 6 Abs. 1 ErbStG kann nicht entnommen werden, daß sie gleichzeitig - wenn auch nur für bestimmte Fälle - eine Schlechterstellung der Ehegatten gewollt hätte.

§ 25 ErbStG ist - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - also auch dann anwendbar, wenn die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben und ein Ehegatte im Betrieb des verstorbenen Ehegatten mitgearbeitet hat.

Die Sache ist spruchreif. Die Vorentscheidung und der vorläufige Steuerbescheid des FA vom 27. Oktober 1959, die von anderen rechtlichen Erwägungen ausgehen, waren mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Das FA wird bei erneuter Prüfung der Steuerpflicht die vorstehenden Rechtsausführungen zu beachten haben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

 

Fundstellen

BStBl III 1966, 626

BFHE 1966, 717

BFHE 86, 717

StRK, ErbStG:25 R 1

NJW 1967, 463

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