Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Einkünfte aus Holznutzungen im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1953 bzw. des § 34 b EStG 1955 des Wirtschaftsjahres 1954/1955 sind, soweit sie gemäß § 2 Abs. 6 Ziff. 1 EStG auf den Veranlagungszeitraum 1954 entfallen, nach § 34 Abs. 3 EStG 1953 und, soweit sie auf den Veranlagungszeitraum 1955 entfallen, nach § 34 b EStG 1955 zu begünstigen.

Die Aufstellung eines forstwirtschaftlichen Betriebsgutachtens oder Betriebswerkes gemäß § 68 Abs. 2 EStDV 1955 kann bis zur Beendigung des Verfahrens vor dem Finanzgericht erfolgen.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 6 Ziff. 1, § 34 Abs. 3, § 34b/1/2; EStDV § 68 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Bf. unterhielt in den Veranlagungszeiträumen 1954 und 1955 einen Forstbetrieb mit einer rund 117 ha großen Waldfläche. Einen Bestandsvergleich für das stehende Holz nahm er nicht vor. Die Buchführung ist ordnungsmäßig. Im Wirtschaftsjahr 1954/1955 (1. Oktober bis 30. September) wurden neben anderen Einhieben 420 Festmeter Holz wegen eines im Dezember 1954 eingetretenen Windbruches eingeschlagen. Nachdem die Oberfinanzdirektion auf Grund der entsprechenden Unterlagen das Vorliegen einer Kalamität anerkannt hatte, beantragte der Bf. für die durch höhere Gewalt bedingten Nutzungen Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG 1953 bzw. § 34 b EStG 1955. Das Finanzamt lehnte eine Steuervergünstigung nach den genannten Vorschriften wegen des Fehlens eines gültigen Forsteinrichtungswerkes bzw. eines Betriebsgutachtens für beide Jahre ab. Das im Jahre 1925 erstellte Betriebswerk war 1945 außer Kraft getreten. Die gegen die Einkommensteuerbescheide 1954 und 1955 eingelegte Sprungberufung hatte insoweit Erfolg, als das Finanzgericht für den Veranlagungszeitraum 1954 die Steuervergünstigung gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1953 zuließ, da für diesen Zeitraum die Festlegung eines normalen Nutzungssatzes durch ein amtlich anerkanntes Betriebsgutachten oder ein Forsteinrichtungswerk nicht gefordert werden könne.

Dagegen hat das Finanzgericht für den Veranlagungszeitraum 1955 die Berufung des Bf. als unbegründet zurückgewiesen, indem es davon ausging, daß das Vorliegen eines amtlich anerkannten Betriebsgutachtens oder eines gültigen Betriebswerkes gesetzliche und unabdingbare Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung gemäß § 34 b EStG 1955 sei. Der Bf. könne nicht damit gehört werden, daß die rechtzeitige Erstellung eines Betriebswerkes oder eines amtlich anerkannten Betriebsgutachtens für ihn nicht möglich gewesen sei, weil die staatlichen Forstbehörden oder die hierfür in Frage kommenden Forstsachverständigen wegen Arbeitsüberlastung hierzu einfach nicht in der Lage gewesen seien.

Die Rb. begründet der Bf. damit, daß der Kalamitätsfall im Dezember 1954 erfolgt sei, so daß das Schadensereignis noch nach altem Recht beurteilt werden müsse. Das EStG 1955 in der Fassung vom 21. Dezember 1954 sei erst nach dem Schadensereignis veröffentlicht worden, ferner sei die den § 34 b ergänzende EStDV - § 68 - erst ein Jahr nach der Veröffentlichung des Gesetzes am 21. Dezember 1955 bekanntgegeben worden. Er habe schon frühzeitig im Jahre 1955 versucht, ein Einrichtungswerk von dem staatlichen Forstamt zu erhalten, was jedoch wegen der überlastung dieser Behörde nicht möglich gewesen sei. Im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die sich aus der späten Veröffentlichung der maßgebenden gesetzlichen Vorschriften ergeben hätten, müsse es für die Anwendung der ermäßigten Steuersätze genügen, wenn das erst im Jahre 1958 aufgestellte Betriebswerk zur Feststellung des nachhaltigen Nutzungssatzes für 1955 herangezogen werde. Um diesen übergangsschwierigkeiten Rechnung zu tragen, habe sich die für ihn zuständige Oberfinanzdirektion in einem Schreiben an den Waldbesitzerverband vom 23. Juni 1956 damit einverstanden erklärt, daß in diesen Fällen, um Härten zu vermeiden, den Waldbesitzern Gelegenheit gegeben werden solle, die für die Steuervergünstigung erforderlichen Unterlagen in angemessener Frist zu erstellen. In ähnlicher Weise hätten andere Länder, so zum Beispiel Baden-Württemberg (BStBl 1957 II S. 24) und Bayern (Amtsblatt des B. Staatsministeriums der Finanzen 1958 S. 1026), und zwar das letztere Land durch Zulassung eines Gutachtens eines forstwirtschaftlichen Sachverständigen der jeweils zuständigen Oberfinanzdirektion als Ersatz für das amtlich anerkannte Betriebsgutachten, geholfen. Im übrigen vertritt der Bf. die Auffassung, daß das Betriebsgutachten noch bis zur Rechtskraft der Veranlagung nachgereicht werden könne, da das Gesetz nicht den Zeitpunkt der Erstellung, sondern nur den Zeitpunkt, auf den das Gutachten abgestellt sein müsse, bestimmt habe.

Das Finanzamt ist demgegenüber der Auffassung, daß das Betriebsgutachten zumindest bei Einreichung der Steuererklärung für 1955 hätte erstellt sein müssen, da vom Bf. hierfür eine Fristverlängerung beim Finanzamt nicht beantragt worden sei. Eine nachträgliche Vorlage des Betriebsgutachtens könne schon deshalb nicht mehr in Frage kommen, weil die Sache vor dem Bundesfinanzhof anhängig sei und neues tatsächliches Vorbringen nicht mehr berücksichtigt werden dürfe.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes: Bei Land- und Forstwirten ist gemäß § 2 Abs. 6 Ziff. 1 EStG 1955 in der Fassung vom 21. Dezember 1954 der Gewinn des Wirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr beginnt, und auf das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr endet, entsprechend dem zeitlichen Anteil aufzuteilen. Wirtschaftsjahr bei reiner Forstwirtschaft ist der Zeitraum vom 1. Oktober bis 30. September (ß 2 Abs. 2 Ziff. 2 EStDV 1955). Die Besteuerung der Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen und Kalamitätsnutzungen ist durch die erstmalig für den Veranlagungszeitraum 1955 in Kraft getretene Vorschrift des § 34 b EStG 1955 teils zugunsten, teils aber auch zuungunsten der Steuerpflichtigen geändert worden. Sie ist günstiger, weil die festen Betriebsausgaben nur von den Holznutzungen innerhalb des Nutzungssatzes abgezogen werden, während sie bisher auf alle Holznutzungen zu verteilen waren; sie ist aber in einer Reihe von Punkten ungünstiger, insbesondere hinsichtlich des Steuersatzes bei Kalamitätsnutzungen, die nicht mehr wie bisher im vollen Umfang, sondern nur teilweise steuerbegünstigt sind. Daher sind die Bestrebungen, aus Vereinfachungsgründen die Vorschrift des § 34 b EStG bereits vom Beginn des Wirtschaftsjahres 1954/1955 oder erst vom Beginn des Wirtschaftsjahres 1955/1956 ab anzuwenden, wegen der sich im ersteren Falle ergebenden Möglichkeit von Benachteiligungen der Steuerpflichtigen nach einem Beschluß der Steuerreferenten der Länder im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen abgelehnt worden (vgl. Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B 1956 S. 205). Der Gewinn des Wirtschaftsjahres 1954/1955 ist daher für die Berechnung der begünstigten Holznutzungen aufzuteilen, und zwar einmal nach § 34 Abs. 3 EStG 1953 mit 1/4 für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1954 und nach § 34 b EStG 1955 mit 3/4 für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1955. Dementsprechend ist das Finanzgericht auch hinsichtlich der auf das Jahr 1954 entfallenden Kalamitätsnutzungen verfahren.

Die hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 1955 angefochtene Entscheidung unterliegt aus folgenden Erwägungen der Aufhebung: Die Vorschrift des § 34 b Abs. 4 Ziff. 1 EStG 1955 sieht zwar vor, daß die Steuersätze des Abs. 3 nur dann anzuwenden sind, wenn durch ein amtlich anerkanntes Betriebsgutachten oder durch ein Betriebswerk ein Nutzungssatz periodisch für 10 Jahre festgesetzt ist. Diese Bestimmung kann jedoch für die hier streitige Kalamität schon deshalb keine Anwendung finden, weil das EStG 1955 erst ab 1. Januar 1955 anzuwenden ist. Die EStDV 1955 vom 21. Dezember 1955 - erlassen über ein Jahr nach dem Eintritt der Kalamität - bestimmt dementsprechend in § 68 Abs. 2 wie folgt: Liegt der Zeitpunkt, auf den das Betriebsgutachten oder das Betriebswerk nach Abs. 1 Satz 1 aufzustellen ist, vor dem 1. Januar 1955, so genügt es, wenn diese auf den 1. Januar 1955 aufgestellt werden. Es wird damit nur bestimmt, auf welchen Zeitpunkt das Betriebsgutachten bzw. das Betriebswerk aufgestellt werden muß; das kann aber in diesen übergangsfällen nur nachträglich geschehen. Der Auffassung des Finanzgerichts, daß ein nachträglich aufgestelltes Betriebsgutachten zur Feststellung der Nutzungssätze im Sinne des § 34 b Abs. 4 Ziff. 1 EStG für die Gewährung der Steuervergünstigung nicht ausreiche, kann daher nicht beigetreten werden. Auch die Ansicht des Finanzamts im Schriftsatz vom 17. November 1959, wonach das Betriebsgutachten zumindest bei Einreichung der Steuererklärung für 1955 hätte erstellt sein müssen, da vom Bf. hierfür Fristverlängerung beim Finanzamt nicht beantragt worden sei (im letzteren Falle hätte das Finanzamt offenbar ein noch zu einem späteren Zeitpunkt aufgestelltes Gutachten als zulässig anerkannt), entspricht nicht dem Sinn und Zweck des § 68 Abs. 2 EStDV. Man wird vielmehr mit dem Bf. davon auszugehen haben, daß das Gutachten noch bis zum Abschluß der Tatsacheninstanz beigebracht werden kann, wofür auch die Erwägung spricht, daß der Antrag auf Steuervergünstigung gemäß § 34 b EStG 1955 bis zur Beendigung des Verfahrens vor dem Finanzgericht hätte gestellt werden können (vgl. das Urteil des Senats IV 193/55 U vom 27. März 1958, BStBl 1958 III S. 227, Slg. Bd. 66 S. 589). Diese Entscheidung betrifft zwar den § 34 Abs. 3 EStG alter Fassung; man wird sie jedoch auch auf § 34 b EStG 1955 entsprechend anwenden können, da sich insoweit die Rechtslage nicht geändert hat.

Die Sache wird daher an das Finanzgericht zurückverwiesen, damit es unter Hinzuziehung eines amtlich anerkannten forstwirtschaftlichen Sachverständigen - der Senat hätte keine Bedenken, im vorliegenden Fall hierunter auch den Forstsachverständigen der zuständigen Oberfinanzdirektion zu rechnen - auf Grund des vom Bf. erwähnten Betriebswerkes 1958 und des alten Betriebswerkes aus dem Jahre 1925 den für das Wirtschaftsjahr 1954/1955 maßgebenden Nutzungssatz feststellt, und dem Bf. die von ihm erstrebte Steuervergünstigung auch für das Jahr 1955 zuteil werden läßt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410264

BStBl III 1962, 34

BFHE 1962, 87

BFHE 74, 87

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