Entscheidungsstichwort (Thema)

Wertgrenze für Sonderkulturen

 

Leitsatz (NV)

Bei Ermittlung der Wertgrenze von 2 000 DM für Vergleichswerte von Sonderkulturen (§ 13 a Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 und Abs. 8 Nr. 1 EStG 1990) ist der Zu- und Abgang von Flächen weinbaulicher Nutzung, der nicht zu einer Fortschreibung des Einheitswerts geführt hat, nicht zu berücksichtigen (gegen Abschn. 130 a Abs. 2 Satz 2 EStR 1990).

 

Normenkette

EStG 1990 § 13a Abs. 4 Nr. 1 S. 2, Abs. 8 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger ist im Hauptberuf Maurer und betreibt nebenberuflich einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit einem Ausgangswert von 298 DM. In diesem Rahmen betreibt der Kläger auf 0,8031 ha (oder 0,8081 ha nach Einspruchsbescheid) den Weinbau.

Mit Bescheid vom 14. März 1977 hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die im Eigentum der Kläger stehende Fläche von 582 qm als Betrieb der Land- und Forstwirtschaft -- Stückländerei -- mit einem Einheitswert in Höhe von 100 DM auf den 1. Januar 1976 bewertet. Nach dem Stichtag 1. Januar 1976 erwarb der Kläger weitere 6 485 qm Weinbaufläche und pachtete 964 qm Weinbaufläche hinzu. Da der Erwerb der 6 485 qm Eigenfläche nicht zu einer Wertfortschreibung führte, galt der Einheitswertbescheid vom 14. März 1977 unverändert fort.

Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1988 ermittelte das FA gemäß § 40 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) i. V. m. Abschn. 5.01 bis 5.16 der Bewertungsrichtlinie einen Ausgangswert von 2 216 DM mit der Folge, daß der Gewinn aus Weinbau nach § 13 a Abs. 8 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in die Durchschnittssätze einbezogen wurde. Mit dem dagegen erhobenen Einspruch machten die Kläger vergeblich einen aus dem ha-Satz der Eigentumsfläche -- Stückländerei -- ermittelten Vergleichswert von weniger als 2 000 DM geltend. Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) erließ einen Zwischenfeststellungs-Gerichtsbescheid (§§ 90 a, 99 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), verwies zur Begründung gemäß § 105 Abs. 5 FGO auf die Einspruchsentscheidung und ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.

Die Kläger rügen mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts und tragen vor, das FG halte den Einheitswert der Land- und Forstwirtschaft -- Stückländerei -- zu Unrecht nicht für einen Einheitswertbescheid i. S. des § 13 a Abs. 4 Nr. 1 erster Satz EStG und übersehe, daß nach § 34 Abs. 7 BewG auch Stückländereien einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft darstellten. Der dafür maßgebende Wert sei aber auch für die zugepachteten und die weiteren Eigentumsflächen heranzuziehen, die nicht zu einer Wertfortschreibung geführt hätten. Im übrigen gelte § 13 a Abs. 4 Nr. 1 Satz 6 EStG nur für Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung und berücksichtige nicht die Sondernutzungen i. S. des § 13 a Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 EStG. Eine Zurechnung der zugekauften Weinbaufläche, die nicht zu einer Wertfortschreibung des Einheitswerts geführt hat, müsse daher im Streitfall unterbleiben.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1988 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung auf der Grundlage eines nach § 13 a Abs. 2 bis 6 EStG ohne Zuschlag nach § 13 a Abs. 8 EStG ermittelten Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzu weisen.

Es ist der Auffassung, der für die Stückländerei angesetzte Wert könne für die Ermittlung der Wertgrenze in § 13 a Abs. 8 Nr. 1 EStG nicht maßgebend sein, weil dort nicht auf den Einheitswertbescheid des Betriebs verwiesen werde. Maßgebend seien vielmehr die nach den Vorschriften des BewG ermittelten Werte, die im Streitfall die Grenze von 2 000 DM überstiegen. Die Übernahme der für die Stückländerei angesetzten Werte verbiete sich wegen der Besonderheiten der Bewertung dieser Wirtschaftsgüter. Im übrigen seien auch die nach dem Bewertungsstichtag zugekauften Weinbauflächen zu berücksichtigen, denn § 13 a Abs. 4 Satz 6 EStG verwende den Begriff der landwirtschaftlichen Nutzung in einem umfassenden, auch den Weinbau einschließenden Sinn.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist begründet. Der angefochtene Zwischenfeststellungs-Gerichtsbescheid ist aufzuheben.

Zu Unrecht hat das FA die Gewinne aus weinbaulicher Nutzung nach § 13 a Abs. 8 Nr. 1 EStG in die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen einbezogen. Der sich für die weinbauliche Nutzung ergebende Wert übersteigt im Streitjahr nicht die Wertgrenze von 2 000 DM (§ 13 a Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 und Abs. 8 Nr. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung -- EStG a. F.). Dabei kann dahinstehen, ob die nach dem Bewertungsstichtag hinzuerworbenen und hinzugepachteten Weinbauflächen mit dem für die Stückländerei maßgebenden Wert oder -- wie das FA meint -- insgesamt mit dem nach den Vorschriften des BewG ermittelten Wert anzusetzen sind, denn die nach dem Stichtag hinzuerworbene Weinbaufläche, die nicht zu einer Wertfortschreibung nach § 22 BewG geführt hat, durfte nicht nach § 13 a Abs. 4 Nr. 1 Satz 6 EStG a. F. hinzugerechnet werden.

Nach § 13 a Abs. 4 Nr. 1 Satz 6 EStG a. F. ist der Vergleichswert der landwirtschaftlichen Nutzung um die auf solche Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung entfallenden Wertanteile zu vermehren oder zu vermindern, deren Zu- oder Abgang wegen der Fortschreibungsgrenzen des § 22 BewG nicht zu einer Fortschreibung des Einheitswerts geführt haben. Im Streitfall übersteigt der vom FA ermittelte Vergleichswert der weinbaulichen Nutzung nur deshalb den Betrag von 2 000 DM, weil das FA, der Anweisung in Abschn. 130 a Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 1990 (EStR 1990) folgend, auch die nach dem letzten Feststellungszeitpunkt erworbene Weinbaufläche von 6 485 qm in die Berechnung des Ausgangswerts einbezogen hat. Nach dem Wortlaut des § 13 a Abs. 4 Nr. 1 Satz 6 EStG a. F. ist dies unzulässig; denn danach ist die Berücksichtigung von Flächenänderungen, die nicht von einer Fortschreibung des Einheitswerts erfaßt wurden, nur für Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung, nicht aber bei einer weinbaulichen Nutzung oder für Sonderkulturen vorgesehen.

Einer Auslegung, wonach der Begriff der landwirtschaftlichen Nutzung auch die Sonderkulturen, die weinbauliche und die gärtnerische Nutzung umfaßt, steht der eindeutige Wortlaut des Gesetzes entgegen. Entgegen der Auffassung des FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16. Juni 1987 3 K 158/86, Entscheidungen der Finanzgerichte 1988, 18, rechtskräftig) umfaßt der Wortsinn des Begriffs "landwirtschaftliche Nutzung" in § 13 a Abs. 4 Nr. 1 Satz 6 EStG a. F. nicht alle Nutzungen i. S. des BewG, denn § 13 a Abs. 4 Nr. 1 EStG a. F. verwendet die bewertungsrechtliche Terminologie, wonach die landwirtschaftliche Nutzung i. S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. §§ 50 bis 51 a BewG aber gerade von weinbaulichen Nutzungen i. S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c i. V. m. §§ 56 bis 58 BewG und den anderen Sondernutzungen zu unterscheiden ist. In diesem Sinne treffen § 13 a Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 und Satz 2 EStG a. F. eine Unterscheidung zwischen landwirtschaftlicher Nutzung einerseits und den Sonderkulturen und Sondernutzungen andererseits. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aber kann ein in verschiedenen Vorschriften desselben Gesetzes verwendeter gleicher Begriff mangels entgegenstehender ausdrücklicher Vorschriften grundsätzlich nicht unterschiedlich ausgelegt werden (s. etwa BFH- Urteile vom 8. Oktober 1975 II R 39/70, BFHE 117, 292, BStBl II 1976, 164; vom 28. Januar 1976 IV R 209/74, BFHE 118, 26, BStBl II 1976, 288, und vom 23. September 1980 VI R 53/79, BFHE 131, 486, BStBl II 1981, 92). Die Vorschrift des § 13 a Abs. 4 Nr. 1 Satz 6 EStG a. F. läßt sich daher nur durch Auslegung gegen den Wortlaut über die landwirtschaftliche Nutzung hinaus auch auf die Sondernutzungen ausdehnen (gleicher Ansicht Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl. 1991, Rdnr. 925).

Im Streitfall vermag sich der Senat aber auch nicht der in Abschn. 130 a Abs. 2 Satz 2 EStR 1990 vertretenen Auslegung gegen den Gesetzeswortlaut anzuschließen. Nach dieser Verwaltungsanweisung ist § 13 a Abs. 4 Nr. 1 Satz 6 EStG "entsprechend auch für die in § 13 a Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 EStG aufgeführten Nutzungen, Nutzungsteile und Wirtschaftsgüter anzuwenden". Im Streitfall wäre dies eine Analogie zu Lasten der Kläger, die nach der Rechtsprechung des Senats zwar grundsätzlich zulässig ist (Urteil vom 20. Oktober 1983 IV R 175/79, BFHE 139, 561, BStBl II 1984, 221); dies setzt jedoch voraus, daß sich einwandfrei eine Gesetzeslücke feststellen läßt und daß sich die Rechtsprinzipien, nach denen diese Lücke zu schließen ist, eindeutig dem Gesetzeswortlaut oder den Gesetzesmaterialien entnehmen lassen (Senatsurteil in BFHE 139, 561, BStBl II 1984, 221).

Nach Auffassung des Senats ergibt sich für § 13 a Abs. 4 Nr. 1 Satz 6 EStG a. F. nicht einwandfrei, daß eine Gesetzeslücke vorliegt. Dies wird nicht zuletzt dadurch bestätigt, daß auch eindeutige Rechtsprinzipien fehlen, die die Feststellung einer Lücke erleichtern und die Lückenfüllung ermöglichen könnten. Die Vorschrift zur Berücksichtigung von Flächenänderungen, die nicht zu einer Fortschreibung geführt haben, wurde durch das Gesetz zur Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft vom 25. Juni 1980 -- LwBestG -- (BGBl I, 732, BStBl I, 400) eingefügt, nachdem Flächenänderungen, die nicht auf Pachtungen oder Verpachtungen beruhten, nur berücksichtigt werden konnten, wenn dies zu einer Fortschreibung des Einheitswerts geführt hatte. Nach der Gesetzesbegründung diente diese Neuregelung zwar der "Gleichbehandlung von Flächen bei Zu- und Verpachtung einerseits und bei anderen Zu- und Abgängen andererseits" (BTDrucks 8/3239 S. 10). Diese Erwägung spricht indessen nur für eine Gleichbehandlung der Flächenänderungen mit den in § 13 a Abs. 4 Nr. 2 und 3 EStG geregelten Fällen der Zu- und Verpachtung von Flächen landwirtschaftlicher Nutzung. Die von den EStR zum Vergleich herangezogene Regelung des § 13 a Abs. 4 Nr. 4 EStG betrifft indessen nicht nur den Sonderfall der Flächenänderung in Bagatellfällen der Pachtung und Verpachtung. Es kann daher durchaus in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben, die Zu- und Abgänge der Sondernutzungen in Bagatellfällen wie bisher nicht zu erfassen, damit der vorrangige Zweck des § 13 a EStG, die Gewinnermittlung für kleine Betriebe "so einfach wie möglich zu gestalten", nicht vereitelt wird (BTDrucks 8/3239 S. 9). Immerhin unterfallen auch Nutzungsänderungen von Flächen oder Änderungen im Tierbestand nicht der Zu- und Abrechnungsregelung des § 13 a Abs. 4 Nr. 1 Satz 6 EStG a. F.

Nach der Überzeugung des Senats hätte der Gesetzgeber, der sich bei der Neufassung des § 13 a EStG durch das LwBestG die bewertungsrechtliche Unterscheidung von landwirtschaftlicher Nutzung und anderen Nutzungen z. B. in § 13 a Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 bis 6 EStG mehrfach zu eigen gemacht hat, bei der im Gesetzgebungsverfahren obwaltenden Sorgfalt ohne Schwierigkeiten eine Regelung treffen können, wie sie in Abschn. 130 a EStR 1981 ff. enthalten war. Er hat dies jedoch auch in den Folgejahren unterlassen, obwohl bekannt war, daß die Regelung in den EStR kontrovers beurteilt wurde (anderer Ansicht etwa Felsmann/Pape, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., C 198). Erst im Jahre 1993 hat der Gesetzgeber durch das Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1993 (BGBl I, 2310, BStBl I 1994, 50) die Vorschrift des § 13 a Abs. 4 Nr. 1 Satz 6 EStG erweitert und auch auf die anderen in Satz 2 bezeichneten Nutzungen erstreckt. In der Gesetzesbegründung wird diese Änderung als Klarstellung aus Gründen der Gleichbehandlung bezeichnet. Sollte damit die Klarstellung eines bisher schon bestehenden Rechtszustands und nicht die Klärung einer umstrittenen Rechtslage gemeint sein, so könnte der Senat dem nicht folgen, zumal der Gesetzgeber selbst keine Rückwirkung vorgeschrieben hat.

Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Dem weiteren Verfahren hat das FG die Rechtsauffassung des Senats zugrunde zu legen. Einer förmlichen Zurückverweisung gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO bedarf es nicht, denn der Rechtsstreit befindet sich mit der Aufhebung des nach § 99 Abs. 2 FGO erlassenen Zwischenfeststellungs-Gerichtsbescheids wieder in der Lage, die vor dem Erlaß des Zwischenfeststellungs-Gerichtsbescheids gegeben war (BFH-Urteile vom 30. Mai 1975 III R 72/74, BFHE 116, 93, BStBl II 1975, 714, und vom 25. Oktober 1988 IX R 28/88, BFH/NV 1989, 513).

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten (ständige Rechtsprechung: s. BFH-Urteile vom 14. Mai 1976 III R 22/74, BFHE 119, 25, BStBl II 1976, 545; vom 16. Juni 1982 I R 189/81, nicht veröffentlicht, und vom 25. November 1986 VII R 69/86, BFH/NV 1987, 523).

Obwohl die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet haben, hält es der Senat für zweckmäßig, einen Gerichtsbescheid zu erlassen. Daran ist der Senat auch im Zwischenverfahren nicht gehindert (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1971 I R 212/71, BFHE 104, 493, BStBl II 1972, 425).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421598

BFH/NV 1997, 100

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